Protokoll der Sitzung vom 17.07.2003

Insofern ist für irgendwelche Ängste überhaupt kein Raum.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erhält Herr Abg. Palmer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist ausgesprochen erfreulich, dass bei uns im Haus nicht nur Einigkeit über die Bedeutung des Wassers herrscht – das ist selbstverständlich –, sondern dass diese Einigkeit auch die Frage umfasst, ob Wasser ein Gut ist, das der Liberalisierung zugänglich gemacht werden soll. Wir sind uns über alle Fraktionen hinweg – das schicke ich vorweg; das gilt selbstverständlich auch für die Grünen – einig, dass es zu keiner Zwangsliberalisierung des Wassermarkts kommen darf. Ich finde, das ist ganz hervorragend.

Insoweit könnte man die Debatte an dieser Stelle auch beenden,

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Eine gute Idee!)

wenn es nicht so wäre, dass von anderer Seite Gefahr droht.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Nämlich?)

Insoweit ist es, denke ich, bedeutsam, dass wir uns hier sehr deutlich positionieren. Denn es gibt eben von zwei Seiten die Gefahr, dass es doch zu einer Zwangsliberalisierung kommt:

Das sind zum einen die schon erwähnten Verhandlungen der WTO, das GATS-Abkommen. Wenn die dort diskutierten Pläne jemals Realität werden sollten, dann hätte das nicht nur für uns die gerade genannten gravierenden negativen Folgen, sondern die eigentlich Betroffenen wären die Länder der Dritten Welt, deren Märkte und deren Wasserversorgung dann vollständig transnationalen, globalen Konzernen ausgeliefert wären und die in große Abhängigkeit geraten würden. Insofern ist es bedeutsam, dass wir nicht nur an uns selbst denken, sondern auch an die Entwicklungsländer, und dass wir hier eine Gegenmeinung formulieren.

Zum Zweiten droht eine Gefahr von der EU-Kommission. Denn der schon genannte Kommissar Bolkestein hat mehrfach deutlich gemacht, dass er einer Liberalisierung auch im Wassermarkt das Wort redet. Es besteht nur insoweit Anlass zur Hoffnung, als im gerade veröffentlichten Grünbuch der EU-Kommission davon nicht mehr die Rede ist. Allerdings ist dort auch nicht das Gegenteil festgehalten, sodass es sehr wohl sein kann, dass in der weiteren Diskussion – auf ein Grünbuch folgt bekanntlich ein Weißbuch – auch hier noch negative Veränderungen stattfinden.

Deswegen müssen wir sowohl in Richtung WTO als auch in Richtung EU-Kommission deutlich signalisieren, dass dieser Eingriff in die Daseinsvorsorge von uns nicht akzeptiert werden kann.

Außerdem, meine Damen und Herren, gibt es trotz der Einigkeit einige unerfüllte landespolitische Aufgaben, auf die ich an dieser Stelle hinweisen möchte.

Da ist zum einen alles, was die Bodensee-Wasserversorgung betrifft, die im Moment unser Schutz vor Zuständen ist, wie sie derzeit in Italien herrschen. Dort droht eine Dürrekatastrophe, und es werden erhebliche Versorgungsengpässe beobachtet. Diese Bodensee-Wasserversorgung ist aber auch eine Gefahr, nämlich insoweit, als sie uns leichtsinnig machen kann, als kleine Brunnen geschlossen werden, als kein ausreichender Anreiz zur Sparsamkeit besteht. Verschwendung durch Überfluss ist eine Gefahr, der wir uns stellen müssen.

Gefahr besteht auch durch die extreme Abhängigkeit von der Entnahmestelle bei Sipplingen. Eine zentrale Versorgung ist leichter zu gefährden als eine dezentrale Versorgung. Vor zwei Jahren wurde bereits darüber diskutiert, was im Falle eines terroristischen Anschlags zu befürchten ist. Aber was wäre denn gewesen, wenn das Flugzeug vor einem Jahr nicht bei Überlingen auf Land, sondern bei Sipplingen in den See gestürzt wäre? Auch das hätte natürlich unsere Wasserversorgung beeinträchtigen können.

Wir müssen hier also sehr achtsam sein und dürfen uns nicht in der jetzigen Situation ausruhen, die durch die große Süßwassermenge im Bodensee geprägt ist.

Vor allem aber, meine Damen und Herren, ist uns bei der ganzen Diskussion eines entgangen, nämlich das CrossBorder-Leasing. Wenn es so ist, wie wir gerade einheitlich festgestellt haben, dass die Daseinsvorsorge gerade beim Thema Wasser so bedeutsam ist, dass die Gemeinden hier die Hoheit behalten müssen, dann sollten wir auch – so, wie unsere Fraktion es mit einem Antrag im Landtag begehrt – möglichst schnell der Entwicklung ein Ende bereiten, die dahin geht, dass die Kommunen das Eigentum an ihren Wasserversorgungssystemen und ihren Wasserentsorgungssystemen irgendwie in die USA veräußern und dann zu sehr unsicheren Konditionen nachher wieder zurückleasen. Denn wer ist in der Lage, 1 500 Seiten starke Verträge zu lesen? Ich glaube, hier besteht Regelungsbedarf, dem wir uns stellen müssen.

Schließlich und endlich schlagen wir vor, was die kleinen Brunnen betrifft, deren Erhalt wir für außerordentlich wichtig halten, darüber nachzudenken, ob die außerordentlich komplizierten Regelungen der SchALVO durch ein System von Direktzahlungen ersetzt werden können, in dem die Wasserversorger und die Wasserversorgungsgruppen vertragliche Vereinbarungen mit den Landwirten schließen, die im Gegensatz zur jetzigen SchALVO auch effektiv eine Absenkung der Nitratbelastung erreichen.

(Abg. Kiefl CDU: Wie denn?)

Denn leider haben wir trotz hoher Zahlungen, die im Moment geleistet werden, nach wie vor erhebliche Nitratbelastungen auch im Einzugsbereich der kleinen Brunnen.

Das, meine Damen und Herren, sind unsere Vorschläge und Anregungen. Die große Einigkeit im Haus lässt hoffen, dass wir bei diesem Thema gemeinsam vorankommen werden.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch und Hillebrand CDU)

Das Wort erhält Herr Minister Müller.

(Abg. Kiefl CDU: Uli, machs kurz!)

Frau Präsidentin, ich verstehe die Debatte als eine Strukturdebatte, also nicht als eine wasserpolitische Debatte. Es geht um die Wasserwirtschaft, also um die ordnungspolitischen Fragen. Ich freue mich natürlich über die große Übereinstimmung, die es hier im Hause gibt. Man kann vonseiten unseres Hauses und vonseiten der Landesregierung nahezu alles unterschreiben, was hier in der Debatte gesagt worden ist.

Man sollte aber schon nicht unterschätzen, dass es eine grundlegende Auseinandersetzung in der Europäischen Union – der Herr Ministerpräsident hat ja gestern darauf verwiesen – zwischen dem Wettbewerbsrecht auf der einen Seite und, in unseren Worten ausgedrückt, der Daseinsvorsorge auf der anderen Seite gibt. Aber wir haben in der Bundesrepublik eine klare übereinstimmende Meinung,

dass es Bereiche geben muss, die wegen ihrer Zugehörigkeit zur Daseinsvorsorge eben nicht dem Wettbewerb unterzogen werden können und nicht unterzogen werden sollen. Dazu gehört ausdrücklich das Wasser.

Die Europäische Union hat hierzu eine Reihe von verschiedenen Unterlagen auf den Tisch bekommen und wird sich in den nächsten Monaten mit dieser Grundsatzauseinandersetzung zu befassen haben.

In Deutschland selbst – ob das die kommunalen Spitzenverbände sind oder die IMK oder die UMK, also die Innenministerkonferenz oder die Umweltministerkonferenz; bei der Wirtschaftsministerkonferenz gibt es ein paar differenzierende Töne – gibt es ein klares Votum. Das schließt nicht aus, dass man die wasserwirtschaftlichen Angelegenheiten in ihrer Abwicklung privatwirtschaftlich regelt. Das haben wir bei uns im Wassergesetz schon seit Jahren so vorgesehen. Wenn eine Kommune Gebrauch davon machen will, dann soll sie es tun. Aber die Verantwortung dafür muss in öffentlicher Regie bleiben, und dies im Prinzip aus drei Gründen.

Der erste Grund ist ganz einfach die Frage: Gibt es eigentlich einen Grund dafür, dass wir etwas ändern müssten? Das Ding ist eigentlich verdammt gut. Wenn es keine Notwendigkeit und keinen Notstand gibt und wenn sich das Wasserangebot, die Trinkwasserqualität, die Trinkwassermenge und auch die Abwasserentsorgung in der Relation zwischen Preis und Leistung in Deutschland mit jedem anderen Land in Europa und darüber hinaus messen lassen können, warum sollen wir dann eigentlich etwas daran ändern? Diese Frage darf man ja ganz simpel stellen.

Zweitens: Wir können Wasser nicht ohne weiteres hin- und hertransportieren. Es ist immer ein natürliches Monopol. Das muss man berücksichtigen.

Drittens geht es hier um – wie soll man sagen? – ein mögliches Dilemma zwischen Kurzfristigkeit und Langfristigkeit. Das ganze Kanalsystem ist etwas, bei dem man seine Hausaufgaben unter Umständen im Interesse kurzfristiger Optimierungen verletzen kann. Das heißt, man kann es unterlassen, Kanäle zu sanieren oder in Kläranlagen zu investieren. Deswegen ist eine längerfristige oder eine ganz langfristige Betrachtung der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung eine Aufgabe, die eigentlich am ehesten in einer öffentlich-rechtlichen Regie ablaufen kann.

Wir vonseiten des Ministeriums haben die Probleme der Wasserwirtschaft schon vor einigen Jahren gesehen. Das war schon in der Mitte der letzten Legislaturperiode. Wir haben deshalb mit allen Beteiligten eine Arbeitsgruppe gebildet und haben einen Konsens erzielt. Wir haben das auch in einer entsprechenden Broschüre zum Ausdruck gebracht. Das war auch die Basis für die Beantwortung des Antrags der Fraktion der SPD. Das heißt, wir haben hier im Land einen weitgehenden Konsens erreicht.

Ich will aber nicht verschweigen, dass es hinsichtlich der großen Zahl von Wasserversorgungsunternehmen im Verhältnis zu den wirtschaftlichen Notwendigkeiten schon Strukturprobleme gibt. Wir haben mehr Wasserversorgungsunternehmen als Gemeinden. Ob das auf Dauer der wahre Jakob ist, das kann man schon bestreiten. Also ich

(Minister Müller)

würde sehr dafür plädieren, zu einer gewissen Konzentration, zu einer Hilfe zwischen den Großen und den Kleinen, zu einem Know-how-Transfer, zu einer Qualitätssicherung, zu einer Kostenreduzierung durch entsprechende Kooperation innerhalb der heutigen Strukturen beizutragen. Dass wir solche Miniunternehmen haben, kann entweder ins Geld gehen, oder es wird irgendwann an der Qualität gespart. Deswegen ist eine solche Kooperation sicherlich der richtige Weg.

(Zuruf von der FDP/DVP: Subsidiär!)

Subsidiär, so ist es!

Wir haben bei dieser Gelegenheit übrigens ein hübsches Problem identifiziert, von dem ich nicht weiß, wie wir es lösen können. Was würden wir, wenn wir wirklich zu einer echten Privatisierung kämen, mit den Zuschussmitteln machen? Wir geben ja unglaublich viel öffentliche Zuschüsse für die Wasserversorgung und die Abwasserentsorgung. Würden wir diese Zuschüsse künftig privaten Unternehmen geben? Und was ist mit den Zuschüssen, die wir in den letzten Jahren schon gegeben haben? Das sind ja Anlagen, die erst in 20, 30, 40 Jahren abgeschrieben werden. Eigentlich müssten wir unsere Zuschüsse zurückverlangen. Wenn wir die Zuschüsse zurückverlangen würden, würden wahrscheinlich die Gebühren entsprechend steigen.

Auch aus diesem Grund glaube ich: Es spricht alles dafür, bei der bisherigen Struktur zu bleiben, und ich freue mich über den Konsens in diesem Haus in dieser Frage.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Ab- geordneten der SPD und der Grünen)

Meine Damen und Herren! Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Sie sind damit einverstanden, dass der Antrag nach der Aussprache erledigt ist? – Es erhebt sich kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.

Punkt 9 der Tagesordnung ist damit abgeschlossen.

Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Umwelt und Verkehr – Hochwasserschutz in Baden-Württemberg – Drucksache 13/1316

Das Präsidium hat folgende Redezeiten vorgesehen: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion bei gestaffelter Redezeit.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kaufmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir bleiben beim Thema Wasser. Es macht allerdings einen erheblichen Unterschied, ob wir vom Trinkwasser oder vom Hochwasser sprechen. Dieser Tagesordnungspunkt ist heute einer der letzten,

(Abg. Fischer SPD: Nicht einer der letzten, es ist der letzte!)

und ich hoffe nicht, dass dies ein Indiz für die Priorität dieses Themas in diesem Hause ist.