Protokoll der Sitzung vom 11.12.2002

(Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

Die Mittel der öffentlichen Hand werden nämlich auch in Zukunft nicht ausreichen, um den hohen Finanzierungsbedarf im Straßenbau zu decken. Deswegen muss für diesen Zweck privates Kapital mobilisiert werden. Mit Sicherheit wird es da auch noch andere Modelle geben als die, die wir bisher hatten. Dazu brauchen wir als Übergang allerdings zunächst einmal eine Novellierung des Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetzes. Das ist kürzlich auf einer Tagung des LVI deutlich angesprochen worden.

Ein vollständiger Rückbau des alten Albaufstiegs im Zuge der A 8, wie ihn die Grünen nun fordern, wäre eine verkehrs-, umwelt- und sozialpolitische Dummheit. Darüber hinaus wäre er unwirtschaftlich, weil der Verdrängungseffekt des neuen Albaufstiegs auf nachgeordnete Straßen au

ßerordentlich hoch wäre. Außerdem wissen Sie, dass ein Teil der alten Strecke sogar ein Kulturdenkmal ist, das man gar nicht so einfach entfernen könnte.

Wer ein Abzweigen von Geldern aus dem Mautaufkommen für den Schienenausbau fordert, hat das Betreibermodell nicht verstanden. Darauf hat Herr Kollege Scheuermann schon hingewiesen.

Das Gleiche gilt für den Vorschlag der Grünen, die Maut heraufzusetzen. Das ginge zum einen aus rechtlichen Gründen nicht und würde zum anderen den Lkw-Wirtschaftsverkehr zusätzlich belasten. Wir lehnen dies deshalb ab.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Blenke CDU: Den Spediteuren geht es schon schlecht genug!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Boris Palmer.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Jetzt gehts los!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zu später Stunde eine kurze Begründung unseres Antrags zur Mautfinanzierung des Albaufstiegs: Hier geht es um eine Grundsatzentscheidung weg von der bisher praktizierten Steuerfinanzierung hin zur Nutzerfinanzierung.

Wir Grünen hegen Sympathien für den Gedanken der Nutzerfinanzierung, weil er der alten Forderung „Die Preise müssen die Wahrheit sagen!“ entspricht. Bisher ist es so, dass der Nutzer einer Autobahn im Moment der Nutzung nicht zur Kasse gebeten wird und dass dieses Gut Autobahnbenutzung, solange es kostenlos ist, deswegen übermäßig beansprucht wird.

Bezüglich der konkreten Ausgestaltung beim Albaufstieg der A 8 haben wir doch erhebliche Bedenken. Diese Bedenken konzentrieren sich auf zwei Punkte:

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Unser Beden- kenträger!)

einerseits auf den Flächenverbrauch und andererseits auf das Konkurrenzverhältnis zur Schiene.

Beim Übergang zu einer Nutzerfinanzierung des Straßenbaus entsteht grundsätzlich das Problem, dass eine zusätzliche Vorhaltung einer mautfreien Infrastruktur eine Verdoppelung des Netzes zur Folge hat. Genau das können wir hier beobachten: Nach dem Vorschlag der Landesregierung soll nicht nur ein sechsspuriger neuer Aufstieg gebaut werden, sondern es soll weiterhin auch ein zweispuriger mautfreier Abschnitt erhalten bleiben. Das ist das klassische Problem der Verdoppelung der Infrastruktur.

Diese Verdoppelung der Infrastruktur lehnen wir aus zwei Gründen ab: erstens wegen des damit einhergehenden Flächenverbrauchs und der Zerschneidung der Landschaft und zweitens aus Haushaltsgründen, weil die Unterhaltung eines doppelten Netzes natürlich auch doppelt so teuer kommt. Dafür fehlt uns das Geld.

Im Übrigen sind wir der Meinung, dass die Schwüre der Landesregierung zur Reduktion des Flächenverbrauchs an solchen Projekten gemessen werden müssen. Es gibt eine Studie der von Ihnen zur Auflösung freigegebenen Akademie für Technikfolgenabschätzung, die darauf hinweist, dass für die Erzeugung der Produkte, die Baden-Württemberg aus dem Ausland bezieht, zum Beispiel Baumwolle, 14-mal so viel Fläche beansprucht wird, wie das Land Baden-Württemberg hat. Wir haben aber nicht 14 Globen in der Hinterhand. Aus diesem Grund müssen wir mit der Fläche sparsam umgehen.

Das zweite Problem, das Konkurrenzverhältnis zur Schiene

(Unruhe)

Frau Präsidentin, wenn Sie hier für etwas Ruhe sorgen könnten, wäre ich Ihnen dankbar –, liegt auf der Hand. Es hat wiederum zwei Dimensionen: Die erste ist der Mittelentzug. Wenn hier ein privat vorfinanziertes Modell zum Tragen kommt, entfällt die allgemeine Lkw-Maut, und damit entfallen Einnahmen, die ansonsten für den Ausbau des Schienennetzes zur Verfügung stehen würden.

Die zweite Dimension ist die Reisezeitverkürzung für die Straße, der keine gleiche Reisezeitverkürzung bei der Schiene gegenübersteht. Das bedeutet eine Besserstellung des Straßenverkehrs im Verhältnis zur Schiene. Da wir wissen, dass der Neubau der ICE-Strecke Stuttgart–Ulm vor allem an den Finanzmitteln hängt, beantragen wir, einen Teil der Erlöse aus der Mautfinanzierung so, wie es auch zu erwarten gewesen wäre, wenn die normale Lkw-Maut auf dieser Strecke gelten würde, für den Ausbau der ICE-Trasse zu verwenden.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Traumtänzer!)

Ich nehme, wie es sich wohl gebührt, zu den Anträgen der anderen Fraktionen nach den Ausführungen des Ministers Stellung.

(Beifall bei den Grünen)

Meine Damen und Herren, ich erteile das Wort Herrn Minister Müller.

(Abg. Hauk CDU: Uli, deine besten Reden waren die kürzesten! Denk daran! – Beifall im ganzen Haus – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vier Anträge sind ein bunter Strauß, den ich als ein Geburtstagsgeschenk natürlich gerne annehme. Aber es ist etwas schwierig, zu der Fülle der angesprochenen Themen hier, zumal zu dieser Abendstunde, noch etwas Vernünftiges zu sagen. Ich will versuchen, so kurz wie möglich ein paar Dinge anzusprechen.

Erstens: Wie ist die aktuelle Finanzlage im Bundesfernstraßenbau?

Zweitens: Was ist strukturell zur finanziellen Situation zu sagen?

(Minister Müller)

Drittens eine Bemerkung zum Albaufstieg und viertens eine Bemerkung zur Verkehrstelematik bzw. zur Antistauthematik.

Ich nehme einfach einmal zwei Zahlen, um die aktuelle Situation zu beschreiben. Wir haben Anfang der Neunzigerjahre pro Jahr für Neubau 320 Millionen € zur Verfügung gehabt. Wir werden im Jahr 2003 135 Millionen € zur Verfügung haben.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Jetzt tricksen Sie aber massiv, Herr Minister!)

Das ist weniger als die Hälfte. Man kann ohne weiteres die Gelder hinzunehmen, die wir für die Refinanzierung haben. Aber auch dann ist es immer noch deutlich weniger.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Und ohne den Rück- fluss aus den Ostländern 1992! Wie wäre es dann?)

Jetzt vergleiche ich diesen klaren Einbruch mit den Mitteln im Landesstraßenbau. Ich bin ja vorhin gefragt worden, ob das nicht noch viel zu wenig wäre, gemessen am Generalverkehrsplan. Da sage ich einfach: Die Mittel sind verdoppelt worden. Jetzt können Sie sagen: Es sollte noch mehr sein.

(Abg. Göschel SPD: Sie müssen auch ausgegeben werden!)

Ich sage einfach: Wenn der Bund von sich behaupten könnte, dass er die Mittel in den letzten fünf Jahren verdoppelt hätte, dann wäre ich ruhig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Knapp SPD: Nicht bloß einstellen, auch ausgeben!)

Ich bin mit dieser Entwicklung im Landesstraßenbau relativ zufrieden. Es könnte immer noch mehr sein.

Warum haben wir aktuell eine so schwierige Situation? Ganz einfach deswegen, weil der Bund etwas gemacht hat, was er, so befürchte ich, auch in den nächsten Jahren weiter treiben wird. Er hat nämlich im Blick auf die Lkw-Maut die Haushaltsmittel gekürzt. Jetzt kommt die Lkw-Maut im nächsten Jahr nicht oder nur für einen geringen Teil des Jahres. Aber die Haushaltsmittel bleiben gekürzt. Deswegen haben wir eine dramatische Zuspitzung und wissen konkret nicht, wie wir die Baustellen des Jahres 2003 finanzieren sollen. Das muss man einfach einmal feststellen. Es ist ein Nullsummenspiel, wenn auf der einen Seite die Lkw-Maut erhöht wird – real noch dazuhin nicht kommt, nebenbei gesagt – und auf der anderen Seite die Haushaltsmittel gesenkt werden. Dann fragt man sich natürlich: Weshalb haben wir diese Maut eigentlich überhaupt eingeführt?

Zweitens möchte ich doch noch einmal sagen: Die Mittelverteilung zwischen den ostdeutschen und den westdeutschen Bundesländern stimmt im 13. Jahr der deutschen Einheit nicht mehr. Ich möchte meiner Sorge Ausdruck verleihen, was mit dem deutschen Südwesten geschieht – noch kann ich es nicht belegen, und ich wäre froh, wenn ich es nie belegen müsste –, wenn ein Bundesverkehrsministerium, das heißt ein Infrastrukturministerium, das über viel Geld zu verfügen hat, von einem Minister aus Ostdeutschland sowie von fünf Staatssekretären geführt wird, von de

nen vier eine ostdeutsche Biografie haben, und dieses Ministerium noch dazu in seiner Beschreibung mittlerweile „Aufbau Ost“ heißt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Die Zuspitzung der Lage haben wir auch deswegen bekommen, weil es mittlerweile erhöhte Sicherheitsanforderungen im Tunnelbau gibt. Das kann man verstehen. Aber dann müssten wir eigentlich mehr Geld bekommen. Das ist vorhin schon vom Kollegen Scheuermann am Beispiel des Nollinger Bergtunnels beschrieben worden. Wir sollen einen zweiten Tunnel bauen. Dieser kostet 30 Millionen €. 10 Millionen € erhalten wir vom Bund, 20 Millionen € müssen wir von anderen Baustellen abziehen. Es ist natürlich schon eine der weniger netten Tätigkeiten eines Landesverkehrsministers, wenn das Verteilen von Zitronen, also die Frage, wo Baustellen einzustellen sind, weil uns schlicht das Geld für den Fortbau fehlt, großzügig dem Land überlassen bleibt. Dagegen bleibt es immer exklusiv eine Sache des Bundes, die Orangen zu verteilen, das heißt neue Baustellen zu eröffnen.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Was haben Sie gegen Zitronen? – Gegenruf des Abg. Göschel SPD: Viel Vitamin C! Das braucht die CDU doch!)

Ich kann Ihnen auch sagen, dass in den letzten Jahren wenig begonnen worden ist. Insgesamt werden in Baden-Württemberg zwischen den Jahren 1998 und 2005 15 neue Baustellen eingerichtet. 15 neue Baustellen in sieben Jahren sind nicht so wahnsinnig viel. Aber selbst die sind gemessen an unserer Mittelausstattung noch zu viel.

(Abg. Knapp SPD: Jetzt gebt doch zu: Ihr habt doch früher auch nicht mehr gemacht! Sagt es doch endlich!)

Ich kann das an einem Beispiel deutlich machen. Bei der B 27 haben wir im Interesse einer Abgeordneten, die mittlerweile nicht mehr der Regierung angehört, einen Spatenstich gemacht. Wir haben das Geld nicht, um die Baustelle fortzuführen. Das war allen Beteiligten bekannt. Das sind die Dinge, die mir natürlich nicht gefallen.