Protokoll der Sitzung vom 01.04.2004

Sie sehen sich deshalb auch genötigt, schon jetzt Aussagen zu weiteren Stufen einer Ökosteuererhöhung zu machen, weil eine Diskussion über die Steuerung bei privaten Haushalten und Verkehr genau die Folge sein wird.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Völlig falsch!)

Zum Schluss eine Bemerkung, die das Land angeht. In der öffentlichen Bewertung wird nicht die Umwelt, nicht die Wirtschaft im Allgemeinen, nicht Herr Trittin oder Herr Clement als der große Sieger dargestellt, sondern RWE durch den Einsatz von Minister Clement wegen eines landespolitischen Interesses in seinem eigenen Land.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: So ist es! – Zuruf des Abg. Schmiedel SPD)

Wenn RWE mit einem alten Kraftwerkspark und mit hohen CO2-Emissionen für einen ohnehin notwendigen Umbau des Kraftwerksparks aufgrund der Möglichkeit, Zertifikate verkaufen zu können, mit Geld belohnt wird, dann nehmen Sie eine völlige Fehlsteuerung des Geldes in Deutschland vor.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Caroli.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Spagat des Kollegen Palmer zwischen höchster Trübsal und Euphorie hat ihn wohl sichtlich selbst beunruhigt.

(Heiterkeit – Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

Ich möchte zu einer gewissen Beruhigung beitragen, indem ich jetzt nicht, wie er dies vorhin getan hat, Herrn Müller zitiere, sondern seinen eigenen Fraktionsvorsitzenden, Herrn Kretschmann. Der hat nämlich auf den Vorhalt, dass die Grünen den Eindruck erweckten, sie würden umweltpolitisch keine Offensiven mehr entwickeln, sondern nur noch müde Abwehrkämpfe führen, geantwortet, dass Erfolge erzielt worden seien. Er sagte weiter, jetzt sei man in den Mühen der Ebenen angelangt, und man müsse sehr viel stärker Ökologie mit Ökonomie verbinden.

(Abg. Schmiedel SPD: Sehr gut! Guter Mann! – Beifall des Abg. Schmiedel SPD – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das betrifft auch die Wind- kraft!)

Er hat darüber hinaus noch gesagt: „Ökologie ist nicht eine Spielwiese der Grünen, sie ist eine Menschheitsfrage.“ In der Tat!

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Bri- gitte Lösch GRÜNE: Guter Mann!)

Insofern: Konsultieren Sie Ihren Fraktionsvorsitzenden!

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Wo ist der Wider- spruch?)

Denn genau darum geht es hier: einen Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie beim Klimaschutz zu erreichen.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Kein Widerspruch! – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dem Emissionszertifikatehandel haben wir ein recht interessantes Instrument bekommen, nach dem Umweltschutz zum ersten Mal nicht ordnungspolitisch betrieben werden könnte, wenn es letztendlich funktioniert. Noch sind wir ja nicht so weit.

Wir begrüßen den noch rechtzeitig gefundenen Kompromiss und sehen im Gegensatz zu Herrn Palmer und den übrigen Skeptikern

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Warum „im Gegen- satz“?)

in ihm einen Fortschritt für den Klimaschutz, gleichzeitig aber auch ein positives Signal für die Industrie und insbesondere für die Energiewirtschaft.

(Beifall bei der SPD – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Warum „im Gegensatz“?)

Meine Damen und Herren, mit der Verminderung des CO2Ausstoßes um 17 Millionen Tonnen – das Reduktionsziel bleibt ja vollständig erhalten – bis zum Jahr 2012 ist ein akzeptabler Ausgleich zwischen der vom Emissionshandel betroffenen Industrie, den Privathaushalten und dem Verkehr gefunden worden. Wir sollten nicht vergessen, dass Deutschland seinen CO2-Ausstoß seit 1990 bereits um 140 Millionen Tonnen pro Jahr gesenkt

(Abg. Schmiedel SPD: So ist es!)

und damit das vereinbarte Ziel einer Reduktion der Treibhausgase bis zum Jahr 2012 um 21 % nahezu erreicht hat, sich also in einer relativ komfortablen Position befindet. Dass dabei der Zusammenbruch der maroden ostdeutschen Industrie und der Wiederaufbau nach modernstem Technologiestandard eine Rolle spielen, brauche ich hier nicht hinzuzufügen.

Es kommt jetzt darauf an, meine Damen und Herren, Wettbewerbsverzerrungen durch wirtschaftsfreundlichere Allokationspläne anderer EU-Staaten auf jeden Fall zu vermeiden.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Sehr gut!)

Bislang wurde ja nur ein Allokationsplan, nämlich der von Finnland, fristgemäß abgeliefert.

Für Baden-Württemberg ist zweitens von besonderem Interesse, dass die Sonderzuteilungen für die so genannten Early Actions, für Kraft-Wärme-Kopplung und für die Stilllegung von Atomkraftwerken in ausreichender Höhe einer Reserve zugeordnet werden.

Jetzt komme ich zu Ihrem Beitrag, Herr Schebesta: Der Ausfall der Atomenergie muss nicht komplett kompensiert werden, weil der Ausbau der erneuerbaren Energien, die Steigerung der Energieeffizienz und konsequentes Energiesparen zu einer Senkung des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen führen werden.

(Beifall bei der SPD – Abg. Schebesta CDU: 50 % durch regenerative Energien! Glauben Sie das? – Abg. Hauk CDU: Diese Märchen glaubt nicht ein- mal mehr der „Spiegel“!)

Aber ich sage Ihnen: Wir bestehen darauf, dass für die Abschaltung der Atomkraftwerke schon für die erste Handelsperiode 2005 bis 2007 Ausgleichszertifikate für die Energiewirtschaft vergeben werden.

(Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

Nur so ist es nämlich möglich, dass das AKW Obrigheim nicht nur baldmöglichst abgeschaltet, sondern durch neue, moderne Anlagen zur Stromgewinnung bei uns im Land ersetzt wird.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Ich fordere Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP/DVP, auf, jetzt endlich einmal Energiewende und Klimaschutzziele miteinander zu verbinden. Denn Ihr rückständiges Festhalten an der Atomenergie gefährdet die Modernisierung der Energiewirtschaft unseres Landes.

(Abg. Schebesta CDU: Aber die Konsequenzen muss man sehen!)

Was Sie im Moment auf den Weg bringen, die Forderung, die Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verlängern und deren Abschaltung noch einmal zu überdenken, das ist Steinzeit. Das sage ich Ihnen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Hauk CDU: Wo wirkt sich das beim Klimaschutz negativ aus?)

Meine Damen und Herren, ich darf zum Schluss noch sagen, dass wir im Land ja auch Aufgaben zu erfüllen haben. Nachdem jetzt der Einstieg durch die Bundesregierung geschafft ist, sollten wir, meine ich, unsere eigenen Klimaschutzziele intensiver angehen, um zur Erreichung des Reduktionsziels für Verkehr und Haushalte von bundesweit 7 Millionen Tonnen CO2 beizutragen.

(Abg. Schebesta CDU: Die haben wir ja kräftig er- höht!)

Das größte Einsparpotenzial im Land liegt im Altbaubestand.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, darf ich Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Ich komme gleich zum Ende, Frau Präsidentin. Vielen Dank für den Hinweis.

Durch Modernisierungsmaßnahmen können in der Regel 60 bis 70 % des bisherigen CO2-Ausstoßes vermieden wer

den. Hier liegt der größte Handlungsbedarf im Land. Aber hier haben Sie auch völlig versagt. Wir fordern Sie noch einmal auf, endlich ein Wohnungsmodernisierungsprogramm aufzulegen, das diesen Namen verdient. Dann wird das Land auch einen bedeutsamen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD – Abg. Scheuermann CDU: Ablenkungsmanöver!)