Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Noll, auch von mir noch einmal herzliche Glückwünsche zu Ihrer Wahl zum Fraktionsvorsitzenden. Sie haben ja einige neue Akzente gesetzt: die FDP nicht mehr als Personenpartei, sondern als Programmpartei. Wir sind sehr gespannt.
Vermeiden Sie in der Politik Ironie. Das versteht nämlich niemand. Hier hat auch niemand verstanden, dass Ihre Behauptung ironisch gemeint war, es sei Bürokratieabbau gewesen, dass Frau Fauser Vizepräsidentin geworden ist.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lassen Sie mich in der gebotenen Kürze zunächst zum Dringlichen Antrag der Fraktion der SPD kommen. Dazu ist von Günther Oettinger schon das Notwendige gesagt worden. Ich will das nur noch einmal mit zwei, drei Argumenten unterstreichen.
Ich finde, man sollte dort, wo man Verantwortung trägt, einsparen. Die größte Landesregierung in der Bundesrepublik Deutschland ist mit elf Ministern die von NordrheinWestfalen.
Die größte Landesregierung in der Geschichte von BadenWürttemberg war die in der großen Koalition von 1992 bis 1996. Hinterher haben wir sie dann reduziert.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Wieser CDU: Und wie ist es bei den Bremer Stadt- musikanten?)
Bundesregierung: aktuell 52 Staatssekretäre! Clement sechs Staatssekretäre, Stolpe fünf Staatssekretäre!
Ich finde, man sollte sich, wenn man eine solche Vergangenheit in Baden-Württemberg hat, 1992 die Regierung ausweitete und sogar ein höchst unsinniges „Handarbeitsministerium“ durchgesetzt hat, nicht heute hier hinstellen und sagen, wir sollten zwei weitere Ministerien einsparen.
Wir sind mit unserer Regierungsstruktur genau in der Mitte der großen Flächenländer der Bundesrepublik Deutschland. Und das wird so bleiben.
(Beifall bei der CDU – Abg. Wieser CDU: Herr Minister Stolpe braucht aber so viele Staatssekretä- re! Der braucht sie!)
Lieber Kollege Wieser, wenn die fünf Staatssekretäre bei Stolpe etwas bewirken würden, wäre ich ja dafür.
Aber was haben sie angerichtet? Ein großes Chaos bei der Maut. Ich kann nicht erkennen, wo wir mit den vielen Staatssekretären bei Stolpe, bei Clement und insgesamt in der Bundesregierung weitergekommen wären.
Dann sagte Herr Drexler, wir sollten auch einmal etwas tun, was uns betrifft. Dem Manne kann geholfen werden. Wir sparen in Baden-Württemberg in jedem Ministerium eine Abteilung ein, wir sparen Referate und Personal ein. Wir haben gerade in der letzten Legislaturperiode 30 % des Personals in den Regierungspräsidien eingespart. Überall in Baden-Württemberg machen wir Ernst damit, dass auch die politische Führung einen Beitrag zum Sparen zu erbringen hat. Daran können Sie uns messen. Es ist doch selbstverständlich, dass man nicht nur bei den „Indianern“ einspart, sondern dass man auch an der Spitze der Häuser verschlanken muss. Wir haben bereits mit dem Abbau der Abteilungen begonnen. Das erste Ministerium, das eine vollständige Abteilung abgebaut hat, war das Staatsministerium Baden-Württemberg, die Staatskanzlei dieses Landes, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Nun haben Herr Drexler und auch Herr Kretschmann Strukturfragen in den Mittelpunkt gestellt. Die Ministerialstruktur und sogar Koalitionsoptionen wurden angesprochen. Es ist ja auch völlig klar, dass Sie das interessiert. Wer will nicht ein bisschen umbilden, wenn er dazu selber nicht die Möglichkeit hat?
Ich will darauf aber gar nicht weiter eingehen, sondern ich will das Thema des Antrags der Grünen „Modernisierungspolitik in Baden-Württemberg“ in den Mittelpunkt stellen. Das ist in der Tat eine spannende Diskussion. Aber ich frage Sie: Wo sitzen eigentlich in der Republik, wo sitzen in Deutschland die hartnäckigsten Modernisierungsverweigerer? Wer verweigert denn Realitäten? Wer verschließt sich denn der notwendigen Verlängerung der Arbeitszeit in diesem Land? Wer ringt denn mit der IG Metall um diese Fragen? Wer hat den Transrapid abgebaut? Wer steigt aus der Kernenergie aus?
Wer verweigert die grüne Gentechnik? Wer redet „Stuttgart 21“ bei jeder Gelegenheit schlecht? Sie sind es, meine sehr verehrten Damen und Herren. Sie sind die Modernisierungsverweigerer in diesem Land!
Für besonders apart halte ich es, dass die Grünen diese Debatte beantragt haben. Sie konnten ja gar nicht schnell genug auf Bundesebene aus dem Reformministerium Gesundheit herauskommen. Alles, was schwierig ist, überlassen sie dem Koalitionspartner SPD: Wirtschaft, Arbeit, Gesundheit. Wo aber die Bundesrepublik Deutschland modernisiert
werden muss, ist von Grün im Land nichts zu sehen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist leider die Realität.
Wo wir Gemeinsamkeiten haben, sind wir zu Reformen gern bereit. Ich nenne Ihnen einmal ein aktuelles Beispiel – da müssen aber Rot und Grün zueinander kommen –: Dieselrußfilter. Wir haben eine Bundesratsinitiative dazu eingebracht. Da sind wir mit den Grünen einer Meinung. Wir können uns den Dieselrußfilter – Bosch produziert ihn – sehr wohl vorstellen. Das ist ein wichtiger Beitrag zum Umweltschutz.
Wer blockiert? Der Herr Bundeskanzler hat ihn von der Tagesordnung genommen, weil VW die Modellentwicklung in den vergangenen Jahren verschlafen hat. Dieselrußfilter vorläufig erledigt!
Gern sind wir zur Modernität in diesem Land bereit, aber Sie müssen dann halt auch mitmachen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU und FDP/DVP – Abg. Drex- ler SPD: Erneuerbare-Energien-Gesetz, abgelehnt von der CDU!)
Abwarten! Ich habe ja Gott sei Dank genügend Redezeit. Ich werde auch noch auf die erneuerbaren Energien zu sprechen kommen.
Was heißt unter den heutigen Umständen Modernität in der Politik? Für uns ist das eine Politik, die Arbeit, Arbeit, nochmals Arbeit, Wohlstand und Wachstum schafft und die dieses Land Anschluss halten lässt an die Bedingungen der Globalisierung. Das ist eine moderne Politik. Das ist der Kern unserer Politik. Weiter gehört dazu, dass wir die Lebens- und die Handlungsmöglichkeiten der kommenden Generationen nicht immer weiter einengen – also Nachhaltigkeit. Ich glaube, diese Herausforderungen sollten wir nicht wegdiskutieren. Die Herausforderungen sind groß. Ich fürchte, dass wir uns über den Umfang der Herausforderungen nicht nur bezüglich Osteuropas, sondern weltweit in der Verlagerung der Arbeit noch gar nicht richtig klar geworden sind.
Die Bundesrepublik Deutschland hat in den letzten zehn Jahren 2 Millionen Arbeitsplätze in der Produktion verloren, die abgewandert sind – 2 Millionen! Nicht mehr 9 Millionen, sondern 7 Millionen Arbeitsplätze gibt es in diesem Land noch in der Produktion. Die Herausforderungen sind groß. Aber wenn es ein Land gibt, das es bei all den Schwierigkeiten schafft, mit den Möglichkeiten, die die Landespolitik in der Wirtschafts- und in der Hochschulpolitik immerhin hat, den Wandel zu meistern und die Umstellung von der Industrie- auf die Dienstleistungsgesellschaft zu vollziehen, dann ist es Baden-Württemberg.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will Ihnen auch einen Professor zitieren, der im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung alle Rankings Deutschlands in einem so ge
nannten Aktivitätsindex zusammengefasst hat. Die Studie ist ganz neu: November 2003, Würzburg, Professor Berthold. Er sagt, dass Baden-Württemberg von allen deutschen Ländern am meisten tue – wörtliches Zitat –, „um die Standort- und Lebensqualität zu verbessern“. Ich zitiere weiter aus der Studie:
Die Strukturkrisen der Achtziger- und Neunzigerjahre sind in Baden-Württemberg längst Geschichte, deren Spuren in der Gegenwart des Landes kaum noch auszumachen sind. Darüber hinaus ruht sich das Land nicht auf den Erfolgen der Vergangenheit aus, sondern betreibt deren Absicherung mit in Deutschland beispiellosem Engagement.