Das mag vielleicht noch bei Ihrem Selbstverständnis angehen mit meinem Selbstverständnis lässt sich das nicht in Übereinstimmung bringen. Deshalb bitte ich schon, das sehr ernsthaft zu prüfen. Eine solche Argumentation lässt parlamentarischen Initiativen zu Gesetzesänderungen nahezu keine Chance.
Ich akzeptiere eine Zurückstellung, wenn eine Regelung gegebenenfalls Strukturveränderungen bringen würde. Dies ist bei der jetzigen aber nicht der Fall. Ich habe nämlich den Test gemacht. Als ich nach der Hochschulgesetznovellierung mit einem solchen Fall konfrontiert wurde, nämlich mit der Wahl des Rektors in Ludwigsburg, habe ich den Test gemacht, bei verschiedenen Kollegen aus ver
schiedenen Fraktionen nachzufragen: Was habt ihr euch dabei gedacht? Nichts, weil dieses Thema gar nicht speziell behandelt wurde. Ich sage jetzt nicht, dass dies vom Ministerium sozusagen untergejubelt worden sei. Das ist in die Gesetzgebung hineingekommen, ohne dass dieser Punkt überhaupt diskutiert wurde. Dabei handelt es sich um eine ganz normale Mehrheitsbildungsfrage, wie wir sie in allen anderen Bereichen haben auf der kommunalen Ebene, also der Ebene der Gemeinden und der Städte, auf der Landkreisebene etc. Da bestehen auch keine zusätzlichen rechtlichen Probleme, egal, wie die Strukturen gemacht werden. Das ist ein Grundprinzip von Wahlen. Das kann man ändern und muss man aus meiner Sicht möglichst schnell ändern, ohne andere Strukturüberlegungen, die man hinsichtlich der Hochschulen haben kann, zu präjudizieren.
Deshalb, meine Damen und Herren Kollegen gerade von den Regierungsfraktionen, überlegen Sie sich einmal, wie wir Parlamentarier noch Initiativen mit Aussicht auf Erfolg einbringen sollen, wenn immer auf Regierungsentwürfe verwiesen werden soll.
Ich wollte eigentlich nicht noch einmal reden, Frau Präsidentin, aber es kann nicht stehen bleiben, Herr Birzele, wenn Sie sagen, das Parlament entmachte sich, wenn es dem mehrheitlich als richtig empfundenen Vorschlag folge, dass man abwägt, prüft und zu gegebener Zeit Mitte der Legislaturperiode einen Vorschlag einbringt. Das ist nicht der Vorschlag der Regierung oder die Orientierung an der Regierung, sondern es ist die Orientierung an der Sachlogik, an der Vernunft, an der Sache selbst, in Abwägung der Pros und Kontras eine Regelung zu schaffen, die dann im Gesamtkontext stimmig ist. Ich habe in meiner Rede dargelegt, dass es sehr wohl Betrachtungsweisen gibt, die Ihren Vorschlag stützen. Man kann aber auch Zweifel haben. Deshalb habe ich ja die Beispiele angeführt, dass Sie im Grunde genommen nichts ändern oder in manchen Fällen eine Mehrheit begründen, die vielleicht auch nicht so ohne weiteres akzeptabel ist.
Es geht letztlich um die Frage: Wie rechtfertigen Sie in der Tat eine demokratische Legitimation? Darüber haben sich nicht nur die Philosophen vieler Jahrhunderte die Köpfe zerbrochen, sondern offensichtlich auch das Parlament, und es ist ganz gut, dass wir darüber nachdenken. Aber die Aussage, das Parlament würde sich entmachten, darf hier so nicht stehen bleiben.
Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache beendet.
Ich schlage vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst zu überweisen. Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuelle Debatte die übliche Gesamtdauer von 40 Minuten festgesetzt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und für die Redner in der zweiten Runde gilt jeweils eine Redezeit von 5 Minuten. Ich darf die Mitglieder der Landesregierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Zeitrahmen zu halten.
Schließlich darf ich auf § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung verweisen, wonach im Rahmen der Aktuellen Debatte die Aussprache in freier Rede zu führen ist.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn man bei einem Großprojekt wie der geplanten Fildermesse ausgehend von den versprochenen Ansätzen, nämlich der Deckelung bei 1 Milliarde DM, heute bei 800 Millionen angelangt ist, dann darf man eine solch eminente Kostensteigerung nicht einfach kritiklos durchwinken, wie es bei den Haushaltsberatungen geschehen ist. Denn es ist bei Großprojekten immer die gleiche Masche: Der Bevölkerung werden grandiose Zukunftsaussichten und Perspektiven eröffnet, es wird gesagt, es koste fast nichts, es sei ganz billig. Das ist immer die gleiche Masche, um die Leute zu locken. Nachher lässt man die Katze aus dem Sack.
Als die Deckelung bei 1 Milliarde DM nicht mehr haltbar war, hat man dann im Jahr 2000 die grandiose Wortschöpfung Kernmesse gemacht ein Ausdruck, der vorher, bei der Vorstellung der Zahlen 1997, niemals auftauchte , und jetzt hat der Chef der Projektgesellschaft Neue Messe noch grandiosere Formulierungen erfunden. Er hat gesagt, es gebe drei Schritte: Der erste Schritt sei eine Kostenannahme, die natürlich ganz vage ist, dann komme eine Kosteneinschätzung, die ungefähr 10 % Kostenabweichung zulasse, und erst jetzt hätten wir eine Kostenrechnung mit bis zu 5 % Abweichung.
Das kann man so sagen. Aber merkwürdigerweise wird das erst hinterher gesagt und nicht vorher bei den Planungen! Das ist das Entscheidende.
Ich glaube, dieser taktische Umgang mit der Bevölkerung im Allgemeinen und dieser verlogene Umgang mit der Filderbevölkerung im Besonderen ist nicht nur eine Kleinigkeit, sondern ich bin der Überzeugung: Für die 100 000 Einwohner auf den Fildern geht es da schlichtweg um ihre Lebensqualität denn die Menschen dort sind ja nicht aus Jux und Tollerei gegen die Ansiedlung dieser neuen Messe , und unter solchen Bedingungen, unter denen den Leuten massiv an die Lebensqualität gegangen wird anders könnte man sich den Widerstand gar nicht erklären; wer sollte schon etwas gegen neue Messen haben , mit der Bevölkerung so umzugehen ist keine Kleinigkeit, sondern da geht man an die Substanz des Politischen.
Mit der Haltung, dass man die Bevölkerung immer über den Löffel balbiert, erzeugt man genau die Reformverdrossenheit, über die allenthalben geklagt wird, und das ist genau der Boden, auf dem man die Demagogen Berlusconi, Haider, Schill oder wie sie auch alle heißen züchtet.
Jetzt sage ich: Wenn das Kostenannahme, Kosteneinschätzung, Kostenberechnung für die neue Messe stimmt, dann stimmt es mit Sicherheit auch für das Projekt Stuttgart 21, das ja jetzt nach der Kostenannahme schon dreimal so teuer ist. Da müssen Sie die Karten genau auf den Tisch legen. Die Zahlen, die Sie jetzt für dieses noch größere Projekt nennen, sind natürlich genauso vage wie die vor fünf Jahren für die Fildermesse, und da wird es genau das gleiche Strickmuster sein. Wenn das Planfeststellungsverfahren durch ist, wird die Katze aus dem Sack gelassen. Das ist genau die Masche, die wir hier wenigstens nicht unkritisiert durchgehen lassen wollen.
Ordnungspolitisch müsste man ja sowieso einmal begründen, warum sich der Staat an Messen beteiligt. Der einzige Grund ist wohl der, dass er es überall tut.
Aber wenn bei einer Messe, deren Bedeutung von Ihnen und der Industrie allenthalben betont wird, ein Finanzierungskonzept so aussieht, dass sich mittendrin der Landesanteil um 40 % erhöht und gleichzeitig der theoretische Anteil der Industrie von 9 auf 6 % sinkt praktisch sind nach Aussage von Staatssekretär Mehrländer gerade einmal 10 Millionen beisammen , darf man sich doch einmal fragen, was das eigentlich für eine Art von Ordnungspolitik ist. Das ist reine Ideologie. Wo eine Privatisierung günstig erscheint, finden Sie es von der FDP ganz toll, und dort, wo es ungünstig ist, wird der Staat von Ihnen zur Kasse gebeten. Das ist Ihre Art von Ordnungspolitik. In Wirklichkeit ist es Ideologie.
Das Land buttert jetzt 240 Millionen in die geplante Messe rein. Für alle anderen Messen im Land gibt es gerade einmal 50 Millionen . Wenn man also in der Region, die diese Messe nicht will, mit aller Gewalt so viel Geld in die Hand nimmt und ein Messegesetz macht, um sie durchzudrücken, und gleichzeitig in den Regionen, die Messen wollen, die Ansätze auf gerade einmal 10 % herunterfährt, hat das mit einer vernünftigen Politik für das Land BadenWürttemberg, mit einer ausgewogenen Politik überhaupt nichts mehr zu tun,
sondern man traktiert die Bevölkerung, die durch den Flughafen eh schon genug mit Verkehrsproblemen belastet ist, für die Sie keinerlei Lösung haben, außer natürlich der Kollege Noll, der gerade 300 Millionen für die Eisenbahn in seinem Wahlkreis vergräbt.
Also: Wer das so macht und im Land draußen die Regionalmessen schwächt, kann nicht für sich beanspruchen, eine vernünftige Messepolitik zu machen. Wir brauchen keine Landesmesse auf den Fildern, sondern wir brauchen ein Landesmessekonzept, das unsere Messen im ganzen Land organisch und entsprechend den Erfordernissen der Wirtschaft entwickelt.
die letztlich auch dagegen sind, dass wir hier hochwertige Wertschöpfung und hochwertige Arbeitsplätze ansiedeln. Wir sind dies von Ihnen gewohnt und haben nichts anderes erwartet. Aber deshalb werden Ihre Argumente nicht besser, Herr Kretschmann, sondern nur noch schlechter.