(Beifall bei der SPD – Abg. Alfred Haas CDU: Es geht doch zunächst einmal um den Kindergarten- platz!)
Wir haben heute über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gesprochen. Selbstverständlich muss das auch für die Weiterbildung, für Sprachkurse und auch für Familien mit Migrationshintergrund gelten. Gerade deshalb hatten wir Sprachkurse mit Kinderbetreuung gefordert.
Kommen wir zu einem weiteren originären landespolitischen Thema, zur Schule. Über die mangelhafte Ausstattung mit Ganztagsschulen und Ganztagseinrichtungen in diesem Land haben wir heute Vormittag bereits gesprochen, und ich habe dem, was meine Kolleginnen und Kollegen dazu gesagt haben, nichts hinzuzufügen.
Wir haben in unserem Antrag Drucksache 13/432 zum Bereich der Schule eine Reihe von Vorschlägen gemacht. Die Stellungnahme der Landesregierung enthält seitenweise Lyrik. Es bleibt dem Engagement der Einzelnen überlassen, ob sie Fortbildungsangebote wahrnehmen möchten oder nicht. Jede Verpflichtung fehlt.
Es ist dringend notwendig, in der Lehrerfortbildung die interkulturelle Pädagogik und die Verpflichtung zur Wahrnehmung von Fortbildungsangeboten zu verankern, und die Schulentwicklung muss sich an dem zentralen Problem der Integration von Migrantenkindern orientieren.
Der Anteil an Migrantenkindern mit einem höheren Bildungsabschluss ist nach wie vor unbefriedigend. Das liegt meist nicht an mangelnder Intelligenz oder mangelndem Interesse, sondern an mangelnder Förderung. Wir verschleudern auf diese Art und Weise ungeheuer viel Humankapital.
Zu unserer Forderung nach gezielter Anwerbung von ausländischen Jugendlichen und jugendlichen Aussiedlern für pädagogische Berufe wurde darauf hingewiesen, dass sich die Werbung für den Beruf des Lehrers vorrangig an den Bedürfnissen der Unterrichtsversorgung orientiere. Wo, wenn nicht in der Schule, ist interkulturelle Kompetenz gefragt?
Was kommt nach der Schule? Ein Blick über die Landesgrenzen zeigt, dass die Problematik junger Arbeitsloser mit Migrationshintergrund in anderen Bundesländern etwas ernster genommen wird. So werden zum Beispiel in Bayern EQUAL-Projekte mit Landesmitteln beispielhaft unterstützt.
Wir haben nach der interkulturellen Kompetenz in der Verwaltung gefragt. Zu Beginn meiner Ausführungen habe ich den Blick bereits auf die Realität gelenkt, indem ich darauf verwiesen habe, dass das Thema Interkultur an der Verwaltungsakademie des Landes gestrichen worden ist. Unsere Frage nach einer Verstärkung der Bemühungen, Bewerberinnen und Bewerber mit Migrationshintergrund in den öffentlichen Dienst einzustellen, wurde mit dem Hinweis beantwortet, dass Einstellungen in den öffentlichen Dienst nach Eignung, Leistung und fachlicher Befähigung erfolgten. Das ist selbstverständlich. In diesem Rahmen könne – so die Regierung – ein Migrationshintergrund positive Berücksichtigung finden. Der ehemalige Innenminister Birzele hat während seiner Amtszeit hier Beispielhaftes geleistet, indem er die Polizeilaufbahn für Bewerber mit Migrationshintergrund öffnete.
Ein besonders dunkles Kapitel ist das Problem der alten Migrantinnen und Migranten. Die Antwort der Landesregierung auf die entsprechende Frage in der Großen Anfrage der Grünen sowohl zur stationären Versorgung in den Krankenhäusern als auch im Hinblick auf die interkulturelle Öffnung der Altenhilfe- und Pflegeangebote ist unbefriedigend.
Ich könnte noch viele Beispiele bringen, die ebenso unbefriedigend sind. Angesichts der vorgerückten Stunde möchte ich das aber unterlassen und empfehle Ihnen die Lektüre der Stellungnahme zu unseren Antrag und der Antwort auf die Anfrage der Grünen.
Im Übrigen scheint der Autor der Antwort auf die Große Anfrage der Grünen einen besonderen Humor zu haben. Ich
(Lachen bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Die Muttersprache! – Abg. Alfred Haas CDU: Was gibt es da jetzt zu la- chen? – Lachen bei der SPD und den Grünen – Abg. Carla Bregenzer SPD: Herr Haas ist einfach zu weit von der Realität entfernt! – Unruhe)
Insgesamt ist die Stellungnahme der Landesregierung zu unserem Antrag unbefriedigend, weil sie an der Wirklichkeit in unserem Land vorbeigeht. Wir haben in unserem Antrag den Weg aufgezeigt, der gegangen werden muss. Im Interesse unseres Landes und der hier lebenden Menschen sollten Sie diesem Weg folgen.
(Beifall bei der SPD – Abg. Carla Bregenzer SPD: Haben Sie es noch nicht verstanden, Herr Haas? – Abg. Schmiedel SPD: Das heißt „Vatersprache“, Herr Haas! – Gegenruf des Abg. Alfred Haas CDU: Großvatersprache!)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sowohl in der Großen Anfrage der Fraktion GRÜNE als auch in dem Antrag der Fraktion der SPD geht es um die Gesamtkonzeption der Landesregierung im Bereich der Integrationspolitik. Wenn man sich die Antwort der Landesregierung und die Stellungnahme des Innenministeriums anschaut, kann man feststellen: Das Werk ist zwar umfangreich, aber dennoch noch lange nicht reich an Inhalt. Die Antworten machen viele Worte. Viele gute Absichten werden geäußert. Es wird beschwichtigt. Es werden einzelne Modellprojekte aufgeplustert. In der Substanz aber zeigt sich: Es ist keine Gesamtkonzeption zum Thema Integration in Sicht. Es ist keine Bestandsaufnahme in Sicht. Und weil keine Bestandsaufnahme in Sicht ist, können auch keine präzisen Ziele und Maßnahmen definiert werden. Integrationspolitik in diesem Land bleibt deshalb Flickschusterei.
Zum Ersten: Zu Beginn der Legislaturperiode, lieber Herr Haas, hat die Landesregierung angekündigt, dass eine umfassende Bestandsaufnahme über alle Maßnahmen im Bereich der Integration im Land gemacht werde. Jetzt – es ist über ein Jahr vergangen – ist in der Antwort auf unsere Große Anfrage zu lesen, der Prozess der umfassenden Bewertung sei noch nicht abgeschlossen. Ich hoffe, dass, wenn es schon so lange dauert, wenigstens ganz besonders profunde Kenntnisse ans Tageslicht kommen.
Mit gutem Willen könnte man durchaus auch wichtige Ergebnisse einer Bestandsaufnahme relativ schnell hervor
bringen. Man könnte zum Beispiel die Anregungen des Ausländerbeauftragten, des Herrn Ministers Goll, aufgreifen.
Wenn Sie einen Blick in seinen Jahresbericht werfen, sehen Sie, dass darin sehr konkrete Vorschläge enthalten sind, wie man in Sachen Bestandsaufnahme vorankommen könnte. Herr Goll schreibt zum Beispiel zum Thema Integration von Kindern, dass in Baden-Württemberg bisher noch nicht einmal erhoben wird, welche Wirksamkeit die Sprachförderungsmaßnahmen im vorschulischen Bereich haben. Zum anderen wird noch nicht einmal erfasst, wie viele Kinder mit ausländischer oder Spätaussiedlerherkunft die Angebote im Bereich der verlässlichen Grundschule überhaupt wahrnehmen. Wenn man aber nicht hinschaut und nicht schaut, wo die Probleme liegen, dann kann man sich auch nichts vornehmen und keine Maßnahmen definieren.
Punkt 2: Zu Beginn des Jahres hat die Landesregierung angekündigt, einen Landesarbeitskreis Integration ins Leben zu rufen, um ressortübergreifend dafür zu sorgen, dass es zu einem Abstimmungs- und Koordinationsprozess kommt – über die Ressortzuständigkeit der verschiedenen Einzelbereiche hinaus. Passiert ist bis Oktober aber gar nichts. Vor wenigen Wochen ist zum ersten Mal ein Arbeitskreis eingeladen worden, doch zu Zusammensetzung, Zielsetzung und Arbeitsweise dieses Arbeitskreises hält sich die Landesregierung bis heute bedeckt.
Ich kann dazu nur sagen: Wenn dieser Arbeitskreis mehr als nur ein Feigenblatt sein soll, dann holen Sie ihn aus dem Hinterzimmer des Ministeriums heraus, laden Sie interkulturelle Kompetenz ein. Laden Sie zum Beispiel Vertreter der nichtchristlichen Kirchen ein, damit sie mit am Tisch sitzen, laden Sie Vertreter von Migrantenorganisationen ein. Reden Sie mit den Betroffenen zum Thema Integration und nicht über sie.
Punkt 3: Es ist generell festzustellen, dass Sie die Erfahrungen und Kompetenzen der eingewanderten Bevölkerung in diesem Land viel zu wenig nutzen. Dabei wäre für eine wirksame Integrationspolitik genau das ein Bereich, um erfolgreich zu sein. Diese Menschen könnten eine Schlüsselrolle für den Integrationsprozess einnehmen. Mehrsprachigkeit und Migrationserfahrung müssen als Zusatzqualifikation von Bewerberinnen und Bewerbern gerade im öffentlichen Dienst verstärkt zur Geltung kommen.
In diesem Zusammenhang müsste an allererster Stelle etwas dafür getan werden, dass in unseren Kindergärten und Schulen und insbesondere in den Hauptschulen verstärkt für Menschen mit einem solchen Migrationshintergrund geworben wird. Wenn wir verstärkt Erzieherinnen und Erzieher sowie Lehrerinnen und Lehrer mit Migrationshintergrund einstellen würden, könnten wir uns viele mehr oder weniger kluge Ratgeber und Ratschläge zum Thema „Sprachförderung und interkultureller Unterricht“ sparen, weil die Menschen aus eigener Erfahrung und mit eigenem Hintergrund wirksamer etwas zur Förderung der Integration von Kindern beisteuern könnten.
Daher empfehlen wir: Starten Sie seitens der Landesregierung eine Werbekampagne! Sorgen Sie dafür, dass Men
Ein viertes Beispiel: Thema Sprachförderung. Es ist ja eben schon erwähnt worden und es stand auch in allen Zeitungen, dass jetzt im vorschulischen Bereich Kurse zur Förderung von Kindern mit Deutschproblemen angeboten werden, die aus Mitteln der Landesstiftung finanziert werden. Das ist ja schön und gut, einmal abgesehen davon, dass das Geld besser in eine gute Fortbildung der Erzieherinnen und in ein integriertes System der interkulturellen Arbeit in den Kindergärten investiert wäre. Aber dennoch muss man auch da sagen: Selbst hier bleibt die Maßnahme Flickschusterei. Die Landesstiftung fördert zurzeit ja auch in einem anderen Bereich Sprachkurse, nämlich die Sprachkurse für die Erwachsenen, die so genannten Integrationskurse. Doch diese Kurse müssen ihre Arbeit einstellen, sobald das Zuwanderungsgesetz in Kraft tritt, da es Integrationskurse und Sprachkurse ja mit Fug und Recht zur Pflichtaufgabe der Politik macht. Denn ab dem Zeitpunkt, zu dem die Integrationskurse zur Pflichtaufgabe werden, kann die Landesstiftung die Sprachkurse nicht mehr finanzieren. Daran erkennen Sie den Konstruktionsmangel. Wenn Sie über die Landesstiftung gehen, negieren Sie, dass Sprachkurse Pflichtaufgabe der Politik sind. Genau da würden sie aber hineingehören.
Es bleibt festzuhalten: In Sachen Integrationspolitik macht es sich die Landesregierung nach wie vor billig. Genau das wird uns mittelfristig teuer zu stehen kommen. Deshalb ist die Zeit reif, ein neues Kapitel der Integrationspolitik aufzuschlagen. Wenn die Landesregierung bereit wäre, hier endlich neue Wege zu gehen, könnte sie darauf setzen, dass wir als Fraktion GRÜNE auch bereit wären, sie mit konstruktiven Vorschlägen zu begleiten.
(Abg. Schmiedel SPD: Da gibt es ein Kinderbuch: „Pauli, schlimmer Pauli“! – Heiterkeit bei Abgeord- neten der SPD)
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Förderung der Integration von Ausländern, die rechtmäßig auf Dauer bei uns leben, und die Förderung der Eingliederung von Spätaussiedlern sind vorrangige Anliegen der CDU-Landtagsfraktion.
Frau Kollegin Bauer, wenn Sie die Integrationspolitik des Landes als Flickschusterei bezeichnen, dann ist das nicht nur nicht angemessen, sondern schlichtweg eine Verzerrung der Tatsachen.
Baden-Württemberg hat im Jahr 2000 als erstes Bundesland einen Entwurf eines Integrationsgesetzes in den Bundesrat eingebracht.
Integration darf jedoch keine Einbahnstraße sein. Viele haben zu lange verdrängt und manche bis heute nicht begriffen, welche Bedeutung Integrationsbereitschaft und Integrationsfähigkeit für das gesellschaftliche Zusammenleben auf dem Boden der Verfassungsvorgaben der Bundesrepublik Deutschland haben. Wer auf Dauer bei uns leben will, muss Integrationsbereitschaft mitbringen. Die Menschen, die zu uns kommen, müssen auch selbst nach der Maxime „Fördern und fordern“ bereit sein, sich den Anforderungen bei der Integration zu stellen und diese aktiv zu unterstützen.