und hat dort einen hohen Rang als religiöses Zeugnis für Nächstenliebe, Toleranz und Wahrung der unantastbaren Menschenwürde.
Die Bewahrung jahrhundertealter Traditionen und einer historisch gewachsenen Identität ist für uns Sozialdemokraten selbstverständlich. Wir bekennen uns zum Auftrag unserer Landesverfassung, unsere Kinder auf der Grundlage christlicher und abendländischer Kulturwerte zu erziehen. Die an unseren Schulen gebotene staatliche Neutralität darf – anders als in einem laizistischen Staat – sehr wohl religiöse Äußerungen dulden, aber eben nur solche, die den im Grundgesetz festgelegten Menschenrechten nicht widersprechen.
Das Kreuz als Symbol des Christentums hat – zumindest heute – jede Bedeutung als politisches Zeichen verloren. Das haben meiner Meinung nach auch die Verfassungsrichter in ihrem Urteil berücksichtigt und die Einbeziehung christlicher Traditionen über ihre Symbole für zulässig erklärt.
Meine Damen und Herren, das mit knapper Mehrheit zustande gekommene Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist teilweise auf Unverständnis gestoßen. Für viele ist es nur schwer nachvollziehbar, warum die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter bei einer derart brisanten und komplexen Auseinandersetzung vor einer wirklichen Entscheidung zurückschreckten und damit letztendlich provozierten, dass es demnächst in 16 Bundesländern unterschiedliche Regelungen geben kann.
Die SPD-Landtagsfraktion hält die Vorstellung der Fraktion GRÜNE und ihres vorliegenden Gesetzentwurfs, die Entscheidung im Konfliktfall der Schule bzw. ihren Gremien aufzubürden, für falsch.
Zunächst soll nach diesem Gesetzentwurf die Bekundung eines religiösen, weltanschaulichen oder politischen Bekenntnisses allgemein erlaubt werden. Im Falle der Störung des Schulfriedens soll dann ein gestuftes Verfahren zur Konfliktlösung in Gang gesetzt werden, welches gegebenenfalls zu einem Verbot führen kann – Ihrer Meinung nach. Interessanterweise wird bei diesem Vorgang im Zenit des Verfahrens die Verantwortung bzw. der schwarze Peter dann an die Schulaufsichtsbehörde weitergereicht,
(Beifall des Abg. Wacker CDU – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Abg. Wacker CDU: So ist es! Das war ein guter Einwand!)
Aber selbst die Schulaufsichtsbehörde wäre im Entscheidungsfall gar nicht in der Lage, eine Zwangsmaßnahme durchzusetzen, weil ihr an dieser Stelle die Rechtsgrundlage dafür fehlen würde.
Es ist wohl unser Verdienst, dass wir in jahrelangen Bemühungen eine Stärkung der Eigenverantwortung der Schule bis zum heutigen Tag zumindest auf den Weg gebracht haben. Autonomie der Schule statt Gängelung durch Schulaufsichtsbehörden ist für uns Voraussetzung für jede erfolgreiche Arbeit an unseren Schulen. Doch der Vorschlag der Grünen ist an dieser Stelle kontraproduktiv und führt zu unlösbaren Konflikten vor Ort sowie zur Störung des Schulfriedens, wie uns auch aus Schulgremien vorausgesagt wurde.
Jährlich wechselnde Zusammensetzungen der Schul- und Klassenlehrerkonferenzen sowie eine unterschiedlich zusammengesetzte Elternschaft würden doch zu völlig unübersichtlichen und unterschiedlichen Verhältnissen in unmittelbarer Nachbarschaft von Schulen führen. Die Rechtssicherheit, die eine Schule auf dem Weg zu mehr Autonomie braucht, wäre nicht mehr gegeben. Das von Ihnen angestrebte Ziel der Verhältnismäßigkeit könnte im Chaos unterschiedlicher Detailregelungen zu einer Flut von juristischen Einsprüchen führen. Die Verantwortung nach unten durchzureichen und sich ihrer zu entziehen zeigt unserer Ansicht nach keine Stärke von Parlamentariern und dient nicht dem Wohlgefallen der dann damit zu „Beglückenden“.
Das Bundesverfassungsgericht hat uns als Gesetzgeber – ob wir nun darüber glücklich sind oder nicht – den Auftrag erteilt, ein klares politisches Votum abzugeben. Die Landesregierung trägt in erster Linie die Verantwortung dafür, dass der Gesetzestext auch einer Überprüfung auf seine Verfassungsmäßigkeit standhält. Wir hätten uns gewünscht, dass der dabei zu berücksichtigende Spielraum, den das Verfassungsgericht nun einmal offen gelassen hat, auch von der Frau Justizministerin in konstruktiver Weise behandelt worden wäre. Es ist leider umgekehrt der Fall gewesen.
Im Gegensatz zur FDP/DVP, deren schillerndes Bild dieser dem Parlament auferlegten großen Aufgabe bisher mehr geschadet als genützt hat, entziehen wir Sozialdemokraten uns nicht unserer klaren Verantwortung. Wir wissen, dass wir mit unserer Zustimmung
zum Gesetzentwurf der Landesregierung – auch in unseren eigenen Reihen – nicht nur Freunde finden. Aber aus unserer selbst auferlegten Gesamtverantwortung für das Schulwesen in Baden-Württemberg heraus haben wir uns so und nicht anders entschieden.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Diskussion, die wir heute führen, ist nicht neu; wir führten sie in diesem hohen Hause bereits 1997 und 1998. Auch damals ging es um die Frage, inwieweit die negative bzw. die positive Religionsfreiheit des berühmten Artikels 4 unseres Grundgesetzes entscheidend ist.
Wir haben auch damals abgewogen und gesagt: Nach der positiven Religionsfreiheit ist es möglich, a) zu denken und zu glauben, was man will, und b) wenn dies der Schrankenklausel des Grundgesetzes nicht widerspricht, dies auch bekunden und ausdrücken zu dürfen und c) sich mit solchen Menschen zusammenschließen zu können, die in gleicher Weise denken und glauben.
Umgekehrt besagt die negative Religionsfreiheit: Niemand darf zu irgendeinem Glauben gezwungen werden. Sie besagt auch: Niemand, der aus irgendeiner Religionsgemeinschaft oder Glaubensgemeinschaft herauswill, darf von Mitgliedern dieser Gemeinschaften daran gehindert werden; falls dies der Fall ist, muss der Staat ihm entsprechende Unterstützung zukommen lassen. Sie besagt außerdem letztens: Ein religiöses Symbol darf nicht dazu benutzt werden, in einer bestimmten Position wie zum Beispiel als Lehrer oder als Polizist für diese Religion zu werben, sondern es muss immer im Bereich des persönlichen Bekenntnisses sein.
Genauso haben wir 1997/98 hier an diesem Pult in diesem hohen Hause miteinander diskutiert und gesagt, es sei immer eine Gratwanderung. Wenn jemand ein religiöses Symbol trage – sei dies nun eine Kippa, ein Kopftuch oder ein Kreuz –, sei es entscheidend, ob er für die Sache werbe oder ob dies nur Ausdruck seines persönliches Bekenntnisses sei. Wir waren uns damals alle einig – die Frau Ministerin in gleicher Weise wie das ganze Haus, abgesehen von den Republikanern –, dass wir kein Gesetz wollen, sondern dass wir es immer auf eine Einzelfallentscheidung ankommen lassen wollen.
Nun aber hat das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung gefällt, die besagt: So geht das nicht. Kollege Kretschmann, wir können nun eben keine Regelung mehr treffen, nach der wir im Einzelfall entscheiden, wie wir das eigentlich alle begrüßt hätten, weil das Bundesverfassungsgericht inhaltlich festgelegt hat, dass man ein solches Verbot nur dann aussprechen kann, wenn dazu eine gesetzliche Grundlage vorhanden ist. Meine Damen und Herren, dass es eilt, wissen Sie. Die Entscheidung vor dem Bundesverwaltungsgericht steht im Sommer an. Bis dahin müssen wir in dieser Angelegenheit entschieden haben, muss das Gesetz in Kraft getreten sein; sonst wissen wir nicht genau, wie der Fall Ludin vor dem Bundesverwaltungsgericht ausgeht.
Es war also das Bundesverfassungsgericht, das uns als Landesgesetzgeber mehr oder weniger zwingt, ein solches Gesetz zu erlassen. Daher ist die Frage jetzt völlig obsolet, ob wir ein Gesetz machen sollen oder nicht. Die Frage ist jetzt:
Wie sieht der Inhalt aus? Die FDP/DVP sagt ganz klar, der Inhalt heißt: Wir sind hier für eine Vorgabe von Werten und einer Werteorientierung. Ich halte überhaupt nichts davon – und meine Fraktion mit mir –, dass wir die christlichen Werte in irgendeinem Sumpf verschiedenster Werte mit untergehen lassen. Umgekehrt macht es Sinn. Laizismus ist der falsche Weg. Eine Gesellschaft ohne Werte ist eine wertlose Gesellschaft. Wir sind eine Gesellschaft, die vom Abendland und von den christlichen Werten geprägt ist. Es wäre eine Sünde an unseren Kindern, wenn wir ihnen diese Werteorientierung nicht weitergäben.
Daher muss eine solche landesgesetzliche Regelung eine solche Vorgabe von Werten beinhalten. Symbole, die den Schulfrieden stören, sind abzulehnen. Symbole, die den Menschenrechten widersprechen, sind nicht zu akzeptieren. Die Schrankenklausel des Grundgesetzes gilt generell.
Herr Kollege Wintruff, die FDP/DVP spricht sich daher nicht für das Kopftuch aus, sondern steht hier eindeutig hinter der Gesetzesvorlage. Wir haben lediglich – sowohl die Frau Justizministerin als auch einige Kollegen meiner Fraktion – darauf hingewiesen, wie schwierig es ist, zwischen positiver Religionsfreiheit einerseits und negativer Religionsfreiheit andererseits zu unterscheiden. Das zu formulieren ist eigentlich eine Gratwanderung; da läuft man auf Messers Schneide. Da kann man in seiner Entscheidung auch völlig falsch liegen. Noch schwieriger wird es, das in einem Gesetz zu formulieren. Aber nachdem uns, wie gesagt, vom Bundesverfassungsgericht die Entscheidung aufgegeben ist, machen wir ein solches Gesetz.
Meine Damen und Herren, ich betone nochmals, der Landesgesetzgeber kommt mit der Novelle diesem Auftrag nach und beantwortet darüber hinausgehend die gesamte Frage äußerer Bekundungen von Lehrkräften an öffentlichen Schulen. Unter Abwägung der betroffenen Grundrechtspositionen von Schülerinnen und Schülern, von Eltern und Lehrkräften und des Erziehungsauftrags des Landes werden solche äußeren Bekundungen ausgeschlossen, soweit sie den Schulfrieden gefährden oder stören können, vor allem grundlegende Verfassungswerte missachten können.
Die Novelle konzentriert sich thematisch auf die vom gerichtlichen Verfahren erfasste Problematik der Bekundungen von Lehrkräften in der Schule. Sie enthält die notwendigen Regelungen für das Verhalten der Lehrkräfte sowie für die Ernennung von Lehramtsbewerberinnen und Lehramtsbewerbern. „In der Schule“ ist dabei nicht räumlich zu verstehen, sondern betrifft die Erfüllung der gesamten schulischen Aufgaben.
Meine Damen und Herren, zwei Dinge seien noch hinzugefügt. Laizismus ist in Frankreich nicht neu, sondern bereits 1907 durch die damalige Gesetzgebung in Kraft getreten. Laizismus lehnen wir kategorisch ab, weil wir meinen, dass er gar nicht streng durchzuhalten ist, wenn man bedenkt, dass die Bürgerinnen und Bürger des Staates auch die Mitglieder der Religionsgemeinschaften sind. Hier strikt und konsequent sich dem Neutralitätsprinzip verpflichtet zu füh
len und zu trennen, das geht im Grunde nicht. Deshalb haben wir in unserem Grundgesetz die so genannte hinkende Trennung. Wenn man das als zwei konzentrische Kreise betrachtet – einerseits die Religionsgemeinschaften, andererseits der Staat –, stößt man hier auf Schnittpunkte. Daher würden wir unseren Bürgerinnen und Bürgern keinen Gefallen tun, wenn wir hier einen strikten Laizismus verfolgten.
Herr Kollege Hofer wird nachher noch einiges zur verfassungsrechtlichen Umsetzung und Konformität des Gesetzes sagen. Abschließend bleibt, wie Kollege Wacker schon gesagt hat, abzuwarten, wie das Bundesverfassungsgericht auf unser Gesetz reagiert und ob es dort Bestand haben wird. Aber ich bin der festen Überzeugung: Wenn wir ein verfassungskonformes Gesetz zustande bringen – wie gesagt, Kollege Hofer wird noch darauf eingehen –, werden wir auf der guten Seite stehen.
Herr Kollege Kleinmann, können Sie mir sagen, warum es die Justizministerin nicht für richtig hält, an dieser Debatte teilzunehmen?