Protokoll der Sitzung vom 25.06.2003

Wenn es nicht klappt mit einer freiwilligen Meldung, muss man eine Meldepflicht einführen, damit die Ärzte diese Daten liefern müssen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Entschuldigung, es gibt eine Meldepflicht!)

Es gibt keine gesetzliche Meldepflicht. Andere Länder machen das. Andere Länder haben bessere Ergebnisse als Baden-Württemberg. Deshalb würde ich mir wünschen, dass die Landesregierung nicht aus dem Krebsregister aussteigt. Zum anderen würde ich mir auch wünschen, dass die Landesregierung in der Frauenpolitik mehr tut, als Programme zu verabschieden und irgendwelche schönen Worte zu veröffentlichen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Zeller SPD: Jawohl!)

Das Wort erteile ich Frau Staatssekretärin Lichy.

(Abg. Zeller SPD: Jetzt sind wir gespannt!)

Sie sind immer gespannt.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst will ich einmal Gemeinsamkeiten feststellen. Die Diskussion hat gezeigt, dass das Thema wichtig und richtig ist und dass die gesundheitliche Situation von Frauen ein Themenkomplex ist, den wir wirklich aufarbeiten müssen und der auch geschlechtsspezifische Unterschiede darstellt. Es ist eine Tatsache, dass es bei den geschlechtsspezifischen Unterschieden – das haben alle Rednerinnen gesagt – in puncto Gesundheit nicht nur die biologisch begründeten Unterschiede gibt, sondern dass Frauen deutlich höhere Lebenserwartungen haben als Männer – nicht nur in Baden-Württemberg, sondern auch weltweit – und dass es auch Unterschiede in den Lebensverhältnissen gibt – da waren wir uns wohl auch einig –, im Risikoverhalten, im sozialen Umfeld usw. All dies verstärkt die Verschiedenheiten.

Jetzt möchte ich einmal ganz klarstellen: Dieser Frauengesundheitsbericht geht auf die Initiative meines Zehnpunkteprogramms zurück. Ich habe dessen Notwendigkeit schon 1997 erkannt. Wir haben mit großer Arbeit und in großer Mühsamkeit die Daten zusammengetragen. Baden-Württemberg hat geschlechtsspezifische Gesundheitsdaten erhoben. Nur deshalb konnten wir überhaupt diesen Gesundheitsbericht erstellen. Wir hatten den ersten derartigen Bericht. Er ist im Jahr 2000 veröffentlicht worden. Zu dem Versuch von Rot-Grün, hier abzulenken: Die Bundesregierung hat zwar jetzt auch einen solchen Bericht gebracht, aber unser Bericht war der erste und hat weitere Berichte in anderen Bundesländern nach sich gezogen.

Natürlich gibt es Themenschwerpunkte, die in meinen Augen besondere Wichtigkeit haben, die auch herausgehoben werden müssen, die wir, gerade weil sie frauenspezifisch sind, verfolgen müssen und denen wir nachgehen müssen.

(Staatssekretärin Johanna Lichy)

Dabei geht es etwa um das schon genannte Thema Brustkrebs.

Brustkrebs ist nach wie vor die häufigste bösartige Erkrankung bei Frauen, neben anderen frauenspezifischen Krebsarten wie zum Beispiel Gebärmutterhalskrebs. Brustkrebs ist nach wie vor die häufigste Todesursache bei Frauen zwischen 45 und 60 Jahren. Das zeigt – auch darin bin ich mit Ihnen einig –, dass gerade beim Brustkrebs eine gute Versorgung eine ganz wichtige Voraussetzung ist. Es zeigt aber auch – das möchte ich hinzufügen –, dass die Früherkennung von Brustkrebs durch ein qualitätsgesichertes Mammographie-Screening gewährleistet sein muss und dass dies ein hoher gesundheitspolitischer Wert ist.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Staatssekretärin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Haller-Haid?

Ja, bitte.

Frau Staatssekretärin, ist die Landesregierung bereit, in dieser Frage von Bayern zu lernen, das sich mit seinem Screening-Programm endlich darangemacht hat, die europäischen Richtlinien umzusetzen? Dies hat natürlich auch zur Folge, dass der Level, der jetzt von den Radiologen bzw. deren Verband festgelegt worden ist, nicht mehr gelten kann, dass seitens der Ärzte massiv investiert werden muss und dass ein entsprechender Druck ausgeübt wird.

Das kann ich Ihnen ziemlich klar beantworten. Wir verstehen uns auch sonst gut mit Bayern. Bayern ist in dieser Hinsicht nun zufällig schon ein bisschen weiter, aber die Initiative hatten damals wir ergriffen,

(Abg. Zeller SPD: Und Bayern hat es umgesetzt, oder was?)

und es ist auch zu einer Bundesratsinitiative gekommen.

Wir haben jetzt eine Übereinkunft erzielt und ein enges Zeitlimit bis Ende 2003 gesetzt, eben weil es über die Modelle der Bundesregierung und über die Bundesebene bislang nicht gelungen war. Die Selbstverwaltung wird zusammen mit den Krankenkassen die abgeschlossene Vereinbarung bis Ende 2003 umsetzen. Danach muss ein Mammographie-Screening gewährleistet werden. In diesem Sinne hatten wir uns bei der damaligen Initiative auch mit Bayern zusammengeschlossen. Wir haben da kein Problem. Ich hoffe natürlich, dass unsere Selbstverwaltungsorgane die Umsetzung bis zum Jahresende schaffen.

Wir hatten gerade erst vorgestern eine Konferenz zum Thema Brustkrebs, in deren Verlauf noch einmal ganz deutlich gemacht worden ist, dass unsere Tumorzentren und die onkologischen Schwerpunktpraxen im Land hinsichtlich der Krebserkrankungen die wesentlichen Daten liefern. Von allen Fachleuten ist uns – schweren Herzens – gesagt worden: Wenn man mit dem Krebsregister auf die bisherige Art und Weise nicht vorankommt, weil es in einem großen Flächenstaat wie Baden-Württemberg selbst bei Ankündigung von Sanktionen nicht möglich zu sein scheint, entsprechende

Datenlagen und eine Erfassung zu einem hohen Prozentsatz zu gewährleisten, der es erlauben würde, diese Daten auch für die Forschung und Evaluierung zu verwenden, dann muss auf Daten zurückgegriffen werden, die unsere onkologischen und Tumorzentren hergeben. Auf diesem Weg werden wir weitergehen. Es ist nicht so, dass wir uns dieses Themas nicht annehmen würden. Es ist uns sehr wichtig.

Ich möchte noch einige besondere Themen herausgreifen; auch die haben Sie genannt. Soweit uns die Daten geschlechtsspezifisch differenziert vorliegen, lassen sich daraus schon einige Handlungsstränge ableiten, zum Beispiel bezüglich des Suchtverhaltens. Das ist ein sehr Besorgnis erregendes Thema.

(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Magersucht!)

Suchtverhalten gibt es bei Männern und Frauen. Während ältere Frauen häufig als Suchtmittel Medikamente einnehmen, müssen wir leider beobachten, dass bei jüngeren Frauen, vor allem bei den Mädchen, das Suchtverhalten – gerade auch was Essstörungen anbelangt – dramatisch zunimmt. Weil dies auch eine neuere Zivilisationserscheinung ist, hat es entsprechende Daten früher natürlich nicht gegeben. Ich bin über diese Suchterscheinungen aber genauso besorgt wie Sie. Die Tatsache, dass es heute bei uns über eine Million junger Frauen mit Essstörungen gibt, zeigt, dass dies ein erschreckendes Ausmaß angenommen hat. Aber dieser Bericht wurde ja auch deshalb erstellt, um die Daten überhaupt erst einmal zu evaluieren.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

Bislang wurde ja nicht geschlechtsspezifisch erhoben.

Ebenso alarmierend ist, dass immer mehr junge Mädchen, teilweise noch Kinder, rauchen und dadurch ihre Gesundheit gefährden. Auch dies sind dramatische Anzeichen ebenso wie die Tatsache, dass mittlerweile auch sehr junge Mädchen immer größere Mengen an Alkohol trinken. Kliniken berichten uns, dass auch schon Jugendliche nach exzessivem Rauschtrinken bewusstlos in Krankenhäuser eingeliefert werden. Diese Vorkommnisse nehmen erschreckend zu. All dies wird in diesem Bericht aufgezeigt.

Frau Berroth, es ist ein Frauengesundheitsbericht, und deshalb werden auch frauenspezifische Themen wie Schwangerschaft, Geburt und Wechseljahre behandelt. Wir erfahren darin zum Beispiel, wie häufig Risikogeburten vorkommen. Auch das Gewicht der Kinder bei der Geburt ist darin aufgenommen. Natürlich können wir nicht grundsätzlich sagen, dass dies alles Krankheiten seien. Aber es handelt sich um einen Gesundheitsbericht, und in dieses Spektrum gehört natürlich ebenso die Krankheit als Gegenteil von Gesundheit wie all das, was frauenspezifisch mit Gesundheit zu tun hat.

Der Gesundheitsbericht ist also eine große Datensammlung, die, soweit dies möglich war, geschlechtsspezifisch erstellt wurde. Aber – und da bin ich mit allen einig – daraus ergibt sich eine Vielzahl von Handlungssträngen, die wir aufnehmen müssen, sowohl in der Primär- und Sekundärprävention als auch in der Behandlung und in der Rehabilitation. Natürlich gibt es Ausgangssituationen, die durchaus einer weiteren Erforschung wert sind: psychische Erkrankungen,

(Staatssekretärin Johanna Lichy)

soziale Probleme. Zum Beispiel gibt es noch keine Daten über die Auswirkungen der Doppelbelastungen für Frauen durch Haus- und Familienarbeit sowie Berufstätigkeit. Deswegen konnten wir das auch nicht evaluieren. Aus dem Bereich des Berufslebens gibt es genügend Daten, da hierbei natürlich auch die Männer betroffen sind. Eben deshalb ist dieser Gesundheitsbericht so wichtig, damit andere Ansätze für die unterschiedlichen Ausgangssituationen aufgezeigt werden können. Insofern haben Sie mich an Ihrer Seite, wenn Sie diese Themen aufgreifen und im Einzelnen vertiefen. Denn hier gibt es tatsächlich Handlungsmöglichkeiten auf der politischen Ebene.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Große Anfrage nach der Aussprache erledigt.

Punkt 9 der Tagesordnung ist damit abgeschlossen.

Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums – Stärkung der Bioregionen in Baden-Württemberg – Drucksache 13/1159

Dazu rufe ich den Änderungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 13/2188, auf.

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Wem darf ich das Wort erteilen? – Herr Abg. Rivoir, bitte schön.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen, Herr Minister, meine Damen und Herren!

(Abg. Hillebrand CDU: Herr Staatsrat auch!)

Herr Staatsrat!

(Abg. Schmiedel SPD: Eminenzen und Durch- lauchten!)

Zu später Stunde möchte ich zu diesem Thema noch ein paar Ausführungen machen.

Meine Kolleginnen und Kollegen, es dürfte Konsens sein, dass in der Biotechnologie große Chancen liegen. Es gibt große Wachstumspotenziale, auch für neue Arbeitsplätze. Die Biotechnologie wird gemeinhin als Schlüsseltechnologie angesehen. Wer hier die Nase vorn hat, hat gute Chancen auf eine gute Wirtschaftsentwicklung. Aber die Konkurrenz nicht nur in Deutschland, sondern weltweit ist groß. Deswegen muss ein Bundesland wie Baden-Württemberg besondere Anstrengungen unternehmen, um da vorne mit dabei zu sein.

Ein Blick auf die Forschungslandschaft – ich denke, die Stellungnahme zu unserem Antrag macht dies deutlich – zeigt, dass wir hier eigentlich ganz gut aufgestellt sind. Es gibt viele von Bund und Land finanzierte und geförderte Forschungsprojekte und -einrichtungen. Auch fließen er

hebliche Forschungsmittel – DFG-Mittel und andere – in unser Bundesland. Ich denke, hier ist kein Platz für Kritik. So weit, meine ich, besteht auch Einigkeit.

Unsere Kritik setzt an der Frage an, wie in diesem Land das eigentliche Ziel der Operation, nämlich die Neugründung von Firmen und damit die Schaffung von Arbeitsplätzen, organisiert wird. Hier, so meinen wir, liegt doch einiges im Argen. Hier ist nach unserer Auffassung keine zusammenhängende Konzeption erkennbar. Als wir diesen Antrag vor einem Jahr gestellt haben – übrigens nach einer gut besuchten Anhörung mit den Playern in der Szene –, war das Manko der Biotechnologieförderung offensichtlich. Es waren vier gut funktionierende Bioregionen vorhanden und darüber gestülpt eine Biotechnologie-Agentur Baden-Württemberg, die eigentlich von allen als fünftes, störendes Rad am Wagen empfunden wurde. Nicht einmal ordentliche Messeauftritte konnten organisiert werden.

Unser Ansatz – im Antrag ist er auch dargelegt – war nun der, dass wir gesagt haben: Lasst uns diese überflüssige Biotechnologie-Agentur auflösen, und lasst zumindest einen Teil des Geldes, das dort eingespart werden kann, den Regionen zukommen. Denn diese Regionen, die Bioregionen, sind nahe an den Firmen, sie haben die besten Kontakte, sie wissen genau, wie man diese Mittel vernünftig einsetzt. Also weg von dem Überbau, Geld runter in die Bioregionen! In den Ministerien, im Wissenschaftsministerium, im Wirtschaftsministerium, gibt es immer noch genügend Leute, die die notwendigen Koordinierungsarbeiten der Regionen organisieren können. Subsidiaritätsprinzip nennt man das. Das war also unser Vorschlag.