Protokoll der Sitzung vom 29.01.2004

(Zuruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Drittens: Nicht nur die Finanzprobleme der öffentlichen Haushalte, sondern auch eine andere, weltweite Entwicklung machen es notwendig, mehr Mitverantwortung der privaten Seite und der Wirtschaft einzufordern. Die Kunst und die Kultur sind erstrangige Standortfaktoren. Ansiedlungen finden dort statt, wo Kultur ist. Die Manager gehen dorthin, wo die Theater, die Orchester und die Kultur sind. Deswegen glaube ich, dass es nicht ungerecht ist, wenn ich einfordere, dass auch die Wirtschaft und die private Seite mehr einsteigen müssen. Das bedeutet auch,

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Dass wir ihr Luft dazu lassen!)

dass wir im Bereich der Kultur eine Struktur für Sponsoring und für Privatspenden einrichten müssen und dass wir von unserer Förderseite her Anreize geben müssen, um dieses Sponsoring herzuholen.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: So ist es! Genau!)

Wir müssen Anreize geben, indem wir sagen: Wir geben einen gewissen Anteil an öffentlichen Geldern, wenn es euch gelingt, private Gelder einzuholen.

(Abg. Heike Dederer GRÜNE: Das geht aber nicht, wenn man die durch Kürzungen einfach kaputt- macht!)

Dieses System, das wir bei der Kunststiftung haben, ist hochinteressant. Darüber müssen wir nachdenken.

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion stellt sich der Verantwortung, Kunst und Kultur auf bestem Niveau zu halten. Wir werden den Dialog mit den Künstlerinnen und Künstlern fortsetzen. Mit diesem Haushalt erreichen wir Verbesserungen. Der Verfassungsauftrag zur Kulturförderung ist bei der Landesregierung, bei Minister Frankenberg und Staatssekretär Sieber, in den besten Händen. Die Regierungsfraktionen arbeiten konstruktiv an diesem Ziel.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Utzt.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Da war einstens ein wissenschaftlich interessiertes Bäuerlein. Das wollte seine Kuh so weit bringen, dass sie ohne Nahrung auskommen könne. Das Bäuerlein hat das Experiment natürlich

langfristig angelegt und das Tier langsam an das Ziel herangeführt, und die Kuh konnte von immer weniger Nahrung leben. Als das Experiment fast geglückt war, ist das dumme Vieh doch einfach gestorben.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Unerhört!)

So geht die Landesregierung mit den kulturellen Einrichtungen dieses Landes um,

(Beifall bei der SPD)

indem sie sie dazu zwingt, mit immer weniger Mitteln auszukommen. Wenn die Kürzungen so beschlossen werden, wie die Regierung sie vorschlägt, besteht die große Gefahr, dass kulturelle Einrichtungen unseres Landes ihren Betrieb einstellen müssen und die jetzt noch reiche kulturelle Landschaft irreversibel beschädigt wird. In diesem Zusammenhang erhebt sich übrigens die Frage, ob damit nicht gegen Artikel 3 c unserer Landesverfassung verstoßen wird.

Die SPD-Fraktion hat beantragt, die globalen Einsparauflagen im Kunstbereich zurückzunehmen. Diesen Antrag stellen wir heute wieder und bitten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, ihm zuzustimmen. Es geht um Einrichtungen in Ihren Wahlkreisen, deren kulturelle Infrastruktur bei weiteren Einsparungen gefährdet ist.

Zum Beispiel das Theater der Stadt Aalen: Es ist das einzige Theater zwischen Stuttgart und Ulm und ein wichtiger Teil der kulturellen Grundversorgung der Ostalb. Mit großem Engagement wird dort Theater gemacht, werden innovative Projekte gestartet und wird Theaterpädagogik „at its best“ gemacht. Dieses Haus hat bereits Kürzungen der städtischen Zuschüsse verkraften müssen. Jetzt droht eine fünfprozentige Kürzung der Landeszuschüsse, und auch der Landkreis will 2 000 € weniger überweisen. Das alles sind eigentlich relativ kleine Beträge, die in der Summe aber für ein Haus mit einem Gesamtetat von ca. 1,2 Millionen € nicht mehr zu verkraften sind. Da ein Großteil der Mittel zur Deckung von Fixkosten benötigt wird – unter anderem Mieten für die Spielstätten –, sind Kürzungen beim Personal angesagt. Was ein Theater ohne Personal noch leisten kann, das kann sich jeder hier sicher vorstellen.

Zum Beispiel das Stuttgarter Kammerorchester: Für diese Einrichtung sind seit 1993 nicht nur die Zuschüsse des Landes nicht nennenswert gestiegen, sondern es wurden auch immer wieder geringfügige Kürzungen vorgenommen. Tariferhöhungen für die Musiker des Orchesters mussten durch Eigeneinnahmen aufgefangen werden. Die jetzt in Aussicht gestellten Kürzungen der Landesmittel liegen bei knapp 13 %. Theoretisch könnte man natürlich bei den Musikern sparen. Der Erfolg wäre dann allerdings ein sehr zweifelhafter. Ob der gute Ruf des Orchesters und die bisherige Höhe der Eigeneinnahmen dann noch bestehen bleiben, darf hinterfragt werden.

Zum Beispiel die philharmonischen Orchester: Bei diesen Einrichtungen besinnt man sich auf die Empfehlungen der Kulturstrukturkommission, die übrigens bei anderen Punkten gern vergessen werden, und besteht auf einer Einspielquote von 25 %, obwohl inzwischen jedem klar sein sollte, dass dies unmöglich ist.

Zum Beispiel das Nationaltheater Mannheim: Es steht bei einer fünfprozentigen Kürzung nach eigenem Bekunden vor dem Aus. In diesem Zusammenhang frage ich mich übrigens, ob die Kollegen Oettinger und Reichardt gegenüber dem „Mannheimer Morgen“ aus Unwissenheit erklärt haben, bei den Haushaltsberatungen habe keine Fraktion einen Antrag eingebracht, in dem gefordert werde, die Kürzung auszusetzen. Die SPD-Fraktion hat beantragt, die globale Minderausgabe, die bei den Stadttheatern – das Nationaltheater Mannheim ist ein Stadttheater – 5 % ausmacht, auszusetzen.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Da hat der CDU-Ab- geordnete im Finanzausschuss geschlafen!)

Ja. – Dem haben Sie nicht zugestimmt, und jetzt wollen Sie sich vor Ort als die großen Retter aufspielen.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Das ist typisch!)

Diese Beispiele stehen für die vielen Einrichtungen in Baden-Württemberg, die mehr für das Renommee des Landes leisten als eine zweifelhafte Imagewerbung.

(Beifall bei der SPD)

Bitte gestatten Sie mir, dass ich kurz erläutere, warum wir bei Kapitel 1492 heute anders abstimmen werden als im Finanzausschuss. Dort hatten wir Fragen zum Haus der Geschichte gestellt. Sowohl die dort gegebenen als auch die nachgereichten Antworten haben eher für Verwirrung als für Klarheit gesorgt. Deshalb werden wir uns heute bei der Abstimmung über dieses Kapitel der Stimme enthalten.

Der Haushaltsvorschlag der Regierung für die Kultur bedeutet für viele kulturelle Einrichtungen eine Exekution auf stillem Weg. Herr Dr. Vetter, Sie haben vorhin erklärt, die Einrichtungen seien durchaus mit den Kürzungen einverstanden. Ich fürchte, dass Sie damit eine Art Kannibalismus unter den Einrichtungen bewirken,

(Abg. Seimetz CDU: Oh! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Er ist der Oberkannibale!)

weil natürlich jeder versuchen wird, seine Einrichtung zu retten. Die Anträge der Regierungsfraktionen, unter anderem für die soziokulturellen Zentren und die freien Theater höhere Zuschüsse zu gewähren, sind begrüßenswert, aber letztlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Auch die Kürzungen um relativ kleine Beträge können etliche Institutionen nicht mehr verkraften. Denken Sie bitte an die gesamte Kulturlandschaft dieses Landes, und stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu. Kultur ist ein Gipfel, zu dem viele Schritte hinaufführen, aber schon ein einziger herunter. Das hat Johann Peter Hebel gesagt. Vermeiden wir diesen Schritt und schützen das, was in diesem Land schützenswert ist, nämlich unsere Kultur.

(Beifall bei der SPD)

Keine weiteren Wortmeldungen? – Frau Abg. Berroth, bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Grünen wollen jetzt also auch einen Solidarpakt mit den Kultureinrichtungen. Das klingt

gut. Ich sage Ihnen allerdings: Planungssicherheit wäre in vielen Bereichen nötig, vom Sozialen über die mittelständische Wirtschaft und den Sport bis hin zum Umweltbereich und zu Verkehrsinvestitionen. Alle diese Bereiche hätten gern Planungssicherheit. Das hätte auch den Vorteil, dass wir hier im Landtag gar nicht so oft tagen müssten; da könnte man Geld sparen.

(Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Das ist eine tolle Einstellung der FDP/DVP zum Parlament, was Sie gerade sagen!)

Das Riesenproblem ist nur, dass es der rot-grünen Bundesregierung bisher nicht gelungen ist, eine Politik zu machen, die uns auch eine solide, stabile Einnahme beschert. Die Höhe der Gelder, die wir hier zu verteilen haben, wird großenteils von der Bundespolitik beeinflusst. Deswegen muss man darauf hinweisen.

(Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Wieder diese Leier!)

Natürlich wäre es auch uns recht, wenn wir wenigstens die Haushaltsansätze der letzten Jahre beibehalten könnten. Ich gebe zu: Während der Haushaltsberatungen gibt es ab und zu Momente, in denen ich mir wünsche, zur Opposition zu gehören und dann frei von der Leber weg Gutes verteilen zu können.

(Abg. Fischer SPD: Das machen Sie aber vor Ort!)

Diese Phase hält allerdings immer nur sehr kurz an, denn schließlich ist mir das Mitgestalten in der Politik doch lieber.

Wir haben im Herbst des letzten Jahres in diesem Haus eine Debatte zur Kultur geführt, und schon dort haben wir versprochen – Herr Dr. Vetter und auch ich –, Hilfestellung zu leisten, wo es an das Existenzielle geht. Mein Dank geht jetzt insbesondere an unseren früheren Kollegen FriedrichWilhelm Kiel, der als Kulturbeauftragter unserer Fraktion in intensiven Gesprächen im Vorfeld mit den Betroffenen, aber auch innerhalb der Koalitionsfraktionen dafür gesorgt hat, dass es uns gelungen ist, für die soziokulturellen Zentren und für die Kleintheater die Kürzungen etwas zu entschärfen und für die freien Theater sogar eine Erhöhung des Haushaltsansatzes zu erreichen. Und mein Dank an Sie, Herr Kollege Vetter, stand auch schon vorher in meinem Redemanuskript. Deswegen soll er auch ausgesprochen werden. Es ist wirklich wichtig, dass wir gut zusammenarbeiten.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Kunst und Kultur sind nicht nur als persönlichkeitsbildende und gesellschaftstragende Werte wichtig, sondern sind auch ein Wirtschaftsfaktor. Nicht umsonst wurde am Montag dieser Woche beim Jahresempfang des Hotel- und Gaststättengewerbes der Stadt Stuttgart ganz bewusst Bezug darauf genommen, dass wir in Stuttgart eben nicht nur Musicals haben, sondern auch ein hervorragendes Staatstheater, eine tolle Staatsgalerie, ein Haus der Geschichte und ähnliche Kultureinrichtungen, die ebenso Tourismus anziehen. Kunst und Kultur schaffen Arbeitsplätze, nicht nur im eigenen Be

reich, sondern auch darum herum, und sie helfen, exzellente Mitarbeiter nach Baden-Württemberg zu holen. Deshalb gilt ein Zitat, das ich diese Woche gefunden habe:

Die Kunst in all ihrer Farbenfülle und ihrer Vielfalt ist die Blüte einer gesunden Gesellschaft.

Zitiert aus einem Buch von Cyril Northcote Parkinson, in dem er sich mit dem Steuermoloch und der Staatsbürokratie beschäftigt – wohlgemerkt schon im Jahre 1961. Er macht deutlich, dass Geld für Kunst und Kultur nicht unbedingt durch die Staatsumverteilungsmaschinerie laufen muss.

(Minister Dr. Christoph Palmer: Sehr gut!)

„Der Verfall der Kunst“ sei vielmehr – noch einmal ein Zitat – „ein letztes Symptom“ für diese – ich füge an – fatalen Auswirkungen falscher Steuerpolitik.