Protokoll der Sitzung vom 27.11.2003

Privatbanken gehen dazu über, von heute auf morgen, Knall auf Fall, Kreditlinien von Unternehmen zurückzufahren. Das schränkt deren Liquidität auf einen Schlag ein und bringt sie an den Rand der Zahlungsunfähigkeit. Vielfach sind in der Vergangenheit dann Kreissparkassen, wenn sie engagiert waren, eingesprungen und haben das aufgefangen. Aber auch deren Möglichkeiten sind endlich. Deshalb bräuchten wir für solche konkreten Fälle auch Angebote der L-Bank, den Kreissparkassen zur Seite zu stehen, damit sie in diesem Punkt handlungsfähig werden.

Ein zweites Problem, das die Zahlungsfähigkeit vieler Unternehmen akut gefährdet, ist das Ausbleiben von Zahlungen. Viele Kunden zahlen einfach nicht. Die Bundesregierung hat auf diesem Gebiet einiges getan und bringt wieder Neues auf den Weg, aber häufig – übrigens auch in der Beziehung zwischen Handwerkern und Kommunen – werden diese Folterinstrumente deshalb nicht angewandt, weil man Angst hat, das Verhältnis zu beschädigen.

Für größere Unternehmen gibt es ja schon derzeit Angebote, sich durch einen Forderungsverkauf beispielsweise an die LBBW aktuell Liquidität zu beschaffen. Aber das Angebot der LBBW richtet sich eben nur an größere Unternehmen. Deshalb wäre auch ein Einsatz der L-Bank zusammen mit den Sparkassen denkbar, um den kleineren Unternehmen ihre Forderungen abzunehmen und ihnen dadurch Liquidität zu verschaffen.

Ein dritter Punkt: Herr Hofer, Sie haben das relativ unbürokratische Finanzierungsinstrument bei den Kleinexistenzen angesprochen. Ich glaube, wir sollten – wenn das Geld knapp ist, muss man fragen, wohin man es gibt – wirklich prüfen, in welchem Umfang wir hier engagiert bleiben wollen. Denn ein ganz großer Teil dieser kleinen Existenzen hat nie die Absicht, das Unternehmen als Vollexistenz zu führen, sondern betreibt das nebenher. Man soll zwar niemanden, der arbeiten will, an der Arbeit hindern, aber ob man das dann auch noch öffentlich gefördert vorantreiben soll, ist die andere Frage. Wir wollen darüber jedenfalls noch einmal diskutieren.

(Abg. Hofer FDP/DVP: „Ich-AG“!)

Nein, nein. Ich meine nicht die „Ich-AG“, sondern einen Nebenerwerb: einen Architekten, der eine feste Anstellung hat, aber nebenher noch Aufträge abwickelt, oder einen Angestellten, der nebenher noch Versicherungen verkauft oder anderes.

Mein Vorschlag lautet, Herr Minister – Sie machen ja eine ganze Reihe von Veranstaltungen zu wichtigen Themen: Beschäftigung älterer Menschen, Förderung von Frauen –, dass Sie eine Veranstaltung machen und uns als Parlamentarier mit einbeziehen sowie die Kreissparkassen, die Volksbanken und die L-Bank einladen, um das zu diskutieren. Denn wenn wir vor Ort mit Kreissparkassen reden, erleben wir zweierlei Reaktionen. Es gibt welche, die sagen: „Wenn Sie zurück nach Stuttgart kommen, dann sagen Sie der L-Bank einen schönen Gruß. Wir arbeiten gut zusammen.“ Es gibt aber auch andere – das sind nicht wenige –, die sagen: „Sorgen Sie doch dafür, dass die L-Bank eine andere Politik macht. Wir bekommen nicht genügend Unterstützung. Wir würden gerne mehr machen, aber es gibt wirklich echte Probleme.“ Wir wollen dieses Gespräch führen, weil wir glauben: Hand in Hand L-Bank mit Sparkassen und Volksbanken zu stärken, das ist in dieser Phase eines der wichtigsten Felder der Mittelstandspolitik.

(Beifall bei der SPD – Abg. Capezzuto SPD: Das ist vernünftig!)

Das Wort erhält Herr Minister Dr. Döring.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit den Ausführungen des Herrn Kollegen Schmiedel beginnen. Ich bin selbstverständlich dazu bereit, Vorschläge, die hier eingebracht werden, konkret zu prüfen und darüber zu diskutieren. Ich schlage Ihnen vor, Ihre Anregungen zunächst einmal hausintern und dann mit der L-Bank zu diskutieren und uns dann zusammenzusetzen und zu sehen, was wir aus diesen Bereichen mitnehmen können, um deutlich zu machen, was davon aufgegriffen werden muss und weiterverfolgt werden kann.

Ich teile die Meinung, die von verschiedenen Seiten geäußert worden ist, dass wir seit geraumer Zeit, vor allem bei Sparkassen und Volksbanken, erfreulicherweise feststellen, dass sie sich im Bereich der Mittelstandsfinanzierung und im Bereich der Existenzgründungsfinanzierung außerordentlich stark engagieren, im Bereich der Existenzgründungsfinanzierung mit mittlerweile über 50 %. Dass wir dies aber nicht auf Dauer machen können, zeigt das, was Sie angesprochen haben, was Ihnen gestern mitgeteilt worden ist: Die Wachstumsraten sind in diesem Bereich so hoch, dass in wenigen Jahren die Kapazitäten und Möglichkeiten ausgeschöpft sein werden.

Ich halte es für notwendig, zusammen mit dem Bund gemeinsame Initiativen zu überlegen, um der mangelnden Zahlungsmoral entgegenzuwirken. Die mangelnde Zahlungsmoral ist mittlerweile in einer Vielzahl von Fällen der Grund für die Insolvenz. Ausstehende Rechnungen, die einfach nicht beglichen werden, führen unter dem Strich zum Ende von Betrieben. Es ist so ziemlich das Schlimmste, was einem passieren kann, wenn man eine Arbeit erbracht hat und diese nicht bezahlt wird.

Der Kollege Witzel hat in erfreulicher Klarheit darauf hingewiesen, dass wir nicht zulassen dürfen, dass alles auf Basel II zurückgeführt wird. Mittlerweile wird flächendeckend, wenn in irgendeiner Weise im Zusammenhang mit der Finanzierung ein Problem auftaucht, Basel II als Ursache genannt. Dass jetzt so gehandelt wird, als ob Basel II schon Realität sei, ist nicht in Ordnung. Es kommt ja erst in einigen Jahren. Es sind ja noch einige Bereiche zu konkretisieren, wie es unter dem Strich genau aussieht.

(Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Außerdem finde ich es wichtig – ich glaube, dass das die anderen Kollegen und Kolleginnen genauso sehen –, dass Sie sich im Kern zu Basel II bekennen.

(Abg. Dr. Birk CDU: Ja!)

Ich halte es für falsch, wie man es an verschiedenen Stellen in der Diskussion erlebt, zu sagen, man müsse bei Basel II dies oder jenes abladen oder das sei der Untergang.

(Abg. Capezzuto SPD: Überhaupt nicht!)

Nein, im Kern ist Basel II absolut richtig. Es ist zwingend notwendig, in den Betrieben nachzuschauen, wie die betriebswirtschaftliche Situation eigentlich aussieht, wie man sich bezüglich der Finanzierung verhält, wie man sich um ein ordentliches Rating im Vorfeld kümmert.

(Abg. Capezzuto SPD: Das ist sogar ein Vorteil!)

Ich bin den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Wirtschaftsausschuss dafür dankbar, dass sie mit einer ganzen Reihe von Bundesratsinitiativen, unterstützt auch von anderen Ländern, dafür gesorgt haben, dass die ursprünglich massiven Giftzähne bei Basel II gezogen worden sind.

(Beifall der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Sie kennen die Debatte bezüglich internem und externem Rating, Laufzeiten von Krediten etc. Alles dies halte ich für wertvoll.

Herr Witzel hat einen weiteren Punkt angesprochen, mehr in einem Nebensatz, aber ich halte ihn für wichtig genug, um ihn aufzugreifen. Sie haben, wenn ich es richtig mitbekommen habe, zu verstehen gegeben, dass die Gebühren bei der L-Bank durchaus hinterfragt werden sollen. Ich biete dem Wirtschaftsausschuss ausdrücklich an, dieses Thema in einer der nächsten Sitzungen aufzugreifen und die L-Bank dies darstellen zu lassen. Es ist doch völlig klar, dass es zunächst enormen Widerstand hervorruft, wenn die Schlagzeile lautet, 40 % des Förderprogramms gingen für Gebühren drauf. Da darf man nicht sagen: „Das ist halt so“, sondern dann muss man sich das genau anschauen. Wir werden Ihnen dies zusammen mit der L-Bank detailliert darlegen. Ich bitte aber um Verständnis, dass wir bezüglich der Bewertung der Vorwürfe, die ergangen sind, ein bisschen Zeit brauchen. Ich weiß nicht auswendig, ob im Dezember eine Sitzung des Wirtschaftsausschusses ist.

(Abg. Capezzuto SPD: Nächsten Mittwoch!)

Wenn im Dezember eine Sitzung stattfindet und es Sie drängt, das Thema dort zu behandeln, dann machen wir das im Dezember.

(Minister Dr. Döring)

Ich bin dringend daran interessiert, dass die Vorwürfe, die erhoben worden sind – Herr Witzel, Sie haben sie jetzt auch noch im Plenum angesprochen –, im Ausschuss aufgegriffen und geklärt werden.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Moser?

Herr Präsident, ja.

Bitte schön, Herr Moser.

Herr Minister, könnten Sie bitte dafür sorgen, dass wir das gemeinsam mit dem Finanzausschuss regeln, da das Thema ja auch dort im Zusammenhang mit der Denkschrift des Rechnungshofs zur Sprache gekommen ist?

Selbstverständlich.

(Abg. Moser SPD: Gut, danke!)

Ich bedanke mich für Ihren Hinweis.

Von den jeweiligen Rednern ist – auch in erfreulicher Klarheit – das Thema L-Bank angesprochen worden. Meine Damen und Herren, ich glaube, dass wir alle Grund dazu haben, deutlich zu machen und dankbar dafür zu sein, dass die L-Bank in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen hat, um den Problembereichen, die Sie heute zu Recht angesprochen haben, entgegenzutreten und sie auch aufzugreifen.

Für den Bereich der Kleinexistenzgründungen bietet die L-Bank im Rahmen der „Starthilfe Baden-Württemberg“ bereits seit 1999 eine Förderung aus einer Hand. Seit Dezember 2000 bietet die L-Bank durch die Zusammenfassung der Existenzgründungsprogramme des Landes und des Bundes – es hat eine Weile gedauert, bis man die Programme zusammenführen konnte – in der gemeinsamen Initiative „Gründungs- und Wachstumsfinanzierung Baden-Württemberg“, GuW, für den Bereich der Existenzgründer und -festiger und der Betriebsübernahme eine Bündelung des Zugangs zu Förderdarlehen in Baden-Württemberg.

Ab Januar 2004 wird unter konsequenter Ausrichtung auf kleine und mittlere Unternehmen die gesamte Palette von mittelständischen Vorhaben über die GuW gefördert. Das Land verbilligt die ohnehin schon günstigen Darlehen der KfW-Mittelstandsbank zusätzlich. Wenn die L-Bank Darlehen bis herunter auf 3,55 % anbietet, dann meine ich, dass darin auch ein schwäbischer Handwerksmeister eine handfeste Finanzierungshilfe erblicken kann – 3,55 %!

Ich halte die Anstrengungen – sowohl die Förderung aus einer Hand als auch eine weitere Vergünstigung der Darlehen – für eine herausragende Leistung der L-Bank. Wir sollten dafür dankbar sein und mit ihr weiter gut zusammenarbeiten.

(Beifall der Abg. Hofer und Kleinmann FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, wir haben ab Januar 2004 die Bürgschaftsbank noch stärker bei GuW-Krediten eingebunden. Speziell für diese GuW-Darlehen gibt es dann bis zu einem Kreditvolumen von maximal 2,5 Millionen € nur

noch Bürgschaften der Bürgschaftsbank zu einem vereinfachten Verfahren und zu verbilligten Konditionen. Verbürgt werden immerhin 40 % der Kreditsumme. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer – daran wird immer wieder Kritik geübt – für ein GuW-Darlehen beträgt nicht einmal zehn Kalendertage. Das ist rascher kaum zu leisten. Es gibt in diesem Bereich auch nur noch ein einheitliches Antragsformular – egal, ob man das Geld vom Bund oder vom Land erhält.

Ich will fünf Punkte anführen, um das noch einmal zu verdeutlichen.

Erstens: Wir haben den Bereich der klassischen Förderprogramme attraktiver gestaltet, indem die L-Bank den Hausbanken eine flexible, risikoorientierte Margengestaltung anbietet.

Zweitens: Die L-Bank bietet den Zentralinstituten und den privaten Banken jetzt auch globale Refinanzierungsdarlehen an.

Drittens: Für Kleinexistenzgründungen bis zu einem Finanzierungsbedarf von 100 000 € wurde der Finanzierungsanteil auf 100 % erhöht und mit einer obligatorischen 80-prozentigen – 80-prozentigen! – Risikoentlastung durch die Bürgschaftsbank gekoppelt.

Viertens: Wir haben im Sommer 2002 das Beteiligungsgarantieprogramm gestartet, um die häufig mangelnde Eigenkapitalausstattung der Unternehmen – eines der Hauptprobleme der kleinen und mittleren Betriebe – deutlich zu verbessern. Gegenwärtig werden Beteiligungen über insgesamt 10 Millionen € geprüft.

Fünftens: Wir haben im November 2002 – Herr Kollege Witzel, Sie wissen das – den L-EA-Mittelstandsfonds mit 125 Millionen € aufgelegt – 125 Millionen €!

Herr Schmiedel, Herr Capezzuto, Herr Dr. Witzel, gestatten Sie mir die Bitte, dass Sie in der heutigen „WirtschaftsWoche“ einen Blick auf einen Artikel zur KfW werfen. Ich zitiere daraus:

Haushaltslöcher stopft Bundesfinanzminister Hans Eichel am liebsten mit dem Geld der KfW. Der Frankfurter Staatsbank fehlen nun Milliarden für ihre Mittelstandsförderung.

In diesem Zusammenhang, meine ich, sollte man sich das genau anschauen, weil wir da blockiertes Kapital haben.