Was mindestens genauso wichtig ist: Die Öffentlichkeit erwartet, dass der Justizminister nicht die parteipolitische Speerspitze in der öffentlichen Diskussion bildet, sondern seriös argumentiert.
Herr Justizminister, Sie argumentieren nicht seriös, wenn Sie sagen, diese Justizreform sei ein Anschlag auf die kleinen Amtsgerichte. Sie wissen genau, dass es in der Befugnis der Länder liegt,
Amtsgerichte einzurichten oder zu schließen. Im Gesetz steht nicht, dass da etwas geändert wird. Ich bitte Sie, das nachzulesen. Es steht nichts davon im Gesetz.
Es ist Sache der Länder, Außenstellen einzurichten oder auch nicht. Es gibt ein OLG Karlsruhe mit Außensenaten in Freiburg. Keiner hindert das Land daran, Außenstellen einzurichten oder Ähnliches zu machen.
Ich kann mich erinnern, Herr Justizminister: Vor Jahren wurde von den kleinen Amtsgerichten die Diskussion an uns herangetragen, ob der Justizminister beabsichtige, die kleinen Amtsgerichte abzuschaffen. Da ging es um Handelsregisterauslagerung.
Können Sie sich noch daran erinnern, Herr Justizminister? Darum ging es damals, und da haben Sie versichert: Unter meiner Ägide gibt es keine Schließung kleiner Amtsgerichte! Na also! Sagen Sie das heute auch! Oder wollen Sie kleine Amtsgerichte schließen, wenn auch aus ganz anderen Gründen? Wollen Sie sich hinter der Justizreform verstecken?
(Beifall bei der SPD – Abg. Oelmayer Bündnis 90/ Die Grünen: Aha! – Abg. Kluck FDP/DVP (sich die Haare raufend): Herr Bebber! So!)
Sancho Pansa! – Nur mit einer großen Justizreform können wir die Qualität der Justiz auch im 21. Jahrhundert sichern.
Er hat noch viel mehr gewollt, als die Justizreform jetzt beabsichtigt: Eine einheitliche erste Instanz wollte er. Er wollte eine zweite Instanz zur ausschließlichen Rechtskontrolle, Herr Justizminister, das Vorbringen neuer Tatsachen in zweiter Instanz untersagen. Das wollte Schmidt-Jortzig, und Sie haben dem zugejubelt.
Dritte Instanz mit alleiniger Aufgabe der Wahrung der Rechtseinheit, Einzelrichterprinzip als Regel,
Präklusion neuen Sachvortrags – das, was ich gerade gesagt habe: keine neuen Tatsachen in der zweiten Instanz vorbringen.
Es geht so weiter. Sie, meine Damen und Herren Kollegen von der CDU, haben im Bundestag mit den Liberalen einen Gesetzentwurf zur Vereinfachung der Justiz eingebracht. Dort stand genau das drin, was ich gerade vorgelesen habe – mit feinen Differenzierungen, Herr Justizminister. Ich will so seriös sein; das weiß ich. Aber im Wesentlichen stand genau das drin.
Und Sie, Herr Justizminister, haben noch selbst vor einem Jahr gesagt: „Wir müssen klarmachen, dass in der zweiten Instanz nicht von vorne angefangen wird.“ Das ist ein wörtliches Zitat von Goll, 23. Juni 1999. „Die Berufung in ein Instrument der Fehlerbeseitigung mit Fehlerkontrolle umzugestalten“ war Ihre Aussage – „Pforzheimer Zeitung“, 23. Juni.
Es geht so weiter. Sie haben ja einen Justizministerkonferenzbeschluss mit gefasst; er ist einstimmig gefasst worden. Damals ist die Justizministerin aufgefordert worden, bis zum Herbst letzten Jahres ein Grundkonzept vorzulegen.
Die Justizminister begrüßen das Grundkonzept der Umgestaltung der Berufungsinstanz in eine Instanz der Fehlerkontrolle und Fehlerbeseitigung.
Ich habe den Eindruck, dass Sie unter Gedächtnisschwund leiden. Wenn man sich nämlich anschaut, auf welcher Grundlage die Justizreform basiert, die Sie als Instrument zur Zerschlagung des Rechtsstaats apostrophieren,
muss man wirklich sagen: Kollege Bender, das ist starker Tobak, wie ich ihn von Ihnen in dieser Art und Weise noch nie gehört und in diesem Zusammenhang auch nicht erwartet hätte.
Ich darf einfach einmal auf drei Punkte zu sprechen kommen. Es geht ja eigentlich auch um inhaltliche Fragen und nicht nur darum, was Herr Professor Dr. Goll, der Justizminister unseres Landes, vor einem Jahr gesagt hat und was er heute sagt. Wir haben zwischenzeitlich ja mitgekriegt, dass es dabei große Lücken und Differenzen gibt.
Die erste Frage ist doch: Warum brauchen wir die Reform? Ich darf Ihnen einmal eine Begründung dafür nennen. Wir haben in den vergangenen Jahren einer CDU/CSU-FDPRegierung im Bund, die dafür natürlich auch zuständig war, erlebt, dass durch die Flickschusterei von Beschleunigungs- und Vereinfachungsgesetzen die Belastung der Ge
richte, insbesondere beim Zivilrechtsweg, bei den Amtsgerichten angekommen ist. Gerade dort, wo von der Personenzahl und von der Zahl der Fachgebiete her am wenigsten Kompetenz angesiedelt ist, haben Sie alles hingepackt. Sie haben das nicht an den Inhalten, sondern am materiellen Hintergrund, an der Streitwertgrenze, orientiert.
Genau dort wollen wir ansetzen. Ihre Partei, Kollege Bender, hat dafür gesorgt, dass überhaupt erst ab der Streitwertgrenze von 1 500 DM Rechtsmittel möglich sind. Sie haben den Rechtsweg verkürzt, Sie haben quasi Rechtsmittel abgeschafft – gegen eine ganz große Menge amtsgerichtlicher Urteile.
Das ist der erste Punkt, der mit dieser Reform geändert werden soll. Wir wollen die Eingangsinstanz, die Amtsgerichte, stärken und nicht schwächen, auch nicht durch die Übertragung von Kompetenzen für Handelsregister oder Ähnlichem. Das ist auch im Zusammenhang mit dem vorhin erhobenen Vorwurf, Bürgernähe etc. sei teuer, und all dem, was Sie ins Feld führen, ganz wichtig. Die Bürgernähe erreichen wir dadurch, dass wir die Kompetenz und die Ausstattung der Justiz dort hinpacken, wo die meisten Menschen zunächst mit der Justiz in Kontakt kommen, und das ist beim Amtsgericht.