Protokoll der Sitzung vom 25.06.2003

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister Müller, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Caroli?

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Nein! Jetzt ist Schluss!)

Ich schlage vor, dass das die letzte ist. Einverstanden?

Ich bitte um Nachsicht. Ich hatte mich schon gemeldet, als Sie noch nicht den Verkehrsteil angesprochen hatten. Deswegen noch die Frage: Wenn Sie ein neues Klimaschutzkonzept, wie ich vorhin gehört habe, bis Ende des Jahres anvisieren, welche Rolle spielt dabei die Geothermie, die Sie bisher vernachlässigt haben?

(Abg. Göschel SPD: Gute Frage!)

Das kann ich heute noch nicht genau sagen. Das wird selbstverständlich dann in dem Programm enthalten sein. Die Geothermie hat sozusagen ein hohes theoretisches Potenzial. Die Frage ist aber, ob und zu welchen ökonomischen Bedingungen sie lokal an der richtigen Stelle einsetzbar ist. Die Geothermie ist im Prinzip ein nahezu unerschöpfliches Potenzial, ein der Sonnenenergie vergleichbares theoretisches Potenzial. Die Frage wird aber sein, was man davon lokal bezogen ökonomisch einsetzen kann.

Lassen Sie mich zum Verkehr eine dritte Zahl nennen. Die erste betraf die größten Steigerungsraten bei uns im Schienenpersonennahverkehr, die zweite das Beispiel, dass wir jede Fahrt im Bereich Ravensburg/Weingarten mit 4 € subventionieren.

Das dritte Beispiel: Nennen Sie mir bitte ein einziges Bundesland, das bereit ist, bei einem Schienenverkehrsprojekt 500 Millionen € aus dem Landeshaushalt zur Verfügung zu stellen, damit dieses Schienenverkehrsprojekt schneller verwirklicht wird. Ich beziehe mich auf unsere Zusage, die Strecke zwischen Stuttgart und Ulm vorzufinanzieren. Welches Bundesland nimmt 500 Millionen € in die Hand, um ein Schienenverkehrsprojekt, für das der Bund allein zuständig ist, schneller zu verwirklichen? Ich glaube, Sie können kein zweites nennen – es gibt kein zweites –, und ich bin daran interessiert, dass es bei diesem Projekt vorangeht.

Meine Damen und Herren, zum Schluss eine ganz simple Feststellung: Der CO2-Ausstoß pro Kopf beträgt in BadenWürttemberg ungefähr 7 Tonnen, im Bundesgebiet 11 Tonnen. So schlecht kann es mit der Klimaschutzpolitik des Landes also nicht bestellt gewesen sein.

(Widerspruch bei der SPD – Abg. Fischer SPD: Das hängt damit zusammen, dass wir Erholungs- und Urlaubsland sind, Herr Minister! Sie können doch nicht Baden-Württemberg mit Nordrhein- Westfalen vergleichen!)

Das muss man einfach einmal feststellen. Das hängt natürlich mit der Industriestruktur und mit unserer Energiestruktur zusammen. Sie wollen aber die Energiestruktur verändern, indem Sie aus der Kernkraft aussteigen.

(Abg. Walter GRÜNE: Genau so ist es!)

Ich finde es gut, dass wir relativ besser sind als der Bund, aber mir reicht das nicht gemessen an der Größe der Aufgabe. Ich hoffe, dass wir das, was ich vorhin als energiepolitischen Konsens beschrieben habe, möglichst in diesem Hause erreichen, einen klimaschutzpolitischen Konsens, einen

energiepolitischen Konsens im Interesse der Menschheitsaufgabe Klimaschutz, vor der wir noch Jahre und Jahrzehnte stehen werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Heiderose Ber- roth FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, die Redezeiten sind ausgeschöpft. Die Diskussion ist damit beendet.

Da es sich um einen Berichtsantrag handelt, ist der Antrag mit dieser Aussprache erledigt und damit auch Punkt 1 der Tagesordnung abgeschlossen.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Bewerberüberhang an beruflichen Gymnasien und Berufskollegs – Drucksache 13/2008 (Berichtigte Fassung)

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Wintruff.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ausbleibende Reformen in weiten Bereichen der dualen Ausbildung und die über Jahrzehnte abnehmende Ausbildungsbereitschaft der Wirtschaft führten notwendigerweise in ganz Deutschland zu einer Verlagerung von Bildungsressourcen für die berufsschulpflichtigen Jugendlichen hin zu staatlichen Angeboten. Ein Mangel an Ausbildungsplätzen in den zurückliegenden Jahrzehnten führte zum Ausbau von beruflichen Vollzeitschulen. Es ist letztlich ein Skandal, dass in Baden-Württemberg nur noch 23 % aller Betriebe überhaupt ausbilden.

Aus dieser Entwicklung heraus und in der Verantwortung für die beruflichen Zukunftschancen unserer Jugendlichen hätte die Landesregierung diesen Ausbau fortsetzen und das System der beruflichen Vollzeitschulen in das duale System der Berufsausbildung vernetzen müssen. Was ist in diesem Falle geschehen? Das Gegenteil bzw. nichts!

Seit Monaten drängen nun Schülerinnen und Schüler in einem bisher nicht da gewesenen Ausmaß an die beruflichen Vollzeitschulen, insbesondere an berufliche Gymnasien und Berufskollegs. Eine Erhebung zu dem vorliegenden Antrag ergab – das müssen Sie sich einmal vorstellen –, dass sich über 60 000 Bewerber auf die 31 000 Plätze, die in diesen beiden Schularten zur Verfügung stehen, bewerben. Selbst unter Einbeziehung der üblichen 10 bis 20 % Doppelbewerbungen ist das Angebot von 20 zusätzlichen Poolklassen – das ergibt gerade mal 600 Plätze –, das Sie bisher gemacht haben, eben nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

(Beifall bei der SPD)

Während sich beispielsweise in Schorndorf 125 Bewerber mit guten Notendurchschnitten Sorgen um ihre Aufnahme in das Berufskolleg „Technik und Medien“ machen, streicht ihnen das Kultusministerium ohne jeden Skrupel noch eine

der beiden bestehenden Klassen bzw. verlagert sie nach Stuttgart, um dort ein noch größeres Loch zu stopfen.

(Abg. Zeller SPD: Unmöglich so etwas!)

Der sich nun abzeichnende Kollaps an den beruflichen Schulen ist das Ergebnis einer Verweigerungshaltung des Kultusministeriums auf die jahrzehntelang währenden Aufforderungen von Gewerkschaften, von Lehrerverbänden und letztendlich auch von uns, von der Opposition, mehr Bildungsinvestitionen in die berufliche Bildung zu lenken.

Der Ausbau des beruflichen Vollzeitschulwesens wurde von der Regierung gestoppt. Die Zahl der Klassen und damit die Aufnahmekapazität der beruflichen Vollzeitschulen wurde gedeckelt.

(Abg. Mappus CDU: Wer hat Ihnen denn das auf- geschrieben?)

Während nach Meinung des VLW, also des Verbandes der Lehrer an Wirtschaftsschulen, kaufmännische Vollzeitschulen zu einer eigenen Qualifikation führen, die als notwendige Grundlage einer Ausbildung insgesamt wichtig ist, macht sich das Kultusministerium die irrige Meinung zu Eigen, dass berufliche Vollzeitschulen trotz ihrer Attraktivität einen unverwünschten Nebeneffekt auf die Berufswahlentscheidung der Jugendlichen haben.

(Zuruf des Abg. Zeller SPD)

Ich zitiere einmal aus der Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport zu dem neuesten Antrag von Herrn Wacker, Drucksache 13/1878. Da heißt es:

Das Kultusministerium versucht durch eine zurückhaltende Genehmigungspraxis für neue Klassen gegenzusteuern.

(Unruhe bei der SPD – Abg. Wacker CDU: Ja! – Abg. Seimetz CDU: Richtig!)

Sehen Sie! Also trotz starker Schülerjahrgänge hat sich das Verhältnis auch an den allgemein bildenden Gymnasien im Vergleich zu den beruflichen Gymnasien in zehn Jahren lediglich um lächerliche 1,5 % verbessert, und selbst das nur deshalb – das sage ich Ihnen –, weil die Klassen bis zur Obergrenze aufgefüllt wurden und durch Substitution und Kapazitätsumschichtung zwischen den Fachrichtungen die Deckelung aufrechterhalten wurde.

Analysen der OECD mit der Aufforderung nach einer Erhöhung des Anteils Jugendlicher mit Hochschulabschlüssen und unsere immerwährende Forderung nach Ausbau der beruflichen Gymnasien scheitern wie immer an der bornierten Ideologie der Ministerin und ihrer Beamten.

(Beifall bei der SPD – Lachen der Ministerin Dr. Annette Schavan)

Dazu liefere ich Ihnen einmal den Originalton des Kultusministeriums.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen!)

Ich zitiere aus der Stellungnahme der Landesregierung zum Antrag Drucksache 13/333:

Im Übrigen erfolgt die Einrichtung vollzeitschulischer Bildungsgänge weiterhin grundsätzlich ressourcenneutral im Wege der Substitution mit anderen Vollzeitangeboten bzw. im Rahmen der zur Verfügung stehenden Gesamtressourcen für die beruflichen Schulen.

So die Ministerin wörtlich.

(Abg. Drexler SPD: Das ist ja unglaublich!)

Diese eigenen Versäumnisse und die, wie zu erwarten, schlechte Unterrichtsversorgung an beruflichen Schulen nun, wie Sie es versuchen, allein den negativen Auswirkungen der schlechten Konjunktur und der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung anzulasten,

(Abg. Blenke CDU: Das ist die Ursache! – Gegen- ruf des Abg. Drexler SPD: Wie immer! Ausflüch- te!)

das klingt zwar nicht neu, aber eben auch ziemlich banal und enthebt die Landesregierung natürlich nicht ihrer eigenen Verantwortung.

(Beifall bei der SPD – Abg. Drexler SPD: Wie im- mer! Das ist wie bei der Verwaltungsreform! Da ist es der Herr Teufel! Hier ist es die Frau Schavan! Immer billige Ausreden!)