Protokoll der Sitzung vom 02.02.2006

Noch einmal: Schön finde ich es nicht. Mir wäre es lieber gewesen, das wäre ganz selbstverständlich geregelt worden. Es gab einen Einzelfall – so entstehen ja Regelungsbedarfe –, in dem uns die Kommune gesagt hat: „Ihr müsst etwas tun.“ Dann mussten wir uns damit beschäftigen. Jetzt haben wir unterschiedliche Standpunkte.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abg. Dr. Noll, bitte kommen Sie zum Ende.

Der politische Wille ist klar: Wir wollen ein klares Signal für Integration und gegen integrationsfeindliche Symbole in unseren Kindergärten setzen. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erhält Frau Abg. Lösch.

(Abg. Rückert CDU: Wie viel Zeit hat sie noch? – Zuruf des Abg. Kübler CDU)

Ich habe noch viereinhalb Minuten. Das reicht mir.

(Abg. Rüeck CDU: Dann nutze sie gut!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die grüne Haltung zum Kopftuchverbot hat sich – auch wenn wir einen Änderungsantrag eingebracht hatten, der im Sozialausschuss abgelehnt wurde – nicht verändert. Unsere Haltung unterscheidet sich immer noch fundamental von der Haltung von CDU und FDP/DVP sowie auch gravierend von dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion.

Die Regierungsfraktionen sehen in ihrem Gesetzentwurf wie auch schon im Schulgesetz ein generelles Verbot vor, was dazu führt, dass zum Beispiel 30 Erzieherinnen in Stuttgart, die bisher problemlos gearbeitet haben, gekündigt werden muss, wenn sie bei ihrer Arbeit weiterhin ihr Kopftuch tragen wollen.

(Abg. Kübler CDU: Das ist ihre Entscheidung! – Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Dies soll geschehen, ohne dass es irgendwelche Schwierigkeiten oder Differenzen im Vorfeld gab. Im Gegenteil, solche Erzieherinnen sind für den Integrationsprozess und für eine Erziehung hin zur Toleranz geradezu wichtig.

(Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Zimmermann: Oi! – Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Wir halten die Radikallösung der CDU und der FDP/DVP auch für verfassungswidrig – ebenso wie das Kopftuchverbot im Schulgesetz. Nach unserer Rechtsauffassung wird, Herr Kollege Kleinmann, die Religionsfreiheit der kopftuchtragenden Muslima in verfassungswidriger Weise zurückgedrängt, und das in Fällen, in denen die Frauen nicht missionieren oder provozieren, sondern ordentliche Arbeit leisten.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich darf um mehr Ruhe bitten.

(Abg. Drexler SPD: Genau!)

Sie leisten ordentliche Arbeit, allerdings tragen sie dabei ein Kopftuch.

(Abg. Kübler CDU: Wer sagt das? – Abg. Rüeck CDU: Einfach so?)

Einfach so. Genauso wie manche eine Halskrause um den Hals tragen, tragen andere ein Kopftuch.

(Heiterkeit – Unruhe – Abg. Rüeck CDU: Frau Lösch, sind Sie der Meinung, dass Kopftücher nur noch auf ärztliche Anordnung getragen werden dür- fen? – Abg. Drexler SPD: Der eine trägt eine Hals- krause, der andere ein Kopftuch! – Abg. Wieser CDU: Frau Kollegin, das ziehen Sie bitte zurück!)

Ja, das ziehe ich zurück.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Hoffmann?

Bitte sehr, Herr Abg. Hoffmann.

Frau Kollegin Lösch, ich würde Ihnen gerne eine Frage stellen. In Ihrem Gesetzentwurf steht, dass die Kopftuchträgerin anzuhören ist. Gestern haben wir von Ihrem Fraktionsvorsitzenden gehört, dass es keine Gesinnungsanhörung geben darf. In Ihrem Antrag steht aber, sie sei anzuhören. Welche Fragen gedenken Sie denn einer Kopftuchträgerin zu stellen, wenn Sie sie anhören?

(Vereinzelt Beifall – Zurufe von der CDU: Sehr gut!)

Kollege Hoffmann, wenn es zu einer Anhörung kommt, dann hat es im Vorfeld Schwierigkeiten gegeben, das heißt, da haben sich Eltern oder Kinder beschwert. Dann liegen Vorfälle vor, und genau zu diesen Vorfällen erfolgen dann Anhörungen. Das hat nichts mit Fragen nach der Gesinnung, zum Beispiel nach der Einstellung zur Homosexualität, zu tun, sondern da gibt es ganz konkrete Vorfälle im Kindergarten oder in der Schule.

(Abg. Kübler CDU: Mit was hat das zu tun? – Abg. Zimmermann CDU: Aber das hat doch nichts mit dem Kopftuch zu tun!)

Da gibt es ganz konkrete Vorkommnisse, und diese Vorkommnisse werden diskutiert. Das ist wirklich etwas ganz anderes.

(Abg. Kübler CDU: Das ist aber etwas ganz Neues! Wo wird denn das schon praktiziert?)

Ich weiß nicht, wo das schon praktiziert wird.

(Abg. Kübler CDU: Nirgends! Nirgends!)

Aber das ist auch kein Gegenargument; das ist eher ein Totschlagargument. Denn wenn wir in Baden-Württemberg nur das machen würden, was woanders schon praktiziert wird,

(Abg. Kübler CDU: Nirgends!)

dann würden wir viele andere Dinge auch nicht machen.

Jetzt komme ich zum Gesetzentwurf der SPD. Auch diesen halten wir für rechtlich bedenklich.

(Abg. Wieser CDU: Das ist mir klar!)

Zunächst ist anzuerkennen, dass die SPD in Bezug auf die Praktikabilität einer Einzelfallprüfung offenbar gelernt hat. Beim Schulgesetz waren Sie ja noch anderer Meinung,

(Abg. Wintruff SPD: Das haben Sie nicht verstan- den!)

als wir ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt im Rahmen einer Einzelfallprüfung vorgeschlagen haben.

(Abg. Drexler SPD: Das hat damit nichts zu tun!)

Wenn es damit nichts zu tun hat, dann verstehe ich nicht, warum. – Aber jetzt legen Sie selbst diese Konstruktion zugrunde.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP zu Abg. Drexler SPD: Das ist völlig identisch! – Gegenruf des Abg. Drex- ler SPD: Das ist doch ein anderer Träger! Red doch nicht daher!)

Ihre Begründung, die kommunale Selbstverwaltungsgarantie verlange dies, halten wir für falsch. Die Selbstverwaltungsgarantie gilt im Verhältnis der Gebietskörperschaften untereinander. Sie führt jedoch nicht zu anderen Abwägungen im Verhältnis zur kopftuchtragenden Grundrechtsträgerin.

(Abg. Birzele SPD: Aber entscheidend ist die Fra- ge, wer entscheidet!)

Auch im SPD-Entwurf, Kollege Birzele, wird der Religionsfreiheit der kopftuchtragenden Erzieherin nicht in verfassungsrechtlich gebotener Weise Rechnung getragen.

(Abg. Kübler CDU: Wissen Sie, über welches The- ma Sie reden?)

Sie wollen, dass die Kommunen in Fällen, in denen die Erzieherin nur ihr Kopftuch trägt – –

(Glocke der Präsidentin)