Protokoll der Sitzung vom 10.12.2003

in Anstand wieder aufzustehen. Wir beantragen Abstimmung über unseren Antrag.

(Beifall bei der SPD – Abg. Capezzuto SPD: Ab- schied vom Herrn Kollegen hat sie gemeint!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Haas.

(Abg. Alfred Haas CDU: Antragsteller!)

Frau Abg. Lösch, bitte schön, zur Begründung des Antrags Drucksache 13/2364.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die geplante Auflösung der Landeswohlfahrtsverbände stellt ein weiteres trauriges Kapitel der Teufel’schen Verwaltungsreform dar. Wie schon bei der Eingliederungshilfe bei den Forstämtern oder den anderen Sonderbehörden, deren Aufgaben zukünftig auf 44 – –

(Zurufe von der CDU und der FDP/DVP, u. a. Abg. Drautz FDP/DVP: Eingliederungshilfe?)

Wie schon bei der Eingliederung zum Beispiel der Forstämter oder anderer Sonderbehörden, deren Aufgaben zukünftig die 44 Stadt- und Landkreise wahrnehmen sollen, bringt auch diese Reform weder eine Verwaltungsvereinfachung noch effektivere Strukturen, sondern führt im Gegenteil zu einer Mehrbelastung der Kommunen und zu einer Verschlechterung der Lebenssituation behinderter Menschen.

(Beifall bei den Grünen)

Verschärft wird dieses Problem noch dadurch, dass wir die Neuorganisation der Landeswohlfahrtsverbände vor dem Hintergrund steigender Eingliederungshilfen diskutieren. Aus der ganzen Reformdebatte über die Weiterentwicklung

der Landeswohlfahrtsverbände kann man leider überhaupt nicht herauslesen, dass das geplante Eingliederungsmodell der Landesregierung inhaltliche oder fachliche Fragen auch nur im Ansatz beleuchtet hätte. Was wir vor uns haben, ist der Versuch der Landesregierung, den Haushalt auf dem Rücken der Kommunen und der betroffenen Menschen zu sanieren. Das ist wahrlich keine Reform, sondern ein Armutszeugnis politischen Handelns.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Die Kosten für die Eingliederungshilfen sind gestiegen und werden zukünftig jährlich um weitere 50 Millionen € steigen, aber nicht, weil die Standards bei den Behinderten zu hoch sind oder die Behinderten in Dreisterneeinrichtungen wohnen, sondern aufgrund der demographischen Entwicklung und des medizinischen Fortschritts. In den kommenden 10 bis 15 Jahren werden wir jährlich mehr als 1 400 Menschen neu ins Hilfesystem bekommen, was einen jährlichen Zusatzaufwand von ca. 50 Millionen € auslöst.

Wie geht die Landesregierung mit diesem Problem um? Stellt sich die Landesregierung dieser gesellschaftspolitischen Herausforderung und bietet eine gute Lösung an? Was die Landesregierung anbietet, ist eine sehr schlechte Lösung, weil die Verantwortung feige an die Kommunen delegiert wird,

(Abg. Schneider CDU: Die haben sie doch jetzt schon! Alles kommunal! – Gegenruf der Abg. Ur- sula Haußmann SPD: Oh Herr Landrat! – Weitere Zurufe)

von denen dann erwartet wird – so steht es in der Stellungnahme zu unserem Antrag, Kollege Schneider; vielleicht lesen Sie den einmal durch –, dass die ansteigenden Kosten bei den Eingliederungshilfen durch Einsparungen und wirtschaftlicheres Handeln ausgeglichen werden. Ich bezweifle, dass sich dieses Einsparpotenzial durch die Strukturreform bei den Landeswohlfahrtsverbänden ergibt. Das Eingliederungsmodell bedeutet die Auflösung der beiden Landeswohlfahrtsverbände und gleichzeitig die Eingliederung in die Stadt- und Landkreise sowie die Neuschaffung eines überörtlichen Trägers. Das ist das Eingliederungsmodell.

(Abg. Schneider CDU: „Konsensmodell“ heißt das!)

Das andere Modell wäre das Fusionierungsmodell gewesen, das heißt eine Fusion der beiden Landeswohlfahrtsverbände sowie eine Verschlankung. Diese Modelle sind überhaupt nie untersucht worden.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Genau das machen wir doch im Endeffekt!)

Da frage ich mich: Weshalb muss man ein Haus mit dem gesamten Fundament erst einmal komplett einreißen, um es hinterher wieder Stein für Stein aufzubauen? Weshalb hat man nicht das Fundament behalten und ein neues Haus mit weniger Stockwerken darauf errichtet? Das wäre eine viel effizientere und sinnvollere Möglichkeit gewesen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Schneider CDU: Das läuft doch jetzt schon alles darauf hinaus!)

Deshalb haben wir immer ein Wirtschaftlichkeitsgutachten gefordert, und zwar genauso, Kollege Noll, wie die FDP/ DVP ein Wirtschaftlichkeitsgutachten gefordert hat. Da frage ich mich schon, ob die FDP/DVP nach wie vor hinter dieser Forderung steht oder auch in diesem Bereich wieder eingeknickt ist.

Neben der Frage nach der Wirtschaftlichkeit stellt sich natürlich auch die Frage nach der Qualitätssicherung. Die Landesregierung geht davon aus, dass sich die Versorgungsqualität und die Versorgungssituation verbessern, weil eine bessere Verzahnung vor Ort möglich ist

(Abg. Kiefl CDU: Das läuft doch darauf hinaus!)

und die gemeindenahe Versorgung auf die örtlichen Belange abgestimmt werden kann. Hier ist ein ganz eklatanter Widerspruch zwischen Theorie und Praxis, besteht ein eklatanter Widerspruch zwischen Realität und Wunschvorstellung, und man merkt tatsächlich, dass diese Reform am Reißbrett entwickelt worden ist und für die Wirklichkeit nicht taugt. Ich kann Ihnen sagen, weshalb: Gerade beim Ausbau von dezentralen Angeboten bedarf es einer starken Vernetzung der Anbieterseite, und diese Vernetzung geht eben über die Stadt- und Landkreise hinaus. Wir wollen doch keine Kirchturmpolitik mehr haben, sondern wir brauchen ein landesweit abgestimmtes Vorgehen. Das heißt, dass wir landesweit gleiche Qualitätsstandards brauchen und gleiche Angebote haben müssen.

(Abg. Kiefl CDU: Das ist beim Kindergarten auch nicht anders!)

Wir brauchen einen neuen dynamischen Finanzausgleich zwischen den Kreisen, der diejenigen Landkreise, die schon jetzt eine gute Versorgungsqualität haben, nicht schlechter stellt. Nicht ohne Grund kommen die Warnungen hier vor allem aus dem Bereich Oberschwaben und dem Bodenseekreis.

(Abg. Kiefl CDU: Wir wissen schon, warum! – Zu- ruf des Abg. Schneider CDU – Gegenruf der Abg. Ursula Haußmann SPD: Können Sie mal Ihren Mund halten, Herrn Schneider!)

Vorher wurde schon zitiert, dass sich vor allem der Oberbürgermeister von Singen ebenso wie die CDU-Kreistagsfraktion von Ravensburg gegen die vorgesehene Auflösung der LWVs gewehrt haben. Da kann ich nur appellieren: Hören Sie auf Ihre CDU-Kollegen, machen Sie nicht den zweiten Schritt vor dem ersten. Das heißt, man kann die Zuständigkeiten für die Eingliederungshilfen nicht kommunalisieren, solange die Versorgungsstrukturen im Land noch so ungleich sind. Koppeln Sie die Reform der Landeswohlfahrtsverbände von der Verwaltungsreform ab, beteiligen Sie endlich die Betroffenen an der Diskussion,

(Abg. Kiefl CDU: Die sind dabei!)

um letztendlich eine Reform der Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderungen hinzukriegen, die nicht auf dem Rücken dieser Menschen ausgetragen wird.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Haas.

(Abg. Herrmann CDU: Jetzt aber!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie konnten eben erleben, wie Rot und Grün mit vernünftigen Reformen umgehen, sie im Ansatz zerreden und keine konstruktiven Beiträge dazu liefern, wie Reformen erfolgen können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Christi- ne Rudolf SPD: Sitzen Sie auf Ihren Ohren? – Abg. Zeller SPD: Ist der Landkreis Ravensburg rot- grün? – Abg. Ursula Haußmann SPD: Ist der Kreis- tag von Ravensburg rot-grün?)

Sehr geehrte Damen und Herren, als Erstes will ich einmal festhalten, dass hier nichts zerschlagen wird. Wir orientieren uns bei der Reform schlicht und einfach an den Aufgaben und am Gesetz, und das haben Sie völlig übersehen. Wir werden keine Gesetzesänderung vornehmen, sondern wir werden uns selbstverständlich an das Gesetz halten. Damit kann ich von vornherein sagen: Da wird nichts auf dem Rücken von Betroffenen oder sonst wem ausgetragen. Es geht hier um eine Organisationsreform und um sonst gar nichts.

(Abg. Christine Rudolf SPD: Warum machen Sie es dann?)

Meine Damen und Herren, die Landeswohlfahrtsverbände heißen zwar Landeswohlfahrtsverbände, aber es sind kommunale Wohlfahrtsverbände. Auch das ist Ihnen offensichtlich entgangen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Christi- ne Rudolf SPD: Das wissen wir schon!)

Deswegen sage ich ganz zu Anfang: Es wird für die Behinderten nichts schlechter werden, sondern ich bin sogar der festen Überzeugung, dass einiges besser werden wird. Ich werde das, wenn die Zeit reicht, auch noch begründen.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Das sehen wir aber ganz anders! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Das haben wir jetzt im Protokoll!)

Das kann selbstverständlich ins Protokoll kommen. – Es wird einiges besser werden; davon bin ich fest überzeugt.

Die Kommunen selbst und der Gemeindetag sind es ja gewesen, die im Rahmen der Diskussion um die Fusion – –

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Der Haas sagt: „Es wird alles besser“!)

Frau Haußmann, Sie haben sich mit diesem Thema nicht auseinander gesetzt; das ist völlig klar. – Der Gemeindetag selbst hat noch Ende 2002 die Fusion abgelehnt und die Eingliederung empfohlen. Es ist eine Aufgabe der Kommunen, und wir regeln hier per Gesetz nur die Organisationsveränderungen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Stimmt doch gar nicht! CDU-Lyrik! – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Herr Kollege Schneider hat den Zwischenruf schon gemacht: Es gibt ein Konsensmodell, das von den kommunalen Landesverbänden erarbeitet worden ist. Das setzen wir jetzt Stück für Stück per Gesetz um.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Wirtschaftlichkeits- prüfung!)

Auf die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen komme ich selbstverständlich noch zu sprechen.

Schlicht und einfach bin ich persönlich – ebenso wie die CDU-Fraktion – davon überzeugt, dass die ortsnahe Erledigung den Behinderten besser hilft als eine Erledigung fernab in irgendeinem Bürogebäude. Wir sind uns sicher, dass es zu einer bürgernahen und effizienten Umsetzung der Aufgaben kommen wird. An den Aufgaben ändert sich ja überhaupt nichts.