Meine Damen und Herren, die Einstellung der bisherigen Förderung von Auslandsprojekten der Kirchen und anderer Nichtregierungsorganisationen in explizitem Widerspruch zu den Zielen der Koalitionsvereinbarung ist verheerend, weil das Land damit die Arbeitsbedingungen vieler Initiativen und Netzwerke erschwert und sich aus der Verantwortung für eine basis- und grundbedürfnisorientierte Entwicklung gerade in den ärmsten Ländern verabschiedet. Für eine solche Entwicklung könnte das Land auf vielfältige Weise einen Beitrag leisten, zum Beispiel für Projekte der Armutsbekämpfung, für die Durchsetzung von Menschenrechten, für die Förderung von Frauen im Entwicklungsprozess, für den Schutz und die Wiederherstellung der natürlichen Lebensgrundlagen, zur Förderung schulischer und beruflicher Bildung und nicht zuletzt auch zur Stärkung des Einsatzes erneuerbarer Energien in den Partnerländern.
Aber diese Ziele – die grundbedürfnisorientierte, armutsorientierte Entwicklungszusammenarbeit – werden wir allein mit Public Private Partnership, allein mit wirtschaftlicher Zusammenarbeit nicht erreichen. Wir fordern daher – ich zitiere noch einmal die „taz“ – das Ende der vielen Ausreden. Wir brauchen weiterhin die Projekte der Kirchen und NGOs. Ich erneuere hier an dieser Stelle die Forderung an das Land, Geld für derartige Projekte bereitzustellen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss noch einen Gedanken anfügen. Anscheinend ist im Wirtschaftsministerium auch über die Sache nachgedacht worden. Jetzt überlegt man dort, was man tun könnte. Nach meinen Informationen denkt man darüber nach, das Projekt „Fairer Handel“ zum Thema zu machen. Das Wirtschaftsministerium hat im Sommer diesen fairen Handel entdeckt und will die Initiative ergreifen, unterschiedliche Akteure aus Politik, Wirtschaft, Kirchen, NGOs und Kommunen zum gemeinsamen Handeln zu veranlassen. Erklärtes Ziel ist die Ausweitung des fairen Handels in eine Dimension, die messbare Auswirkungen vor Ort zeigen soll.
Ich halte das im Grundsatz für einen guten Ansatz. Denn gerade die Welthandelsstrukturen sind eines der wesentlichen Hemmnisse für die Entwicklung. Aber ich muss auch eines dazu sagen: Gemessen daran, wie ich das Wirtschaftsministerium bisher erlebt habe, habe ich die Befürchtung, dass das Wirtschaftsministerium hier Früchte ernten will, die andere gesät haben. Ich denke hier an die jahrelange vielfältige Arbeit von vielen Initiativen, von Weltläden, von anderen privaten Organisationen und von Kirchen. Es ist begrüßenswert, wenn sich das Wirtschaftsministerium da jetzt einklinkt, um dem Ganzen einen Push zu verleihen und es voranzubringen. Aber ich möchte verhindern, dass das jetzt allein eine Marketinginitiative wird, bei der andere die Arbeit machen und das Wirtschaftsministerium dann nur die Früchte ernten will.
Dieses Projekt hat im Grundsatz unsere Unterstützung, Herr Döring. Aber wir legen daran auch Kriterien an. Es wird bei
einem solchen Projekt wichtig sein, quantifizierbare Ziele zu formulieren. Wir müssen auch festlegen, was die Kriterien für einen fairen Handel sind. Die Nagelprobe wird sein, ob Sie das, was in einer solchen Initiative dann nach außen gefordert wird, auch im eigenen Haus umsetzen. Die Frage – die Nagelprobe – wird sein, ob Sie den fairen Handel dann auch für das Beschaffungswesen Ihres Hauses und für das Beschaffungswesen des Landes umsetzen.
Herr Döring, das Projekt „Fairer Handel“ ist eine sinnvolle Sache. Aber lassen Sie uns das konkret umsetzen, und lassen Sie uns wirklich auch sagen: Das Land kann hier Vorbild sein.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Witzel, Sie haben sicherlich viele wichtige Punkte angesprochen und angeführt, warum Entwicklungspolitik notwendig ist. Ich schließe mich in diesen Punkten durchaus Ihren Ausführungen an. Wenn wir wissen, dass allein in Afrika 14 Millionen Kinder akut vom Hungertod bedroht sind, und wenn wir wissen, dass jedes Jahr 6 Millionen Kinder unter fünf Jahren wegen Mangelernährung und Unterernährung sterben, dann wissen wir auch, welche großen Herausforderungen auf die Industrienationen zukommen: die Fragen der Globalisierung, die Gerechtigkeitsfragen, die damit zusammenhängen, und auch die neuen Herausforderungen nach dem 11. September. Selbstverständlich müssen wir handeln und auch unsere Verpflichtung wahrnehmen.
Hunger, Armut, mangelnde Bildung und mangelnder Zugang zu den medizinischen Versorgungssystemen sind Gründe für Flüchtlingsbewegungen. Sie bereiten die Saat für Irre und Terroristen, die die Leute verführen und damit auf schlechte Wege treiben.
Deswegen erkennt Baden-Württemberg auch seine Verpflichtung in der Entwicklungspolitik. Entwicklungspolitik ist Friedenspolitik, ist Strukturpolitik – im Übrigen klassisch aus Baden-Württemberg heraus. Bildung und Wirtschaft stärken die Strukturen vor Ort und helfen damit ein Stück weit, Hilfe zur Selbsthilfe zu entwickeln
Natürlich liegen Riesenchancen im Umwelt- und Ressourcenschutz gerade auch mit baden-württembergischen Unternehmen. Ich glaube, darauf darf man, wenn man hier in Freiburg ist, auch hinweisen. Denn wir wissen, wie viele hier angesiedelte Firmen im Bereich der regenerativen Energien tätig sind und sich daran entsprechend beteiligen. Ich denke auch daran, was wir hier im südbadischen Raum gerade an Unternehmen im Bereich der Medizin haben, die durchaus auch segensreich in eine Zusammenarbeit kommen können.
Für die Landespolitik sind das Freiwilligkeitsaufgaben. Das muss man auch klipp und klar betonen. Wir stellen uns aber der Verpflichtung.
Selbstverständlich wird es immer eine Diskussion darüber geben, wie viel ein einzelnes Bundesland für Entwicklungszusammenarbeit aufwendet. Ich denke aber, im Vergleich mit anderen Bundesländern – und das kann ich Ihnen nicht ersparen – steht Baden-Württemberg mit dem, was das Land im Rahmen der Entwicklungshilfe macht, nicht schlecht da.
Einen Punkt müssen wir auch klar betonen: Eigentlich ist die Entwicklungszusammenarbeit eine klassische bundespolitische Aufgabe.
Hier muss die Hauptverpflichtung gesehen werden. Die westlichen Industrienationen haben sich selbst zum Ziel gesetzt, 0,7 % des Bruttosozialprodukts für die Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden. Ich sehe aber in der Berliner Politik der letzten Jahre und auch darin, was jetzt in Berlin Gegenstand der Koalitionsverhandlungen ist, keinerlei Ansätze, dass dieses Ziel auch nur annähernd erreicht würde.
Baden-Württemberg hat im Jahr 2000 über 24 Millionen ausgegeben – damals noch D-Mark. Das sind deutlich mehr Mittel, als andere Bundesländer für die Entwicklungszusammenarbeit aufgewendet haben. Ich glaube, wir können uns mit diesem Betrag sehen lassen.
Ich halte das auch für angemessen. In Baden-Württemberg besteht traditionell ein starkes Engagement – ich habe es vorhin gesagt – aus der Bürgerschaft und aus der Wirtschaft heraus. Da haben wir meines Erachtens gute Strukturen errichtet, die es selbstverständlich weiterzuentwickeln gilt. In diesem Punkt gebe ich Ihnen Recht. Gerade im Bereich der Berufsbildungsprojekte, der Bildungsprojekte allgemein und der technischen Zusammenarbeit wurde, glaube ich, in den letzten Jahren wirklich Wegweisendes unternommen, und die Nichtregierungsorganisationen zum Beispiel haben im vergangenen Jahr über 1,4 Millionen DM bekommen.
Ich glaube schon, dass die Kirchen und die Nichtregierungsorganisationen ihre Möglichkeiten besser ausschöpfen können. Ich gebe Ihnen aber in einem Punkt Recht: Wir können durchaus etwas im Bereich der Entbürokratisierung tun. Das ist aber angedacht; das Problem ist erkannt. Ich glaube, dass wir hier eine noch höhere Effektivität erzielen, wenn es auch für die Organisationen leichter wird, entsprechend qualifizierte Anträge zu stellen.
Dass natürlich auch eine Kontrolle durch das Wirtschaftsministerium dahin gehend stattfindet, was mit den Projekten gemacht wird und was nicht, halte ich durchaus für angemessen. Denn im Interesse einer effizienten Ressourcenver
(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Erst mal müssen wir Mittel bereitstellen! Dann können wir über Kontrollen reden!)
Einen ganz wichtigen Punkt haben Sie, Herr Kollege Dr. Witzel, nicht genannt, und zwar das hervorragende Engagement der Stiftung Entwicklungszusammenarbeit. Hier wird wirklich hervorragend gearbeitet. Die Einrichtung trägt in Baden-Württemberg zu einer Bewusstseinsbildung bei, holt Informationen und Bildungsarbeit nach Baden-Württemberg und ist auch als Clearing- und Beratungsstelle für Kirchen und Nichtregierungsorganisationen tätig. Wir wollen, dass die Stiftung auch mit dem in Aussicht gestellten Stiftungskapital ausgestattet wird. Ich glaube, wir müssen da auch innovativ denken, gerade was die Bereitstellung von Drittmitteln angeht.
Die Stiftung hat in den vergangenen Jahren eine erfolgreiche Arbeit geleistet, sie hat viele Projekte weitervermittelt, sie hat Weiterqualifizierungsangebote gemacht. In den letzten Jahren wurden 420 Seminare abgehalten, bei denen 35 000 Bürger erreicht wurden. Sie haben es in den vergangenen zehn Jahren geschafft, durch Spenden und Sponsoring über 5 Millionen DM, also 2,5 Millionen €, einzutreiben. Das, was hier gemacht wurde, halte ich für sehr toll.
Im Übrigen sind in dem Kuratorium 27 relevante Institutionen vertreten – die kommunalen Verbände, die Kirchen, die Nichtregierungsorganisationen –, sodass hier auch die entsprechende Einbindung der Beteiligten stattfinden kann.
Noch zwei, drei Anmerkungen zu Ihrem Antrag, Herr Kollege Dr. Witzel: Mich hat insbesondere verwundert, dass Sie jetzt schon wieder ein neues Gremium schaffen wollen, einen Landesentwicklungsbeirat. Ich glaube nicht, dass wir neue Kaffeekränzchen brauchen, in denen man sich mit übergeordneten Fragestellungen beschäftigt, sondern wir müssen schauen, dass wir die Effizienz, die Fachkompetenz der Ministerien in die Arbeit einfließen lassen und dass die Arbeit unterhalb der Ministerien gut koordiniert wird.
Sie haben weiterhin vorgeschlagen, sich auf bestimmte Armutsregionen zu konzentrieren. Wir halten das für falsch, weil das nicht dem entspricht, was bürgerschaftliches Engagement will, und auch nicht dem entspricht, wie sich die Wirtschaft engagiert. Ich denke, nur mit der Einbindung dieser Gruppen kommen wir zum richtigen Ziel.
Sie sagen auch, die Ziele der Entwicklungszusammenarbeit insgesamt sollten revidiert und überdacht werden. Sie nennen dazu Armutsbekämpfung und Gleichstellung von Frauen und Männern, natürliche Lebensgrundlagen, berufliche Bildung und erneuerbare Energien. Ich ergänze dies noch um Zugang zu den medizinischen Versorgungssystemen, Aufbau von Prävention, Hygiene, Zugang zu einer guten und ausreichenden medizinischen Versorgung. Aber das wird doch alles gemacht. Das sind doch letzten Endes die Strategien, dieses über die wirtschaftliche Zusammenarbeit letzten Endes auch aufzubauen – durch die Hilfe zur Selbsthilfe.
Ich glaube, wir haben in den vergangenen Jahren beachtliche Erfolge erzielt. Wir werden auch seitens der CDU-Landtagsfraktion die in diesem Zusammenhang bestehenden Verpflichtungen weiterhin sehr ernst nehmen, und ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich bei all denjenigen zu bedanken, die sich in diesem Bereich wirklich engagieren: bei Bürgern, Kirchen und den verschiedenen Organisationen. Ihnen gebührt unser Respekt, unser Dank und unsere Anerkennung.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns einig, dass wir Chancen auf eine friedlichere Welt nur dann bekommen werden, wenn es gelingt, die Kluft zwischen Arm und Reich auf unserer Erde zu verringern. Deshalb möchte ich zunächst einmal positiv festhalten, dass sich auch das Landesparlament und die Landesregierung zu dieser Verantwortung bekennen.
Denn es ist richtig: Zunächst ist Entwicklungszusammenarbeit eine Bundesaufgabe, aber es entspricht der Tradition in Baden-Württemberg, sich auch dieser Aufgabe zu stellen. Das wird in der Stellungnahme der Landesregierung auch noch einmal ausdrücklich festgehalten, und das begrüßen wir.
Was wir nicht begrüßen, Herr Minister, ist die Aussage auf der Seite 11, ein Bedarf für eine grundlegende konzeptionelle Neuorientierung in der Entwicklungszusammenarbeit werde nicht gesehen. Das halten wir für falsch. Denn auch auf der Bundesebene hat es ja eine konzeptionelle Neuorientierung gegeben – natürlich, Sie haben darauf hingewiesen. Das Ziel, 0,7 % des Bruttosozialprodukts für Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen, tragen wir allesamt schon ewig lange vor uns her, aber erreicht haben wir es noch nie. Es wird doch niemand glauben, dass dieses Ziel angesichts der bestehenden Haushaltssituation erreichbar ist. Deshalb gibt es auf der Bundesebene neue Initiativen und hat es auch die Entschuldungsinitiative gegeben, die für viele Länder existenziell ist. Deshalb gibt es auf der Bundesebene die Konzentration auf Public Private Partnership, um eben die Wirtschaft als starken verbündeten Akteur stärker in dieses Spiel einzubinden.
Insofern, Herr Minister, können wir überhaupt nicht erkennen, weshalb Sie einerseits eine grundlegende organisatorische Neuorientierung in Ihrem Ministerium vornehmen, indem Sie nämlich das Referat Entwicklungszusammenarbeit auflösen und es aufgabengemäß den Länderreferenten zuschlagen, dann aber sagen, eine grundsätzliche Neuorientierung brauchten wir nicht. Natürlich brauchen wir eine! Ich will an drei Punkten unsere Position für eine notwendige Neuorientierung aufzeigen.
Erstens: Wenn wir, Herr Witzel, schauen, wo auf der Welt die Not am größten ist, dann sehen wir, dass das die Länder sind, die an der Globalisierung nicht teilhaben, die deshalb
von der wirtschaftlichen Entwicklung weitgehend ausgeschlossen sind. Also liegt es doch nahe, als Hauptstrategie zu versuchen, möglichst viele an dieser wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben zu lassen. Das heißt, der Ansatz mit Public Private Partnership, den die Bundesregierung verfolgt, ist als strategischer Hauptansatz nach unserer Ansicht richtig und sollte auch in unserer Politik der Entwicklungszusammenarbeit seinen Niederschlag finden.