Protokoll der Sitzung vom 14.11.2002

Meine Damen und Herren, es kann Wochen dauern, bis eine solche Maßnahme durchgeführt wird; wenn dann noch Ferien dazwischen fallen, von denen wir ja genügend haben, kann es sich über sechs bis acht Wochen hinziehen.

Ich möchte klarstellen: Niemand ist begierig, diese Maßnahmen zu verhängen. Aber Jugendliche suchen Grenzen des Erlaubten, und das ist auch in Ordnung und ist überhaupt nicht zu verdammen. Aber es ist völlig verfehlt und ein Erziehender handelt fahrlässig, wenn er nicht mit aller Kraft diese Grenzen durchsetzt und nachdrücklich darauf hinweist und vor allem eine Grenzverletzung unmittelbar und konsequent ahndet.

Diese erzieherischen Fähigkeit, Grenzen zu setzen und Konsequenz zu zeigen, ist seit Einführung der antiautoritären Erziehung in unserer Gesellschaft weitgehend abhanden gekommen. Sie ist dennoch eines der wesentlichen Prinzipien in der Erziehung. Eine Strafe, die nicht gleich vollzogen wird, verliert für den Missetäter ihren Sinn.

Zugleich soll eine solche Strafe auch ein Signal an die Klasse und an die Mitschüler sein. Nicht selten sind es Einzelne, die den Frieden stören. 29 andere warten geradezu darauf, dass etwas passiert, und diese Schüler sollen aus einer raschen Reaktion auch lernen, dass ein Verstoß gegen Schulordnung, Schulvereinbarung oder gar ein Gesetz keinen Sinn macht.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

§ 90 des Schulgesetzes verhindert nun aber, dass Maßnahmen auf dem Fuße folgen. Sie sind daher ohne Wirkung. Im Gegenteil: Sie erhalten ein unangemessenes Gewicht. Die Schüler sind keine Straftäter, die mit komplizierten Verfahren verfolgt werden müssten. Wir verhängen keine Strafbefehle, und wir sprechen auch keine Verurteilungen aus, sondern wir treffen Erziehungsmaßnahmen. Deshalb ist hier eine Änderung dringend nötig.

Neulich titelte eine Zeitung: „CDU/FDP verschärfen Schulstrafen“. Das klingt gut, aber es hat mit Sachlichkeit nichts zu tun. Es geht nicht um eine Verschärfung, denn diese Strafen bestehen bereits seit langer Zeit. Sie werden auch überhaupt nicht verändert, sondern es werden lediglich die Verfahren verändert und vereinfacht, indem man dem Schulleiter mehr Kompetenz und mehr persönliche Verantwortung für diese Dinge überträgt.

Ich will auf die wesentlichen Änderungen kurz eingehen. Übertragung der Entscheidungskompetenz auf den Schulleiter: Der Schulleiter muss bei den letzten drei Stufen, also ab dem zeitweiligen Ausschluss, die Klassenkonferenz hören, beim endgültigen Ausschluss auch die Schulkonferenz. Entscheiden tut er selbst. Er wird sich aber hüten, ohne triftigen Grund über das Votum der Klassenkonferenz und der Schulkonferenz hinwegzugehen, denn er ist dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verpflichtet, und alle Maßnahmen müssen verwaltungsgerichtlich überprüfbar bleiben.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Und wenn es eine „sie“ ist?)

Zweitens: Wegfall der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Gender Mainstrea- ming!)

Die Schule kann im Moment sowieso den sofortigen Vollzug anordnen, das heißt, diese Maßnahme ist eine reine Formalität und aufgrund des zusätzlichen Aufwands überflüssig.

Drittens: Die Neuaufnahme an einer anderen Schule nach dem endgültigen Schulausschluss wird neu geregelt. Die Schule kann mit dem Schüler eine Vereinbarung treffen. Das erleichtert der Schule die Aufnahme und ist zugleich für den Schüler Hinweis auf eine dringend notwendige Verhaltensänderung. Weiterhin kann die Schule eine Probezeit ausmachen, eine Bewährungsfrist für den Schüler setzen.

Schließlich haben wir auf Anregung der SPD noch Bestimmungen in Bezug auf die Einschaltung der Jugendhilfe aufgenommen. Ab dem zeitweiligen Ausschluss kann die Jugendhilfe eingeschaltet werden. Das wird immer von den familiären und den sozialen Umständen des Kindes abhängen. Bei einem zweiten zeitweiligen Ausschluss soll sie eingeschaltet werden, und bei endgültigem Ausschluss muss sie eingeschaltet werden. Damit wird auch die Übertragung sozialer Aufgaben auf den betreffenden Schüler erleichtert, denn man kann der Schule nicht zumuten, dass sie soziale Dienste für diesen Schüler auch noch sucht und ihn dort unterbringt. Das kann in Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe geschehen, sodass es dem Schüler nicht einfällt, dass diese Maßnahmen ihn unter Umständen zu weiterem Schwänzen anregen.

Meine Damen und Herren, in diesem Gesetzentwurf steht beim Punkt Kosten: „keine finanziellen Auswirkungen“. Ich sehe Einsparungen in personeller und in zeitlicher Hinsicht.

(Abg. Rech CDU: Und mehr Rechtssicherheit!)

Das spart Geld.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Wieso weiß das die Regierung nicht?)

Nun ist die SPD leider nicht mit im Boot. Wenn es richtig ist, was ich gehört habe, dann war der zuständige Arbeitskreis der SPD, in dem ja immerhin Fachleute auf diesem Gebiet sitzen, einstimmig für diese Gesetzesänderung. Sie haben es aber in der Fraktion nicht durchbekommen. Die Fraktion hat dann die Zustimmung zu diesem Gesetz gekippt.

Meine Damen und Herren von der SPD, ich möchte Sie herzlich bitten: Opfern Sie nicht den pädagogischen Sachverstand auf dem Altar der Ideologie.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das geschieht zum Schaden von Schülern und Eltern. Ich möchte Sie herzlich bitten, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen, und wenn Sie sich das nicht trauen, dann enthalten Sie sich wenigstens der Stimme.

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kleinmann.

(Abg. Wacker CDU: Jetzt spricht geistlicher Bei- stand!)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ziel des Gesetzentwurfs – Frau Kollegin Vossschulte hat darauf hingewiesen – ist die Verbesserung der Handlungsfähigkeit und der pädagogischen Einwirkungsmöglichkeiten der Schule in Fällen von Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen. Dass man diese da und dort braucht, ist in diesem hohen Hause unbestritten. Es geht also darum, die für die Verhängung von Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen bis jetzt vorgesehenen Verfahrensweisen sinnvoll zu straffen und vor allem auch zeitlich zu verkürzen. Nach unserer Überzeugung ist dies allein schon aus pädagogischen Gründen – ich möchte gar keine juristischen zusätzlich anführen – erforderlich. Es kann doch nicht sein, dass die Verhängung einer Strafe angekündigt wird und dann lange Zeit vergeht, bis sie vollzogen wird. Die derzeitigen Verfahrensregelungen haben dies oft genug zur Folge. Nicht selten führen sie sogar zum völligen Versanden einer Maßnahme. Dies kann nicht im Sinne von § 90 des Schulgesetzes, nicht im Sinne unserer Schülerinnen und Schüler und nicht im Sinne der Institution Schule sein.

Die Richtigkeit des Prinzips, dass eine Sanktion ihrem Anlass in engem zeitlichem Abstand folgen muss, ist, meine ich, in diesem Haus auch unbestritten. Auch die von uns zur zeitlichen Verkürzung im Einzelnen vorgesehenen Änderungen in § 90 des Schulgesetzes finden breite Zustimmung bei den Lehrerverbänden, beim Landeselternbeirat. Die Anregungen kamen ja gerade von den Lehrern und von den Schulleitern.

Aus diesem Grund will ich drei kurze Aspekte in den Mittelpunkt rücken:

Erstens: Fälle schwerwiegender krimineller Taten sind uns ja in leidvoller Erinnerung. Es wird dann immer gleich die Frage gestellt: Warum konnte die Tat nicht verhindert werden? Warum konnte nicht rechtzeitig eingegriffen werden? Warum schaute das Jugendamt tatenlos zu? Es hat aber im Zweifelsfall nicht zugesehen, auch nicht tatenlos, sondern es war überhaupt nicht informiert. Hilfemaßnahmen des Jugendamts können schlimmen Entwicklungen entgegenwirken, wenn sie rechtzeitig – das heißt frühzeitig – erfolgen. Daher ist es geboten, dass das Jugendamt – die SPD hat die

Anregung ja gemacht – über die Verhängung gravierender Ordnungsmaßnahmen – zeitweiliger Ausschluss vom Unterricht und Schulausschluss als letzte Ordnungsmaßnahme – rechtzeitig informiert wird.

Zweitens: Der Schulausschluss ist für die Schule das letzte Mittel. Die Schule, also die Schulverwaltung, sollte die Möglichkeit haben, statt eines eigentlich fälligen Schulausschlusses noch einmal zu einer weniger gravierenden Maßnahme greifen zu können, das heißt zu einem gegenüber bisher erweiterten zeitweiligen Unterrichtsausschluss. Auch dies sieht der Gesetzentwurf nun vor.

Drittens und letztens: Wie alle anderen Ordnungsmaßnahmen ist auch der Schulausschluss kein Selbstzweck. Darüber sind wir uns ja einig. Er ist eine erzieherische Maßnahme, zielt also auf eine Verhaltensänderung hin. Die Aufnahme in eine andere Schule – das ist ja teilweise die Konsequenz – trägt als solche zu diesem Ziel nur bedingt bei. Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass Vereinbarungen zwischen Schule und Schülerinnen bzw. Schülern über Verhaltensänderungen sehr erfolgreich sein können. Wir haben daher gern die Anregung aufgegriffen, der aufnehmenden Schule die Möglichkeit zu geben, eine solche Vereinbarung zu treffen.

Fazit: Wir wollen die Autorität der Schule stärken. Dazu haben CDU und FDP/DVP den vorliegenden Gesetzentwurf eingebracht.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Zeller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich eine Vorbemerkung machen: Es kann ja der Eindruck entstehen, als ob es sich bei dem Gegenstand des Gesetzentwurfs der beiden Koalitionsfraktionen um etwas handeln würde, was die Schulen jeden Tag beschäftigte. Das ist Gott sei Dank die Ausnahme.

(Abg. Wacker CDU: Richtig!)

Deswegen will ich deutlich sagen: Lehrer sind Pädagogen. Pädagogen und die Schule haben zuvörderst einen Erziehungs- und Bildungsauftrag. Deswegen müssen wir uns immer darüber im Klaren sein,

(Zuruf des Abg. Hauk CDU)

dass es um Erziehung in der Schule geht und die Lehrkräfte diese Aufgabe ernst zu nehmen haben.

(Zuruf des Abg. Hauk CDU)

Wir wissen auch: Junge Menschen sind nicht perfekt. Im Übrigen soll das auch bei älteren Menschen so sein.

(Zurufe der Abg. Kleinmann FDP/DVP und Reichardt CDU)

Es ist auch das Recht junger Menschen, Fehler machen zu dürfen. Ich schicke das bewusst als Vorbemerkung voraus,

weil der Eindruck entstehen könnte, als ginge es an unseren Schulen nur darum, möglichst zu bestrafen, möglichst auszuschließen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Nein, nein! Wer will denn das?)

Das ist Gott sei Dank nicht der Fall.

Wir wissen aber auch, dass es Verhaltensauffälligkeiten und -probleme gibt, die oft andere Ursachen haben und bei denen die Schule an Grenzen stößt. Deswegen – Herr Kleinmann, Sie haben es ja eben gesagt – haben wir von Anfang an großen Wert auf die Einbeziehung der Jugendhilfe gelegt.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)