Protokoll der Sitzung vom 23.11.2000

(Abg. Wieser CDU: So würde sich kein Lehrer bei mir in der Schule benehmen!)

Genau. Jetzt hören Sie einfach zu. Herr Haas, ich versuche es noch einmal.

(Zuruf des Abg. Wieser CDU)

Baden-Württemberg weist eine spezielle Situation auf.

(Abg. Haas CDU: Ich habe eine Frage gestellt! Die sollen Sie beantworten!)

Aus dieser Situation heraus ist die Zahl der Beschäftigten im Produktionsbereich deutlich größer als die in anderen Bundesländern und überdurchschnittlich geringer im Dienstleistungsbereich. Von daher ergibt sich, dass die Problemgruppen anders sind. Das ist an sich doch kein Vorwurf.

(Abg. Haas CDU: Die steigt doch ständig!)

Ich muss aber zur Kenntnis nehmen, dass in Baden-Württemberg 46 % der Arbeitslosen ohne Ausbildung sind. Wenn ich dies zur Kenntnis nehme, Herr Haas, dann muss ich davon meine aktive Arbeitsmarktpolitik ableiten; sie muss darauf ganz gezielt eingehen. Das machen Sie eben nicht. Sie haben es immer noch nicht begriffen – schade.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält Frau Abg. Schlager.

(Abg. Wieser CDU: Jetzt hoffe ich, dass eine ge- wisse Sachlichkeit in die Debatte kommt! – Abg. Haas CDU: Wo sind denn die Sozialpolitiker aus Ihrer Fraktion? Haben die nichts zu sagen?)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Betreff der Aktuellen Debatte weisen Sie, meine Damen und Herren von der CDU, ausdrücklich auf die Bedeutung der aktiven Arbeitsmarktpolitik hin. Wir haben darüber einen erfreulichen Konsens. Wenn Sie das auch immer dann tun, wenn die Wirtschaft gegen den so genannten zweiten Arbeitsmarkt polemisiert

(Abg. Haas CDU: Wer macht das?)

und wenn Arbeitgeberverbände wie gerade Anfang dieser Woche wieder fordern, bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik zu kürzen, wenn Sie dann mit uns zusammen hinstehen, dann haben wir eine erfreuliche Gemeinsamkeit.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Wenn!)

Ich möchte aber aus Ihrer Begründung einen Satz vorlesen, der nicht unwidersprochen stehen bleiben kann:

Die tief greifende Trendumkehr im Südwesten ist trotz der Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen durch die Bundesregierung erfolgt; weitere Verschlechterungen stehen akut an.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Das ist der absolute Gag!)

Ich habe auf das Datum geschaut, ob das vom 11. 11., 11:11 Uhr stammt. Es war aber ernst gemeint. Dieser Satz kam zur gleichen Zeit auf mein Pult, zu der das Jahresgutachten des Sachverständigenrates herauskam. Herr Haas, Sie sagen, der Aufschwung liege in Ketten. Ich sage Ihnen jetzt einmal die Überschrift des Sachverständigenratsgutachtens: „Chancen auf einen höheren Wachstumspfad“.

(Abg. Haas CDU: Chancen, wenn man sie nutzt!)

Wann wurden in den letzten zehn Jahren die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so gut bewertet wie in diesem

Sachverständigenratsgutachten? Es muss Sie einfach wurmen, dass die CDU für Reformstau steht, während die rotgrüne Bundesregierung für das Ende dieses Reformstaus und für gute Rahmenbedingungen steht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD – Zurufe von der CDU)

Ich weiß ja, dass Sie es mir nicht glauben und dass Sie es sich von mir auch nicht gerne sagen lassen. Deswegen trage ich Ihnen jetzt einmal

(Zurufe von der CDU – Gegenruf des Abg. Dr. Sa- lomon Bündnis 90/Die Grünen: Macht doch ein- mal halblang! Jetzt seid ihr eben in der Oppositi- on!)

ich muss ja richtig gegen Sie anreden, Frau Blank – einen Blick aus dem Ausland auf unseren Wirtschaftsstandort vor. Am 17. November heißt es bei dpa:

Deutschland wird durch die Steuerreform in den Augen französischer Unternehmer auf einen Schlag zum attraktivsten Wirtschaftsraum in Europa.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Aha!)

Während Deutschland bislang den vorletzten Platz belegt habe, werde es bis zum Jahr 2003 sprunghaft nach vorne rücken und Großbritannien vom Spitzenplatz verdrängen, sagt der Präsident des französischen Arbeitgeberverbandes MEDEF.

Dieser Arbeitgeberverband hat seiner Studie alle europäischen Länder und jeweils die Unternehmensteuern, die Mehrwertsteuer, das Erbrecht und die Besteuerung der Kapitalerträge zugrunde gelegt. Was wollen Sie mehr als in Sachen Rahmenbedingungen auf Platz 1 sein?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Der Haas aus Emmendingen müsste es wissen, aber er kann we- der Deutsch noch Französisch! – Abg. Wieser CDU: Fünf Jahre habt ihr es verhindert!)

Sie behaupten, die Wirtschaft sitze seit zwei Jahren auf gepackten Koffern und könne es kaum erwarten, dieses Land zu verlassen. Ich sage Ihnen, dass das einströmende Investivkapital größer ist als je zuvor in den letzten zehn Jahren.

(Unruhe)

Sie müssen sich ein Weiteres anhören. Sie sagen immer, die Berliner Politik lege der Wirtschaft nur Steine in den Weg. Die Steine aus Berlin sind Bausteine einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Lachen bei der CDU – Zuruf von der CDU: Glauben Sie das?)

Dazu gehört ausdrücklich auch – ich will dies betonen –, die Interessen der Beschäftigten zu berücksichtigen. Schutz vor Scheinselbstständigkeit, Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Mitbestimmung

(Abg. Wieser CDU: Das habt ihr erfunden? Um Gottes Willen!)

sind nicht die Knüppel aus dem Sack für die Wirtschaft, sondern Bestandteile der sozialen Marktwirtschaft, für die Sie auch einmal gestanden sind, meine Damen und Herren von der CDU.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Wie- ser CDU: Die haben wir eingeführt! – Abg. Dr. Sa- lomon Bündnis 90/Die Grünen: Eingeführt und ab- geschafft!)

Ich will jetzt noch auf einen Punkt der aktiven Arbeitsmarktpolitik hinweisen, die in Baden-Württemberg durchaus betrieben wird und auch ihre Erfolge hat; dies wollen wir auch anerkennen. Es gibt hier bundesweit noch viel zu tun. Es gibt auch landesweit noch etwas zu tun, aber ich will einmal einen Punkt nennen, wo wir schlechter sind als der Bundesdurchschnitt, weil wir ja immer so gern vergleichen.

(Abg. Wieser CDU: Wo sind wir schlechter?)

Im Bundesdurchschnitt beträgt der Anteil der ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zwischen 18 und 25 Jahren an der Gesamtarbeitslosigkeit 24 %, bei uns sind es 34 %. Wir haben ein Integrationsdefizit. Diese Gruppe tut sich schwer am Arbeitsmarkt. Hier können wir noch etwas tun.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Wie- ser CDU: Das hängt mit der Struktur unseres Ar- beitsmarkts zusammen! – Abg. Dr. Eva Stanienda CDU: Das hängt mit den Zahlen zusammen! – Abg. Wieser CDU: Die war deutlich besser als Herr Hausmann! Das muss man sagen!)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Noll.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Bebber hat mich zu einem Wortspiel – – Entschuldigung, Herr Bebber, ich bin noch bei der letzten Debatte. Herr Hausmann hat mich mit den Gockeln zu einem Wortspiel herausgefordert. Ich möchte einen Hasen nicht zum Gockel machen und einen lieben Hausmann auch nicht zum Macho-Gockel, aber ein bisschen hat das, was hier abläuft, schon etwas von einem Hahnenkampf.

(Abg. Wieser CDU: Er ist schon ein Hausmann!)

Ich denke, was gut ist, darf man ruhig gut nennen, unabhängig davon, ob es von der Bundesregierung oder von der Landesregierung und den sie tragenden Fraktionen kommt, und was schlecht ist und wo noch Nachbesserungsbedarf besteht, darf man auch deutlich sagen. Dass Baden-Württemberg glücklicherweise im Arbeitsmarkt-Ranking innerhalb der Bundesländer mit 4,9 % Arbeitslosen inzwischen auf Platz 1 steht, das wäre, glaube ich, einen Beifall aller Wert.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Wieser CDU: Sehr gut!)

Nachdem ich auf der Zuhörertribüne Zuhörerinnen und Zuhörer von den Fildern sehe, sage ich: Es gibt auf den Fil

dern 2,9 % Arbeitslose, also da, wo sozusagen die Post abgeht.

(Abg. Wieser CDU: Wo Sie Abgeordneter sind!)