Wer dem Gesetzentwurf zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf wurde mehrheitlich abgelehnt.
Wir haben nun noch über Abschnitt V der Beschlussempfehlung des Sozialausschusses, Drucksache 13/5078, abzustimmen. Demnach soll der Antrag Drucksache 13/4658 für erledigt erklärt werden. – Sie stimmen zu.
Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz über die Krebsregistrierung in BadenWürttemberg (Landeskrebsregistergesetz – LKrebsRG) – Drucksache 13/5066
Das Präsidium hat für die Aussprache nach der Begründung durch die Regierung eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir beraten heute den Entwurf des neuen Landeskrebsregistergesetzes, den der Ministerrat am 17. Januar 2006 beschlossen hat. Dies ist ein wichtiger und bedeutsamer Schritt auf dem schwierigen Weg zu einem neuen, zukunftsfähigen Krebsregister für Baden-Württemberg.
Die Krebsregistrierung in Baden-Württemberg ist eine gesundheitspolitisch wichtige Aufgabe. Sie muss neben den unbestreitbar wichtigen bevölkerungsbezogenen Auswertungen auch den behandelnden Ärzten und nicht zuletzt den an Krebs erkrankten Patienten einen konkreten Nutzen bringen.
Wir – ich sage das bewusst so, obwohl ich als Person nicht unmittelbar beteiligt war – haben gemeinsam mit führenden Experten aus Wissenschaft und Praxis intensiv an einer grundlegenden Umstrukturierung gearbeitet. In einem sehr schwierigen Prozess hatten wir eine Vielzahl verschiedener
und meist widerstreitender Interessen unter einen Hut zu bringen. Ich denke, wir können mit dem erreichten Ergebnis zufrieden sein.
Mit dem heute zu beratenden Gesetzentwurf kann es uns gelingen, in Baden-Württemberg die Krebsregistrierung entscheidend voranzubringen und uns nach Ansicht der beteiligten Experten bundesweit an die Spitze zu setzen.
Leitbild des Gesetzentwurfs ist die Verknüpfung von klinischer und epidemiologischer Krebsregistrierung. Das neue Landeskrebsregistergesetz sieht vor, gemeldete Krebserkrankungen über eine zentrale Vertrauensstelle zu erfassen. In einer klinischen Landesregisterstelle sollen die Daten zu Zwecken der Qualitätssicherung von Krebsbehandlungen ausgewertet werden. Ein neues epidemiologisches Krebsregister nimmt bevölkerungsbezogene Auswertungen vor.
Der Gesetzentwurf sieht vor, den meldenden Kliniken Auswertungen über die Qualität ihrer Krebsbehandlungen zur Verfügung zu stellen. Über regionale Qualitätskonferenzen der Selbstverwaltung wird die wichtige Zusammenarbeit in der Region intensiviert und gezieltes Benchmarking – modern gesprochen – möglich. Darüber hinaus erhält jeder meldende Arzt auf Antrag weitere Behandlungsdaten zu den von ihm gemeldeten Patienten. So erfolgt eine unmittelbare Rückmeldung über die Qualität der Krebsbehandlung. Dies ist entscheidend für die Motivation der Ärzte, Krebserkrankungen zuverlässig zu melden. Mit der gesetzlichen Meldepflicht werden auch die rechtlichen Rahmenbedingungen des Meldeverfahrens zukünftig positiv beeinflusst.
Wie Sie sehen, vermittelt das neue Krebsregister Ärzten und Kliniken deutlich mehr Informationen als ein rein epidemiologisches Krebsregister. Das neue Krebsregister wird damit nicht länger eine Einbahnstraße sein. Es wird zu einem Instrument, mit dem wir langfristig die Behandlung von Krebspatienten verbessern und eine Konzentration auf erfolgreiche Therapieformen bewirken können. Aus diesem Grund wird es auch von den gesetzlichen Krankenkassen in Baden-Württemberg unterstützt.
Selbstverständlich werden im Gesetzentwurf auch die Patientenrechte vollumfänglich berücksichtigt. Personenbezogene Daten werden dauerhaft nur verschlüsselt gespeichert. Die Patienten können jederzeit Auskunft darüber verlangen, welche Angaben im Krebsregister über sie vorliegen. Sie können außerdem einer Meldung ihrer Daten jederzeit widersprechen. Diese Widerspruchslösung hat gegenüber einer Einwilligungslösung den Vorteil, dass die Patienten auch nach der belastenden Situation ihrer Krebsdiagnose noch Widerspruch einlegen können. Sie wird von den Selbsthilfegruppen der an Krebs erkrankten Menschen, also den Patientenorganisationen, ausdrücklich befürwortet. Widerspricht ein Patient, dürfen dem Krebsregister keine Angaben gemeldet werden. All dies schützt die Patientenrechte und schafft Transparenz, um bei den Patienten eine möglichst hohe Akzeptanz des Krebsregisters zu erzielen.
Sie sehen, es geht nicht darum, mit dem neuen Landeskrebsregistergesetz neue Bürokratien zu schaffen oder zum Selbstzweck Daten zu sammeln. Krebs ist in Deutschland
nach den Herz-Kreislauf-Erkrankungen die zweithäufigste Todesursache. Jährlich erkranken in Deutschland nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts über 400 000 Menschen neu an Krebs. Noch immer sind die ursächlichen Zusammenhänge über die Entstehung von Krebserkrankungen nicht hinreichend aufgeklärt. Auch bei der Behandlung von Krebserkrankungen sind Ärzte und Wissenschaftler oftmals unterschiedlicher Auffassung über die im Einzelfall richtige Therapie. Es fehlt an Daten, die objektiv nachprüfbare, verlässliche Aussagen über den Erfolg von Krebsbehandlungen erlauben.
Deshalb wollen wir mit dem neuen Krebsregister Erkenntnisse über Krebs und den Erfolg von Krebsbehandlungen in Baden-Württemberg gewinnen. Dieses Gesetz wird uns dabei helfen, hier zum Nutzen der Krebspatienten in BadenWürttemberg entscheidend voranzukommen. Ich bitte Sie deshalb, diesen Gesetzentwurf zu unterstützen.
Verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion begrüßt den Gesetzentwurf der Landesregierung zur grundlegenden Umstrukturierung der Krebsregistrierung, und zwar vor allem, weil das alte Krebsregistergesetz und die darin enthaltenen Vorgaben in unserem Land gescheitert sind. Die alte Regelung hat keine valide Datensammlung gebracht, weil nicht landesweit und vor allem auch nicht für alle Krebsarten und für alle Bevölkerungsschichten die entsprechenden Fälle erhoben werden konnten. Um valide Daten zu bekommen, müssen 90 % aller Daten erfasst werden. Das war jedoch bisher nicht der Fall, und deswegen muss es zu einer Neustrukturierung kommen.
Die jetzt mögliche Basisdatensammlung geschieht hauptsächlich in zwei Blöcken. Der eine ist die Sammlung der klinischen Daten. Hier wird es durch eine Rückkopplung an die meldenden Ärzte auch möglich, eine Qualitätskontrolle über Diagnose und Therapie durchzuführen.
Im Bereich der Sammlung der epidemiologischen Daten – dem anderen Block – kann die Verknüpfung mit Forschungsdaten stattfinden, sodass beispielsweise der Zusammenhang zwischen Ernährung und Darmkrebs untersucht werden kann, indem man die entsprechenden Fallzahlen in bestimmten Bevölkerungsschichten Baden-Württembergs erfasst und sie dann mit den Ergebnissen weiterer wissenschaftlicher Studien verknüpft.
Das alte Krebsregister hatte den Mangel, dass nicht ausreichend Falldaten erhoben werden konnten und dass vor allem auch Doppelmeldungen nicht sicher identifiziert werden konnten. Nun ist eine wissenschaftliche Auswertbarkeit möglich. Das neue Gesetz ist, auch was die Möglichkeiten der Umsetzung betrifft, praktikabel, und ich glaube, die Materie ist auch datenschutzrechtlich einwandfrei geregelt.
Die Idee, ein klinisches Register mit dem epidemiologischen Register zu verknüpfen, ist der richtige Weg; denn wenn
wir eine Meldepflicht für die Ärzte einführen, muss auch eine Rückkopplung darüber erfolgen, wie die entsprechenden Erfolge von Diagnose und Therapie waren, sodass die meldenden Ärzte auch eine Rückmeldung bekommen.
Bisher läuft die Datenerhebung in unseren Tumorzentren und den onkologischen Schwerpunktzentren noch heterogen und nicht landesweit einheitlich. Nun wird es möglich, hier eine übergreifende Qualitätssicherung einzuführen und vor allem über die klinische Landesregisterstelle dann auch eine Rückkopplung an die anderen meldenden Stellen zu geben.
Wir führen mit dem Register eine Meldepflicht ein. Die Ärzte und Zahnärzte sind zukünftig verpflichtet, an diese zentrale Vertrauensstelle zu melden. Wir werden über die Meldepflicht erreichen, dass die erforderliche Meldequote von 90 % überschritten wird. Über die Vertrauensstelle können dann die klinische Landesregisterstelle und das epidemiologische Krebsregister entsprechend unterrichtet werden.
Damit wird es möglich, die Inzidenz, also die Zahl der Neufälle, die Mortalität, also die Zahl der Todesfälle, und die Prävalenz, also alle Krebserkrankungen in Baden-Württemberg, zu erfassen und eine Qualitätssicherung einzuführen. Das gilt im Übrigen auch bei dem, was wir parallel machen, nämlich bei unserem Mammografiescreening, indem wir dann zuverlässig die Fälle herausfinden können, die im Zeitraum zwischen zwei Untersuchungen trotzdem aufgetreten sind. Das erlaubt uns auch eine bessere Qualitätskontrolle bei auftretenden Intervallkarzinomen. Wir werden auch konkretere Aussagen zu Diagnose und Therapie der Krebserkrankungen und zu den Überlebenszeiten der Menschen treffen können.
Das erlaubt Aussagen zu der Qualität unserer medizinischen Versorgung insgesamt in Baden-Württemberg.
Abschließend möchte ich den Damen und Herren Sozialministern Dr. Repnik, Gönner, Renner und jetzt Dr. Stolz meinen Dank aussprechen.
(Heiterkeit – Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Wieser CDU: Sehr gut! – Abg. Capezzuto SPD: Diese Aufzählung war länger als die Rede! – Abg. Drexler SPD zur CDU: Als ich das gestern gesagt habe, habt ihr geschrien, das sei eine Ver- leumdung! – Gegenruf des Abg. Fleischer CDU)
Die geballte Sachkompetenz hat dazu beigetragen, dass ein wirklich hervorragender Gesetzentwurf herausgekommen ist. Die CDU-Fraktion wird diesem Gesetzentwurf zustimmen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Baden-Württemberg braucht ein aussagefähiges Krebsregister. Die Gründe für ein epidemiologisches Krebsregister liegen sicher auf der Hand. Die Frau Ministerin hat es gerade angesprochen: Krebs ist nach den Herz-Kreislauf-Erkrankungen die zweithäufigste Todesursache.
Trotzdem sind die ursächlichen Zusammenhänge für das Entstehen von Krebserkrankungen immer noch nicht hinreichend geklärt. Mithilfe eines aussagefähigen Krebsregisters können Basisdaten über Krebserkrankungen in der Bevölkerung gesammelt und Kausalzusammenhänge bei der Entstehung von Krebserkrankungen und ihrer Therapie erforscht werden. Nicht zuletzt deshalb sind die Bundesländer seit über zehn Jahren per Bundesgesetz verpflichtet, bevölkerungsbezogene Krebsregister einzurichten.
Baden-Württemberg hatte ja bis zum Jahr 2004 ein solches epidemiologisches Krebsregister. Dieses Register war zweifellos unzureichend und dringend reformbedürftig. Darin stimmen wir sicher überein, Herr Kollege. Aus Sicht der SPD war es jedoch ein Fehler, dieses Krebsregister einfach einzustellen. Der lange, für uns viel zu lange Gesetzgebungsweg, der sich seitdem hinzog, bestätigt uns in unserer Haltung, dass es besser gewesen wäre, das vorhandene Register zumindest so lange aufrechtzuerhalten und zu verbessern, bis das neue Register kommt.
Was ist passiert? Wir haben eine mehrjährige Datenlücke. Das heißt, der Wert der bereits gesammelten epidemiologischen Daten wird dadurch stark relativiert.
Zu dem neuen Krebsregistergesetz will ich auch noch ein paar Worte sagen. Alle Fachleute, alle Praktiker sagen uns, das Gesetz sei zu kompliziert, es sei zu bürokratisch und wenig aussagekräftig.