Deshalb bin ich dafür – auch im Blick auf die internationale Debatte, im Zusammenwirken mit unseren internationalen Partnern –, dass wir uns um diese kulturelle Entwicklung in unseren Gesellschaften kümmern, die wesentlichen Einfluss auf Schule haben.
Zweitens bin ich der Meinung, dass wir uns um Bildungsforschung kümmern müssen, die sehr viel präziser sagt: Was macht eine gute Schule aus? Was führt zu Qualität und was nicht?
Egal, mit welchem Erziehungswissenschaftler und Bildungsforscher in Deutschland Sie sprechen, sie sagen Ihnen alle: Wir wissen maximal 20 %, 80 % wissen wir überhaupt nicht.
Drittens müssen wir uns kümmern um die Inhalte, um die Didaktik, darum, dass in der Wissenschaftsgesellschaft wirklich ernst genommen wird, was Entwicklung von Schule bedeutet, und dies bitte auch in internationaler Abstimmung. Da können wir unmittelbar im europäischen Raum, Italiener, Schweizer – wir können übrigens viel lernen
von Österreich –, Franzosen und Deutsche, gemeinsam etwas tun. Was dann strukturell daraus wird, das ist mir, offen gestanden, irgendwann egal. Aber es muss zunächst einmal eine Idee von Bildung da sein, und dann wird über Strukturen geredet.
Wenn Sie sich jetzt hierher stellen und sagen: „Die Regionalschule ist an allen Standorten möglich“, dann wissen Sie ganz genau, dass das nicht stimmt.
Sie wissen ganz genau, dass man in Niedersachsen und in Rheinland-Pfalz, um nur zwei Beispiele aus der jüngsten Zeit zu nennen, gesagt hat: Wir müssen Schulstandorte aufgeben, wir können nicht mehr so viele halten. Dann werden Regionalschulen eingerichtet, um Schulstandorte zu schließen. Ich sage Ihnen auch hier: Der Prüfauftrag ist nicht der Prüfauftrag der Kultusministerin. Es ist der Prüfauftrag eines Teils der Koalition. Den habe ich schon abgearbeitet; das Ergebnis bekommen Sie in wenigen Tagen.
Ich bleibe dabei: Wer Qualität im Bildungswesen halten will, darf nicht anfangen, Schulformen abschaffen zu wollen. Er muss sie stärken, und er darf nicht regionalisieren, sondern er muss wohnortnah Schule erhalten.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Gilt das auch für Gym- nasien und Realschulen? – Abg. Alfred Winkler SPD: Zurück zur Zwergschule!)
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, haben Sie mit Ihrer Pressekonferenz am Dienstag mit Eleganz eine Rolle rückwärts in die Vergangenheit gemacht.
Sie haben nur deutlich gemacht, dass Sie die Tiefenanalyse von PISA und auch die internationale Diskussion darüber, die sich nicht nur auf Skandinavien erstreckt – darüber könnte ich jetzt noch ein eigenes Kapitel beitragen –, eigentlich nicht annehmen wollen, sondern Sie versuchen, jetzt den GEW-Vorschlag zu transportieren. Ich möchte, dass wir tiefer gehend zu einer Lernkultur kommen
ja, das glaube ich, dass Sie das nicht wissen, das glaube ich Ihnen sofort; aber das klären wir einmal privat bei einem Kaffee –, die Sorge dafür trägt, dass Kinder und Jugendliche eine wirkliche Chance erhalten. Wenn Sie hier aber unentwegt sagen, jedes fünfte Kind sei ohne Chance, blenden Sie wieder völlig aus, dass unser berufliches Bildungswesen – schauen Sie auf den Schulabschluss – dafür sorgt, dass es sich eben nicht um jedes fünfte Kind handelt. Wir haben eine Jugendarbeitslosigkeitsquote, die so niedrig ist wie nirgendwo sonst in Europa,
weil wir ein Bildungswesen haben, das in seiner Differenzierung viele verschiedene Konzepte vorhält und dafür sorgt, dass sehr viel mehr Jugendliche als anderswo zu einem Schulabschluss
nicht jeder sechste; das ist ja gar nicht wahr – und zu einer beruflichen Bildung kommen, die wirklich zu Beruf und Beschäftigung führen.
Sie haben gesagt – dieser Satz ist wunderbar –: Politik beginnt beim Betrachten der Wirklichkeit. Daran schließt sich das Verstehen der Wirklichkeit an.
In der Politik zählen Ergebnisse und nicht in regelmäßigen Abständen vorgetragene Wiederholungen dessen,
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist gut, dass wir innerhalb und außerhalb dieses Hauses sehr intensiv über Bildung diskutieren. Es ist gut, dass wir hierbei zum Teil auch gemeinsame Auffassungen haben.
Frau Schavan, Sie werden von uns nie hören – das haben wir auch immer deutlich gemacht –, dass wir nur einen Schwerpunkt auf den Unterricht setzen, um eine bessere Qualität von Schule zu erreichen. Das haben Sie von uns nie gehört. Die Unterrichtsarbeit ist ein ganz zentraler Punkt.
Aber Sie sagen – das waren Ihre Äußerungen in der Vergangenheit, und gerade haben Sie sie in etwas abgeschwächter Form wieder gebracht –: „Wir dürfen nur über die Unterrichtsqualität, die Unterrichtsarbeit sprechen“, und Sie lehnen jede Strukturfrage ab.
Ich will Ihnen das einmal verdeutlichen: Wenn Sie gemeinsam mit mir hoffentlich fordern, Lehrerinnen und Lehrer müssten besser mit homogenen Leistungs- und Lerngruppen umgehen können
Entschuldigung, danke: mit heterogenen Leistungs- und Lerngruppen –, und darauf verweisen, dass Lehrkräfte da im Grunde große Schwierigkeiten haben, dann ist das mit ein Ergebnis unserer Schulstruktur. Denn – Sie haben die Durchlässigkeit angesprochen – bei uns passiert Folgendes – da sind meine Kollegen Käppeler, Dr. Caroli, Wintruff und andere möglicherweise ein bisschen näher an der Schulwirklichkeit als Sie –: Der Satz: „Wenn du das Klassenziel der Schule nicht erreichst, kommst du in eine andere Schule“ – vom Gymnasium auf die Realschule, von der Realschule auf die Hauptschule und, füge ich hinzu, von der Hauptschule auf die Sonderschule –,
(Zuruf des Abg. Seimetz CDU – Abg. Renate Ra- stätter GRÜNE: Dann sind die Schüler an der fal- schen Schule!)
ist häufig anzutreffen. Das ist genau der Unterschied zu denen, die wie Finnland und Kanada integrative Systeme haben. Dort kann man nicht sagen: „Wir schieben das Kind ab“, sondern dort steht die Frage „Wie fördern wir das Kind besser?“ im Vordergrund. Genau das haben wir hier bei uns
Deswegen muss es darum gehen, beides gemeinsam miteinander zu diskutieren. Es muss darum gehen, von anderen zu lernen.