(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Das machen wir ge- nauso kämpferisch! – Gegenruf von der CDU: Aber mit weniger Theater!)
Jetzt zum Ausblick: Wie geht es weiter? Zunächst einmal ist unbestritten, dass der Bund die Finanzierungsverantwortung für den Fernverkehr und damit auch für den Interregioverkehr trägt, meine Damen und Herren. Deshalb fand ich das eine oder andere schon interessant, was Sie, Herr Abg. Kaufmann, hier gesagt haben. Sie sprachen davon, das Land habe die Aufgabe, ein integriertes Konzept für den Nah- und den Fernverkehr vorzulegen.
Ich kann nur zum vierhundertsiebenunddreißigsten Mal sagen: Das Land ist nicht für den Fernverkehr zuständig. Wenn wir für den Fernverkehr nicht zuständig sind und Sie im Übrigen im letzten Jahr zugestimmt haben, dass wir dafür nicht zuständig sind, dann können Sie sich doch heute
nicht hier hinstellen und sagen: Aber das Land muss ein integriertes Verkehrskonzept darlegen. Das funktioniert nicht.
Der zweite Punkt: Sie haben davon gesprochen, es wäre gewollt, dass Eingriffe in die Deutsche Bahn AG nicht mehr möglich sind.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, dass ein SPNV-Konzept, also ein Konzept für den Schienenpersonennahverkehr, nicht isoliert und abgehoben von den Fernverkehrsbeziehungen auf der Schiene sein kann und dass ein integriertes Konzept eben nur unter Einbeziehung des Fernverkehrs, für den natürlich die Deutsche Bahn AG zuständig ist, erfolgen kann?
Wenn Sie damit meinen, dass zwei Konzepte aufeinander abgestimmt werden müssen, sind wir uns sofort einig.
Aber es war von einem integrierten Nah- und Fernverkehrskonzept die Rede. Dann werde ich schon hellhörig, denn das ist etwas anderes. Wenn Sie Ersteres damit gemeint haben – kein Problem. Übrigens machen wir das auch. Der Integrale Taktfahrplan funktioniert logischerweise nur dann, wenn die Konzepte aufeinander abgestimmt sind.
Der zweite Punkt: Eingriffe in die Entscheidungen der Deutschen Bahn AG wären nach der Regionalisierung nicht mehr erwünscht. Herr Kaufmann, dazu kann ich nur sagen: Bei jeder Aktiengesellschaft gibt es einen Aufsichtsrat, der im Regelfall durch die Eigentümer des Unternehmens bestückt wird.
Das Unternehmen Deutsche Bahn AG ist im hundertprozentigen Besitz des Bundes. Da haben die Grünen leider wieder einmal den Kürzeren gezogen, denn im Aufsichtsrat sitzt exakt ein Mitglied der Grünen – in diesem Punkt ist das ausnahmsweise schade. Der Rest besteht aus Sozialdemokraten. Jetzt so zu tun, als ob es keine Einflussmöglichkeiten gebe, ist natürlich nicht ganz korrekt; das wissen wir beide.
Im Übrigen, weil Sie sich wieder auf das alte Lied – im Zuge von 16 Jahren Pfusch hat die CDU mal wieder Mist gebaut – bezogen haben: Ich darf darauf verweisen, dass zu dieser Entscheidung eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat notwendig war. So Leid es mir tut: Die CDU und die FDP hatten damals keine Zweidrittelmehrheit. Im Übrigen wurde der Beschluss zur Regionalisierung einmütig gefasst. Insofern sollte man sich jetzt nicht hier hinstellen und sagen: Es waren mal wieder die anderen. Wenn schon, Herr Kaufmann, dann waren wir es alle gemeinsam. Dass das Gesetz, weil es eigentlich revolutionär
war, auch seine Schwächen hat, ist unbestritten. Aber da sind wir alle gefordert, vor allem der jetzige Bundesgesetzgeber. Das sind wir – ich gestehe es gerne zu – leider nicht mehr.
Jetzt zu der Frage: Wie geht es in Zukunft denn weiter? Sie haben passend – und völlig überraschend, versteht sich – zur Sommerpause plötzlich von einem tollen Angebot gehört: dass der komplette Interregioverkehr, bundesweit, versteht sich, locker von einer privaten Gesellschaft, die ich namentlich jetzt nicht nennen möchte, übernommen werden könne. Die Headline war Klasse. Wenn Sie aber weitergelesen haben: Das war hoch interessant. Zum einen sagt diese private Gesellschaft selbst, sie könne das nur, wenn sie von der Deutschen Bahn AG das Material dazu bekomme. Das ist eigentlich eine atemberaubende Forderung, denn das heißt, dass man quasi vom Mitbewerber Material will. Wer das in einer Marktwirtschaft als Bewerber mitmacht, dem wünsche ich viel Spaß für die Zukunft.
Das Zweite war – und das war neu, Herr Palmer – der kleine Zusatz, dass man als Anschubfinanzierung bescheidene 2 Milliarden DM braucht, damit das Ganze überhaupt funktioniert – nachdem uns ein Jahr zuvor noch im Zusammenhang mit Südbahn und Schwarzwaldbahn gesagt wurde: Wenn die Privaten den Regionalverkehr dort bekämen, werde der Interregioverkehr umsonst mitgefahren. Insofern war das schon ein erstaunlicher Schritt, dass man jetzt plötzlich 2 Milliarden DM Staatsknete braucht, um das Ganze überhaupt anschubfinanzieren zu können. Da muss man eigentlich schon einmal genau hinschauen, wie das Ganze funktioniert.
Jetzt zu Ihrem Thema, wo ich Ihnen bei allem Verständnis für Ihre Forderung sagen muss: Sie sind rechtlich einfach auf dem falschen Dampfer. Das Land Baden-Württemberg – das sage ich Ihnen gerne zu – ist sofort bereit, unter zwei Bedingungen auszuschreiben. Erste Bedingung: wenn wir diese 200 Millionen DM für den Interregio bekommen – da sind wir uns wahrscheinlich auch noch einig. Da kann ich aber nur sagen: Dann muss das Gesetz möglichst schnell kommen, und daran hängt es. Zweite Bedingung – das dürfte eigentlich kein Problem sein –: dass wir auch die rechtlichen Voraussetzungen dafür bekommen, dass wir dies dürfen. Denn wir sind nicht für den Fernverkehr zuständig. Wenn man für etwas nicht zuständig ist, kann man auch nicht ausschreiben. So einfach ist die Regel.
Herr Mappus, ich gehe davon aus, dass Sie der Meinung sind, dass für den Bund dasselbe Recht gelten muss wie für das Land. Sie sagen, Sie könnten nicht ausschreiben, weil
die Aufgabe dem Bund zustehe. Jetzt frage ich Sie: Wie verhält es sich mit den Kreisen, die Lokalbahnen ausschreiben, betreiben und die das Defizit übernehmen? Im Gesetz ist geregelt, dass der Schienenpersonennahverkehr Landesaufgabe ist. Nach Ihrer Argumentation begehen diese Kreise einen Rechtsbruch und nehmen Ihnen damit Kosten ab.
Nein. Der Vergleich hinkt jetzt gewaltig. Tatsache ist, dass beim Schienenpersonennahverkehr das Land die Aufgabenträgerschaft hat und diese im Einvernehmen mit den Landkreisen delegiert. Die Ausschreibungen laufen natürlich nicht gegen unseren Willen oder gesetzeswidrig, sondern sind delegiert. Aber das können Sie natürlich nicht mit dem Bund vergleichen.
Das ist ja etwas völlig anderes, und das wissen Sie auch ganz genau. Das brauchen wir jetzt nicht vertieft zu diskutieren. Ich sage nur: Machen Sie in Berlin Dampf. Wir wollen ausschreiben, meine Damen und Herren. Wir machen es sofort. Aber wir brechen nicht geltende Gesetze, damit nachher, wenn irgendetwas schief gehen sollte – auf die Probleme komme ich gleich noch zu sprechen –, die Gleichen, die uns vorher zur Ausschreibung aufgefordert haben, sich hier hinstellen und sagen, das hätte das Land eigentlich gar nicht machen dürfen.
Deshalb jetzt zu einigen Punkten, die ich noch ansprechen möchte und die Sie von sich aus – das fand ich, was gewisses Zahlenmaterial angeht, schon bemerkenswert – angesprochen haben.
Zunächst einmal, Herr Palmer, zu Ihrem Ergänzungsantrag. Ich habe gehört, es gebe einen Antrag der Grünen zum Thema Interregio. Der kommt jetzt heute nicht. Das finde ich relativ schade. Ich habe schon eine Ahnung, warum der heute nicht kommt. Aber ich habe auch kein Problem damit, dass wir im Vierwochenrhythmus die Diskussion über den Interregio führen. Zu dem Ergänzungsantrag, den Sie eingebracht haben, kann ich nur sagen, Herr Palmer: Wir geben die Regionalisierungsmittel zu 100 % für das aus, wofür sie vom Bund bestimmt sind. Übrigens ist das rechtlich auch gar nicht anders zulässig. Aber weil Sie immer draußen herumlaufen und sagen, das Land würde ständig die Landesausgaben für den ÖPNV herunterfahren, darf ich Ihnen einmal ein paar Zahlen zu Ihrer bescheidenen Kenntnis geben, damit Sie einmal wissen, was das Land Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen Bundesländern ausgibt.
Wir geben pro Jahr 2,5 Milliarden DM für den ÖPNV aus. Das ist übrigens dreimal so viel wie GVFG-finanzierter kommunaler Straßenbau, Bundesfernstraßenbau und Landesstraßenbau zusammen. Das muss man einfach wissen, damit endlich einmal mit der Mär aufgeräumt wird, wir würden immer nur Geld für den Straßenbau ausgeben und nichts in den ÖPNV investieren. Es ist genau umgekehrt. Wenn Sie draußen, und zwar nicht nur im Bereich der Südbahn, wo Sie offensichtlich in der Zwischenzeit Ihren Erstwohnsitz haben, sondern auch in anderen Teilen des Landes unterwegs sind, dann hören Sie nicht wenige Stimmen, die genau dies kritisieren.
Jetzt aber einmal ein paar Zahlen. Ich fange einmal mit dem berühmten Thema Schülerbeförderungskosten an, weil ja immer so getan wird, als ob das Land Baden-Württemberg sich praktisch davon verabschiedet hat. Ich sage Ihnen einmal, was ein paar andere Länder machen. Das ist ganz interessant.
Ich bitte Sie übrigens, immer darauf zu achten, wer denn in dem betreffenden Land regiert. Ich beginne mit Bayern.
Der Freistaat Bayern, ein Land, das nahezu doppelt so groß ist und deutlich mehr Bevölkerung und deutlich mehr Schüler hat als Baden-Württemberg, gibt komischerweise exakt so viel für die Schülerbeförderung aus wie das Land Baden-Württemberg, also relativ weniger. Im Land Bayern gibt es übrigens ab dem zehnten Schuljahr keine Schülerbeförderungskostenerstattung staatlicherseits mehr – nur einmal zur Information.
Aber viel interessanter wird es, wenn man einmal ein paar andere Zahlen anschaut: Baden-Württemberg 332 Millionen DM, Rheinland-Pfalz 145 Millionen DM, Saarland 2,9 Millionen DM, Schleswig-Holstein 0 DM für Schülerbeförderung. Ich finde die Zahlen schon erstaunlich. Aber wir können munter weitermachen. §-45-a-Mittel, Ihr Lieblingsthema: Baden-Württemberg 347,2 Millionen DM, Bayern 246,3 Millionen DM, Niedersachsen – ganz besonders interessant – 156 Millionen DM. Ich könnte jetzt munter weitermachen. Ich stelle Ihnen die Zahlen übrigens gern zur Verfügung. So viel zum Thema „Das Land Baden-Württemberg macht mit Landesmitteln angeblich nichts im öffentlichen Personennahverkehr“. Meine Damen und Herren, das ist erstunken und erlogen. Sie können es schriftlich haben. Es stimmt nicht. Wir geben viel aus.
(Beifall bei der CDU – Abg. Boris Palmer GRÜNE meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke des Präsidenten)
Erste Frage: Herr Mappus, in welchem Umfang legt das Land Baden-Württemberg Sparkässle aus Regionalisierungsmitteln für das Projekt Stuttgart 21 an?
Zweite Frage: Wenn das alles stimmt, was Sie sagen, ist es ja vollkommen in Ordnung, unseren Änderungsantrag heute so zu beschließen, weil Sie das, was darin gefordert wird, ohnehin schon längst erfüllen. Ist das auch richtig?
Zu Letzterem: Wenn Sie etwas fordern, was schon lange geschehen ist, und suggeriert wird, dass wir es nicht gemacht hätten, kann ich dem Antrag logischerweise nicht zustimmen. Das ist doch völlig klar.