Protokoll der Sitzung vom 17.07.2003

Ich fasse zusammen: Es ist Aufgabe der Wirtschaft, dieses Problem mit ihrem Sachverstand anzugehen und zu lösen, und nicht Aufgabe der Landesregierung.

Zum nächsten Punkt, den Verkehrsproblemen. Ich frage Sie: Was soll auf den Fildern noch hinzukommen? Die B 27 soll dreispurig werden, die A 8 soll achtspurig werden, die Gäubahn mitten durch die Stadt Leinfelden-Echterdingen soll von 200 Zügen täglich befahren werden, davon 20 nachts. Ihr toller Tunnel, Herr Kollege Noll, kommt wegen Mangels an Geld ja nicht.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das hat nichts mit der Messe zu tun!)

Das ist ja die größte Luftnummer gewesen. Gelder, die das Land Baden-Württemberg in zwei Jahren vom Bund für den gesamten Schienenverkehr erhält, wollen Sie in Ihrem Wahlkreis verbraten, um wieder gewählt zu werden. Das ist doch wirklich lächerlich gewesen.

(Beifall bei den Grünen)

Der Nachtflugverkehr hat zugenommen. Es sollen eine ICETrasse und ein neuer Flughafenbahnhof gebaut werden. Ich frage Sie, insbesondere meine Kollegen aus dem Wahlkreis, wie die Menschen dort noch leben sollen, wie dort noch irgendeine Lebensqualität möglich sein soll, wenn schon heute die Verkehrsprobleme nicht lösbar sind. Sie werden auch durch den Umbau des Echterdinger Eis nicht gelöst werden. Das Echterdinger Ei kann den Verkehr nicht verringern.

Wenn die Prognose der Flughafengesellschaft, wonach sich der Flugverkehr bis zum Jahre 2015 verdoppeln wird, zutrifft, frage ich Sie: Wenn jetzt dort oben verkehrsmäßig schon alles zu ist, wie wollen Sie das mit einer neuen Fil

dermesse, die täglich von bis zu 20 000 Leuten besucht wird, verkehrsmäßig darstellen?

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Aber nicht jeden Tag!)

Das ist völlig unmöglich. Das gibt dort eine Katastrophe. Allein das ist schon ein Grund, aus dem man die Messe dort nicht bauen kann.

(Beifall bei den Grünen)

Schließlich zur Ökologie. Bekanntlich nimmt der Flächenverbrauch immer noch zu. Wir sind jetzt bei 12 Hektar, und die Prognose lautet, wenn man so weitermacht wie Sie, gemäß Statistischem Landesamt bis zum Jahre 2015 16 Hektar pro Jahr.

(Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Pro Tag!)

Das kommt daher, weil man so tut, als hätte man hier frei verfügbares Land und könnte bauen, wo man will. Es gab Alternativen. Sie wurden von Ihnen verworfen. Anderenfalls hätten Sie die Probleme nicht gehabt. Aber Sie bauen immer weiter auf dem besten Filderboden. Wenn das geschieht, ist der Dammbruch endgültig. Die Ausgleichsflächen, von denen Sie reden, haben Sie überhaupt nicht. Sie stehen dort auch nicht zur Verfügung, und sie waren schon beim Flughafenausbau überhaupt nicht darstellbar. Also auch aus ökologischen Gründen ist dieses Projekt ganz entschieden abzulehnen.

Deswegen fordere ich nochmals alle auf, Vernunft walten zu lassen, aus Gründen der Finanzen, der Ökologie und des Verkehrs – das sind die drei wichtigsten Problemkomplexe – nicht weiter daran zu arbeiten, einen wichtigen Teil unserer Heimat zu ruinieren.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Birk.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich denke, wir haben mit der Regierungserklärung zur Messe heute genau den richtigen Zeitpunkt für diese Debatte gewählt, Herr Kretschmann. Es könnte keinen besseren Zeitpunkt geben, und zwar erstens nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts und zweitens, um heute nochmals von dieser Stelle aus – der Wirtschaftsminister hat es bereits getan – ein Angebot nicht nur an die Gemeinde Leinfelden-Echterdingen zu machen, sondern auch an die Bürgerinnen und Bürger sowie an die betroffenen Grundeigentümer. Ich denke, diese Art der Dialogbereitschaft und der Verhandlungsbereitschaft ist das richtige Angebot, um weiterhin fair Kompromissbereitschaft zu zeigen. Insofern ist diese Debatte heute sehr wohl berechtigt.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Aber klar muss auch sein – das sage ich für die CDU-Landtagsfraktion –, dass wir weiterhin uneingeschränkt hinter dem Projekt der neuen Messe stehen und die Landesregierung im Realisierungsprozess zur neuen Messe weiterhin unterstützen werden.

Wir begrüßen es, dass die Lenkungsgruppe am 1. Juli dieses Jahres den Baubeschluss für die neue Messe gefasst hat. Wir hoffen, dass es zu einem baldigen Beginn der Bauarbeiten kommt.

Es geht darum, dass wir mit der Messe auf den Fildern ein Schaufenster für die Wirtschaft Baden-Württembergs bekommen. Wenn irgendwo eine Landesmesse ihre Berechtigung hat, dann doch in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der CDU)

Die weit überwiegende Zahl der Aussteller auf dem Killesberg kommt bislang aus Baden-Württemberg. Wir haben eine Warteliste von über 850 Ausstellern, die bislang aufgrund des begrenzten Flächenangebots auf dem Killesberg nicht berücksichtigt werden können. Allein schon deshalb brauchen wir die Messe auf den Fildern. Wir brauchen ein modernes Schaufenster, wir brauchen ein national und international konkurrenzfähiges Ausstellungsangebot in einem stark exportabhängigen Land wie Baden-Württemberg.

Herr Kollege Kretschmann, wir brauchen die Messe nicht nur virtuell, sondern wir brauchen sie real. Was ist der Vorteil einer solchen Messe? Derjenige, der als Kunde, als Besucher auf die Messe kommt, der besucht die entsprechenden Partner in der Regel nicht nur am Messestand, sondern eben auch in ihrem Unternehmen. Ich glaube, dass wir deshalb mit dem Messestandort auf den Fildern richtig liegen; dies haben ja auch aufwendige Standortsuchläufe ergeben. Es ist die Messe der kurzen Wege. Wo im Land, wo in der Bundesrepublik, wo in Europa hat man überhaupt die Bündelung der verschiedenen Verkehrsträger?

(Abg. Zeller SPD: In Friedrichshafen!)

Es wurde angesprochen: Straße, Schiene, Flughafen, Autobahn, Bundesstraßen, S-Bahn, ICE-Anschluss. All dies wird dazu beitragen, dass man eine Messe rasch erreicht und auch wieder schnell wegkommt. Ich denke, dies hat wirklich seine Berechtigung und ist ein entscheidender Wettbewerbsfaktor, ein Alleinstellungsmerkmal auch gegenüber den anderen Messestandorten in Deutschland, das uns eben weiterbringt und es uns ermöglicht, weitere Messen nach Baden-Württemberg zu holen.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch herzlich die Aufforderung an Rot-Grün richten, einen konstruktiven und positiven Beitrag zur raschen Realisierung des Projekts Stuttgart 21 zu leisten. Wir wissen ja, dass vor allem die Grünen auf Bundes- und Landesebene erhebliche Probleme mit diesem Thema haben. Wir sind der Überzeugung, dass dies der richtige Weg ist. Wir brauchen die Schnellbahntrasse, wir brauchen den Filderbahnhof, wir brauchen ein leistungsfähiges Hochgeschwindigkeitsnetz und eine entsprechende Anbindung der neuen Messe auf den Fildern. Deshalb leisten Sie bitte Ihrerseits Ihren Beitrag, damit dies erreicht werden kann!

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wir brauchen die neue Messe auf den Fildern aus einem weiteren Grund: Wir laufen Gefahr, als Messestandort ins Hintertreffen zu geraten – nicht gegenüber den bereits etablierten großen Standorten wie München, Frankfurt und

Düsseldorf, sondern gegenüber denen, die in derselben Größenklasse spielen wie wir. Leipzig und Nürnberg sind uns heiß auf den Fersen und setzen auf der Überholspur an.

Der Standort am Killesberg – auch dies wurde bereits gesagt – ist sehr begrenzt. Wir haben keinerlei Expansionsmöglichkeiten mehr. Mit 54 000 Quadratmetern ist dieser Standort heute zu klein, um internationalen und nationalen Ansprüchen zu genügen. Er ist im Übrigen auch verkehrsmäßig überhaupt nicht gut angebunden. Deshalb müssen wir uns von diesem Standort verabschieden. Wir haben dies getan. Wir haben den besten Standort für die Landesmesse gefunden. Dieser wird aus den bereits genannten Gründen eben auf den Fildern sein.

Ich denke, auch was den bisherigen Verfahrensablauf angeht: Der Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums, der nach einem umfangreichen Erörterungsverfahren zustande gekommen ist, sowie die Urteile des Verwaltungsgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts, die wir nachdrücklich begrüßen, haben gezeigt, dass die Landesregierung, der Landtag, die Projektgesellschaft Neue Messe sowie alle weiteren Beteiligten rechtlich nicht beanstandbar, handwerklich korrekt und auf der Grundlage einer sauber abgewogenen Entscheidung gearbeitet haben. Auch dies begrüßen wir außerordentlich. Man kann weder der Politik noch der neuen Messegesellschaft, noch den entsprechenden Verwaltungen einen Vorwurf machen. Sie haben formal richtig und sachlich korrekt gearbeitet. Man muss dies hervorheben. Ich sage das vor allem auch deshalb, weil Sie ja bereits bei der Verabschiedung des Landesmessegesetzes die Befürchtung geäußert haben, dass wir mit diesem Vorhaben scheitern werden. Wir sind aber nicht gescheitert. Wir sind hier auf einem guten Weg.

Wir haben auch die Kosten in den Griff bekommen. Ich gebe zu: Es hat einen Nachschlag gegeben. Wir stehen jetzt bei Kosten von 805 Millionen €. Dies muss aber auch wirklich die Obergrenze sein. Auf Bitten und Drängen der CDU-Fraktion und der FDP/DVP-Fraktion wurde ein Antrag für ein regelmäßiges Kostenmonitoring hier eingebracht. Die Landesregierung wird halbjährlich über die Entwicklung der Kosten berichten, sodass sowohl die Landesregierung als auch die Projektgesellschaft Neue Messe zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt entsprechend gegensteuern können.

Im Übrigen ist es erfreulich, wenn immerhin überhaupt ein Einsparbetrag zustande kommt. Minister Döring hat die 25 Millionen € angesprochen. Dieser Beitrag wird erbracht.

(Lachen des Abg. Schmiedel SPD)

Ich glaube nicht, dass man darüber hinaus noch weitere Einsparbeiträge ohne weiteres wird erbringen können. Immerhin ist es ein respektabler Beitrag.

Ich denke auch, dass wir erwarten können, dass alle beteiligten Partner – das Land, die Landeshauptstadt Stuttgart, der Verband Region Stuttgart, die Betreibergesellschaft Neue Messe, der Flughafen und auch die Wirtschaft – ihren Beitrag erbringen. Deshalb sage ich an dieser Stelle nochmals: Es ist eine Landesmesse, es ist eine Messe für die Wirtschaft. Deshalb fordern wir auch die Wirtschaft auf, sich daran zu beteiligen. Dies muss man natürlich mit

entsprechenden Angeboten unterlegen. Das heißt, man kann nicht nur erwarten, dass hier ein Sponsoringbeitrag geleistet wird, sondern man muss eine entsprechende Gegenleistung erbringen. Wenn es in Baden-Württemberg ein Schaufenster für die baden-württembergische Wirtschaft gibt, ein Aushängeschild national und international, dann ist es diese neue Landesmesse. Dann müssen sich eben die großen baden-württembergischen Firmen, die mittelständischen Firmen auch sichtbar daran beteiligen. Ich denke, dass die Landesregierung hier auch entsprechende Angebote unterbreiten wird.

(Abg. Blenke CDU: Sehr gut!)

Es geht jetzt auch darum, dass wir den Bauprozess rasch einleiten. Derzeit haben wir am Markt noch sehr attraktive Baupreise. Deshalb ist es auch richtig gewesen, den Baubeschluss jetzt zu fassen. Ich sage dies auch deshalb, weil wir Wert darauf gelegt haben – auch die CDU-Fraktion und die FDP/DVP-Fraktion –, dass es zu einer mittelstandsfreundlichen Ausschreibung der Gewerke kommt, damit sich auch Konsortien aus der mittelständischen Bauwirtschaft in Baden-Württemberg an den Aufträgen zum Bau der Landesmesse beteiligen können. Wir möchten nicht nur mit der neuen Messe, sondern auch mit dem Bau und dem Ausbau der neuen Messe auf den Fildern Wertschöpfung für die Wirtschaft Baden-Württembergs erreichen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Deshalb war es richtig, dass diese Messe an keinen Generalunternehmer oder Generalübernehmer gegeben wurde, sondern dass die Projektgesellschaft Neue Messe die entsprechenden Aufträge ausschreibt, vergibt und für die Realisierung und Umsetzung sorgt.

(Abg. Schmiedel SPD: Darauf seid ihr aber spät gekommen! – Gegenruf des Abg. Alfred Haas CDU: Das steht auch im Vertrag!)

Das ist der richtige Weg. Das war immer unser Weg, Herr Kollege Schmiedel. Diesen Weg werden wir auch weiterhin gehen. Wir werden diesen Weg allein schon deshalb gehen, damit es keinen Zweifel an der Rechtssicherheit der Beschlüsse geben wird. Denn eine Änderung der Trägerschaft dieses Vorhabens durch die Übertragung von der öffentlichen Hand auf einen Generalunternehmer würde dieses Projekt möglicherweise gefährden.

(Abg. Schmiedel SPD: Aber weshalb kommt ihr jetzt darauf, wenn es erledigt ist?)

Deshalb haben wir hier eindeutig und klar unsere Absicht festgelegt.

Wir fordern die Gegner der neuen Messe auf, ihre Position zu überdenken und die Chancen des Projekts zu erkennen.

Erstens: Es liegt ein wirklich überzeugender Entwurf für die neue Landesmesse vor. Sowohl architektonisch als auch von der Logistik her, als auch von der Gesamtrealisierung her bietet die neue Messe auf den Fildern eine neue Perspektive auf den Fildern. Es ist eine moderne Messe mit zeitgemäßer Technik. Sie ist entsprechend attraktiv konzipiert und passt sich hervorragend in die Filderlandschaft ein.

Im Übrigen ermöglicht die Nähe zur Messe den umliegenden Gemeinden auch, an dieser Wertschöpfung unmittelbar zu partizipieren. Es wurde bereits angesprochen: Im Dienstleistungs- und Servicebereich, für Gastronomie und Hotellerie, aber auch für andere Dienstleistungen, die für das Funktionieren einer Messe erforderlich sind, sehen wir Chancen für den Standort Leinfelden-Echterdingen und für die gesamten Filder.