Für Familien ist das neue Preissystem Spitze. Davon erhoffe ich mir auch eine gewisse Ausstrahlungswirkung; das wird mit Sicherheit positiv angenommen werden. Das ist auch ein ganz wichtiger Punkt, weil es gerade Kindern und Jugendlichen von früh auf klar macht, dass es günstig ist, mit der Bahn zu fahren. Es ist damit ein wirkliches Werbeargument für das ökologisch wertvolle Verkehrsmittel Bahn. Ich hoffe, dass auch unsere Verbünde sehen, dass das zusätzliche Kundschaft bringt, und sukzessive ihre Preise entsprechend anpassen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt lautet „Auswirkungen des neuen Preissystems der Deutschen Bahn auf den Schienenpersonennahverkehr in BadenWürttemberg“.
Meine Damen und Herren, es ist schon erstaunlich: Das Preissystem der Deutschen Bahn AG ist noch nicht einmal in Kraft, und schon soll es jemand korrigieren, der dafür gar nicht zuständig ist. Das ist schlussendlich das, was Sie fordern.
Deshalb, meine Damen und Herren, ist es mir wichtig, zunächst einige Grundsätze in Erinnerung zu rufen, die die Bahnreform mit sich gebracht hat.
Zunächst einmal, Herr Kollege Palmer: Die Bahnreform war von allen gewollt, auch von den Grünen. Wir alle haben sie so gewollt, wie sie sich jetzt darstellt; wir alle haben
gewollt, dass es eine Deutsche Bahn AG gibt, die als eigenständiges Wirtschaftsunternehmen tätig ist, die möglichst frei von politischen Zwängen und Auflagen ist,
Jetzt zum Thema Tarife, um das es ja schlussendlich gehen soll: Tarife werden von Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland, meine Damen und Herren, im Regelfall an wirtschaftlichen Gegebenheiten orientiert frei kalkuliert. Jetzt kommt aber die Unterscheidung: Im Nahverkehr sind sie genehmigungspflichtig – wer andere Tarife will, muss sie auferlegen und dafür zahlen –, im Fernverkehr hingegen sind sie genehmigungsfrei. Die DB kann in diesem Bereich tatsächlich so ziemlich alles machen, was sie will.
Dieses neue Preissystem orientiert sich am Fernverkehr. Das heißt, sämtliche Änderungen betreffen ausschließlich den Fernverkehr.
Im Nahverkehr gibt es mit zwei Ausnahmen keine Änderung. Diese zwei Ausnahmen sind: Erstens – zunächst das Positive –: Kinder bis 14 Jahre können im Regelfall kostenlos mitfahren. Zweitens – jetzt das vermeintlich Negative; darüber kann man in der Tat diskutieren –: Auf die Bahncard gibt es in Zukunft nur noch 25 % Rabatt. Allerdings ist sie pro Jahr 70 € billiger; das muss man der Fairness halber dazusagen.
Was gibt es nun nach Meinung der Antragsteller am neuen Preissystem im Nahverkehr auszusetzen, wo das Land korrigieren sollte? Zunächst der Bahncardrabatt. Meine Damen und Herren, dieser Rabatt ist laut DB ein Instrument des Fernverkehrs. Die Länder wollten 50 % beibehalten, selbstverständlich auch das Land Baden-Württemberg. Die Bahn hat aber nicht mitgespielt. Deshalb habe ich vorhin auch ausdrücklich gesagt: Diese Tarife sind nicht genehmigungspflichtig.
Allerdings, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt nach dem deutschen Aktiengesetz ein Instrument, mit dem Sie eingreifen können. Jede Gesellschaft, auch jede Aktiengesellschaft, hat einen Aufsichtsrat. Dieser Aufsichtsrat ist in diesem Fall zu 100 % mit Vertretern der Bundesregierung besetzt, auch, verehrter Herr Palmer, mit Vertretern Ihrer Partei. Es wurde nichts getan. Es wurde durchgewinkt. Auf die Geschäftspolitik der DB AG wurde kein Einfluss genommen. Genau das, was jetzt beschlossen wurde, ist Ausdruck dieser Politik. Dafür ist der Bund zuständig und nicht das Land Baden-Württemberg.
Herr Staatssekretär, in welchem Verhältnis steht Ihre vor zwei Minuten gemachte Bemerkung, dass die Bahn nach dem Willen aller, die an der Bahnreform beteiligt waren, das operative Geschäft weitestmöglich frei von politischem Einfluss führen soll, zu der eben gestellten Forderung, der Bund möge doch in jedes Detail des operativen Geschäfts via Aufsichtsrat eingreifen?
Nein, ich habe nicht gesagt, dass der Bund in jedes Detail im operativen Geschäft eingreifen soll. Das kann er nicht, das soll er auch nicht. Aber wenn Sie in diesem Land so tun, als bräche ob dieses neuen Tarifsystems der Verkehr zusammen, dann ist das keine Petitesse, und dann können Sie nicht hier auftreten und sagen, es breche alles zusammen, wenn Sie gleichzeitig sagen, es sei so unwichtig, dass man im Bund keinen Einfluss darauf nehmen müsse. Das ist auch nicht sonderlich konsequent.
Dann, meine Damen und Herren, möchte ich feststellen: Der Wegfall der Interregiozüge und der Ersatz durch ICs haben entgegen dem, was Sie gesagt haben, nichts mit Auswirkungen auf das Preissystem zu tun. Diese Auswirkungen wären genauso gekommen, wenn sich das Preissystem nicht verändert hätte. Das liegt in der Grundkonstruktion dieses Instruments, das die Deutsche Bahn AG so eingesetzt hat.
Im Übrigen möchte ich nur einmal daran erinnern, dass wir alles, was die Bahn im Bereich Interregiozüge in den Sand gesetzt hat, was ab dem Fahrplanwechsel nicht mehr fahren wird, mit Landesmitteln ersetzen, und zwar ohne dass wir dafür einen vollständigen Ausgleich erhielten. Diese Maßnahme allein, verehrter Herr Palmer, kostet 15 Millionen € jährlich. Sie wissen ganz genau, dass das durch Regionalisierungsmittel nie und nimmer aufgefangen wird. Zum einen haben wir lediglich 10 Millionen € vermeintliche zusätzliche Regionalisierungsmittel bekommen. Das reicht noch nicht einmal für den Betrieb, geschweige denn für Investitionen, die allein 50 Millionen € kosten. Zum anderen – das war wieder eine ganz spezielle Konstruktion à la Eichel – wurden, bevor diese 100 Millionen € draufgesattelt wurden, 200 Millionen € weggenommen. Bei allem Respekt vor Ihren Fähigkeiten, die vier Grundrechenarten betreffend: Wenn ich 100 Millionen € bekomme und mir 200 Millionen € genommen werden, dann habe ich nach Adam Riese unter dem Strich deutlich weniger als zuvor.
Wir können in der Reihe munter weitermachen. MORA C als weiteres Beispiel. Die Bahn zieht sich, auch hier mit der Rückendeckung des Bundes und des Aufsichtsrats, aus dem Güterverkehr in der Fläche zurück. Beweis: Drucksache 13/625. Stilllegungen, ein weiteres Thema: Es werden jede Menge Strecken in Baden-Württemberg stillgelegt. Hinter
grund: Der Aufsichtsrat der DB greift nicht ein, der Bund nickt ab, die Bahn vollzieht es. Beweis: Drucksache 13/1294.
Wir könnten die Palette wirklich kontinuierlich erweitern, es ist überall das gleiche Thema. Der zuständige Minister in Berlin sitzt da und tut nichts, und die Mehrheit beim Bund und im Aufsichtsrat der DB AG meldet sich nicht zu Wort. Wir, meine Damen und Herren, sind in Baden-Württemberg nicht die Lückenbüßer für das, was die DB AG und der Bund so treiben.
Im Übrigen hat dies auch der Umwelt- und Verkehrsausschuss des Landtags so gesehen, in dessen Sitzung am 7. November dieses Jahres die SPD die Grünen aufgefordert hat, Anträge auf Landesebene zu unterlassen, die die Bundestagsmehrheit von Rot-Grün in Berlin selbst stellen und beschließen könne, aber – das haben Sie allerdings nicht fairerweise dazugesagt – nicht wolle.
Es ist schlicht und ergreifend unseriös, Herr Palmer, vom Land zu fordern, vermeintliche Fehler des Bundes zu korrigieren und sie nicht nur zu korrigieren, sondern sie auch noch selbst zu bezahlen.
Es gibt auch jede Menge Beispiele, bei denen Sie sich ordentlich vergaloppiert haben, was Ihre Kostenschätzungen betrifft. Sie haben in diesem Fall gesagt, mit 5 Millionen € wäre das Thema erledigt. Ich kann nur sagen: Zur kostenlosen Fahrradmitnahme haben Sie gesagt: „Macht das. Das kostet einige Zehntausend, vielleicht ein paar Hunderttausend Euro.“
Nachdem zuvor alle gesagt haben, es ginge nicht, kann ich Ihnen jetzt nur sagen: Seit es das Land bezahlt, geht es wunderbar. Schon jetzt kostet es 770 000 € pro Jahr – Tendenz stark steigend. Auch hier haben Sie sich gewaltig vergaloppiert. Wir haben eigentlich keine Lust, ständig das gleiche Spiel mitzumachen.
(Beifall des Abg. Blenke CDU – Abg. Boris Pal- mer GRÜNE: Was schätzen Sie denn? – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)
Jetzt zu Ihrem bemerkenswerten Vorschlag, wir sollten nach dem Muster des Landes Schleswig-Holstein einen Landestarif einführen. Meine Damen und Herren, wenn man sich diesen Tarif einmal genau anschaut – das haben Sie offensichtlich nicht gemacht, sonst hätten Sie Ihren Vorschlag nämlich nicht vorgebracht –, stellt sich Folgendes heraus: Es gibt auch dort mit der Bahncard nur 25 % Rabatt – allerdings auch auf NE-Strecken; das ist korrekt und so weit in Ordnung.
Wer früher den IR genutzt hat und jetzt den ICE nehmen muss, schaut aber gleichfalls in die Röhre. Für ihn gilt nicht der Landestarif. Derjenige, der dieses Instrument nutzt, zahlt voll, und zwar nach dem neuen Preissystem.
Der Nahverkehr kostet dort genauso viel wie bei der Deutschen Bahn und damit wie in Baden-Württemberg. Das Allerbeste ist: Wer über die Landesgrenze hinausfährt, zahlt für die gesamte Fahrt, auch für den im Land gelegenen Teil, den Preis nach dem neuen Preissystem.
Jetzt kommt der wirklich tolle Vorteil à la Palmer: Eine kostenlose Mitfahrmöglichkeit für Kinder unter 14 Jahren gibt es dort nicht.
Das heißt unter dem Strich: Der dortige Tarif, den Sie uns vorschlagen, ist schlechter als das, was wir bereits jetzt in Baden-Württemberg haben, wenn ich nur an das BadenWürttemberg-Ticket denke.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Wer hat Ihnen denn das aufgeschrieben? Absurd!)
Deshalb kann ich nur sagen: Wir wollen das nicht, ich nicht, der Minister nicht, die CDU nicht, die FDP/DVP nicht, und wir machen das auch nicht.
Im Übrigen: Sie haben in dieser Woche davon gesprochen, wir hätten bei diesem Thema ein Sonderproblem Süd. Meine Damen und Herren, dazu kann ich nur sagen: Wir haben in diesem Landtag e i n Sonderproblem, und das heißt Palmer.