Protokoll der Sitzung vom 07.10.2004

(Ministerin Dr. Annette Schavan)

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Nein!)

So. Und nun kommt natürlich der nächste Schritt: Sie wissen alle – –

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Wer hat das je gefor- dert?)

Die Diskussion gibt es, Herr Kretschmann, das ist doch klar. Denn was ist die Alternative? Wir können gerne darüber reden, ob das Konzept des Berufskollegs verändert werden muss. Aber die Alternative, für die manche plädieren, ist das Fachhochschulstudium.

(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Natürlich, das ist die Alternative. Und ich bitte, einmal zu bedenken, was das für junge Leute mit einem mittleren Abschluss heißt. Wir machen wieder eine Tür zu. Wir erklären wieder ein Berufsfeld für nicht zugänglich für die, die einen mittleren Bildungsabschluss haben.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Dazu kommen die finanziellen Fragen. Unterhalten Sie sich mit Ihrem jeweiligen Bürgermeister doch einmal darüber, wie sie Vorkehrungen für den Fall treffen wollen, dass künftig Hochschulabsolventen, die sich um eine Stelle bei der Kommune oder bei den Kirchen bewerben, in einer völlig anderen Gehaltsstufe anfangen.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Das ist das Problem!)

Was will ich damit sagen? Ich finde, wir müssen das realistisch sehen. Was wollen wir – und ich werde hier immer wieder einmal nachfragen – im Hinblick auf Zukunfts- und Berufschancen junger Leute mit mittlerem Abschluss, und was können wir leisten?

Damit bin ich beim Konzept der interministeriellen Arbeitsgruppe. Auch da rede ich überhaupt nicht darum herum. Das ist das Konzept in Langfassung.

(Die Rednerin hält ein Dokument hoch.)

Das liegt vor, und da ja alles irgendwo vorliegt, haben vermutlich auch Sie es längst. Es liegt seit Juli vor.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Seit März!)

Wir brauchen jährlich 6 Millionen €, um dieses Konzept in allen seinen Teilen umzusetzen. Wenn nun alle sagen, das sei etwas ganz Wichtiges, kann man ja versuchen, es in die Haushaltsberatungen aufzunehmen.

(Abg. Zeller SPD: Wir sind dabei!)

Ich habe bisher nicht den Eindruck gehabt, dass diese 6 Millionen € aufgebracht werden können.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Nicht zusätzlich!)

Und wenn Sie sagen „nicht zusätzlich“, dann sage man mir bitte, wo ich in meinem Hause 6 Millionen € umschichten soll. Die Formel von der „Umschichtung“ finde ich

Klasse, aber ich bitte um Ratschläge. Ich bin hier ratlos, von wo nach wo ich diese 6 Millionen € umschichten soll. Wir sind unter uns, hätte ich beinahe gesagt; wir wissen doch, wie die Lage ist. Es gibt keinen Grund, zu sagen: „Wir wollen das nicht.“ Das Konzept ist gut; das kann man machen. Es fehlen aber 6 Millionen €.

Ich bin dankbar, wenn die kommen, und wenn die nicht kommen, wird das Konzept einfach noch nicht umgesetzt werden können. Manchmal sind die Dinge ganz einfach. Man muss sie ganz nah an der Wirklichkeit sehen und auch bereit sein, öffentlich zu sagen – auch ich sage das öffentlich –: Mir fehlt das Geld, um jetzt das zu tun, was wir alle für richtig halten. Sobald die 6 Millionen € da sind, geht es los.

Letzter Punkt: Orientierungsplan für Bildung und Erziehung. Das Sprachförderkonzept wird integriert werden. Es wird nicht bis 2010 gehen. Ich bin der Meinung, man muss bestimmte Elemente, was die Sprachförderung angeht, nicht nur an den Orientierungsplan binden, sondern das ist im Grunde eine Geschichte, die losgehen kann, sobald es so weit ist. Aber der Orientierungsplan geht weit darüber hinaus. Sie wissen, dass die Sozialministerkonferenz und die Kultusministerkonferenz einen Rahmen vorgegeben haben. Sogar mit Blick auf Entwicklung von Sprache sind auch andere Schwerpunkte in diesem Bereich wichtig. Denken Sie an die Frage der bewegungsfreundlichen Erziehung, an die Frage der Entwicklung musikalischer und ästhetischer Erziehung usw. Ich glaube, das wird ein guter Orientierungsplan.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE meldet sich zu ei- ner Zwischenfrage. – Glocke des Präsidenten)

Wir sind schon jetzt dabei, das sport- und bewegungsfreundliche Profil und das Singen mit Kindern von den Grundschulen in die Kindergärten vorzuverlagern. Also, 2005 liegt es vor. Auch viele Kindergärten – das ist ja der Weg zu diesem Orientierungsplan – haben schon jetzt Elemente, die sie praktizieren und in diesen Orientierungsplan einbringen.

Allerletzter Satz: Unterschätzen wir bitte nicht, was längst, und zwar durch PISA und IGLU ausgelöst, in unseren Kindergärten passiert.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ja!)

Ich bin gerne bereit, allen, die daran interessiert sind, eine Liste darüber zur Verfügung zu stellen, wo überall in unseren Kindertagesstätten oder im Zusammenwirken zwischen Grundschule und Kindertagesstätten ganz innovative Projekte laufen und Sprachförderung längst im Gang ist.

(Glocke des Präsidenten)

Deshalb beginnen wir, auch wenn der Orientierungsplan vorliegt, längst nicht am Punkt null, sondern da gibt es eine gute Basis und viel Erfahrung, die in diesen Orientierungsplan einfließen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Frau Ministerin, gestatten Sie noch eine Frage der Frau Abg. Rastätter?

Ja, bitte schön.

Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Frau Kultusministerin Schavan, ich habe noch eine Frage zur Erzieherinnenausbildung, weil Sie ja in den Debatten immer wieder fragen: Wollen wir diese Tür für junge Menschen mit mittlerem Bildungsabschluss zumachen?

Wir wissen ja, dass in den meisten vergleichbaren Ländern die Erzieherinnenausbildung auf Hochschulniveau stattfindet. Für uns stellt sich doch die Frage – dazu bitte ich Sie Stellung zu nehmen –: Gibt es nicht durchaus auch eine Möglichkeit, die Berufsausbildung für Erzieherinnen am Berufskolleg beizubehalten, weil das auch realistisch ist und bei der jetzigen Quote der Absolventinnen an Realschulen Sinn macht, gleichzeitig aber als berufliche Aufstiegsmöglichkeit für Erzieherinnen, aber auch für interessierte junge Frauen mit Abitur eine Hochschulausbildung anzubieten und sie dann für Führungsaufgaben oder für besondere pädagogische Aufgaben zu qualifizieren, die dann auch den Kindergarten insgesamt als Bildungseinrichtung attraktiver machen? Wäre das nicht auch eine Möglichkeit, zweigleisig zu verfahren und damit die Qualität zu verbessern und gleichzeitig die Öffnung für den mittleren Abschluss aufrechtzuerhalten?

Zur Reform der Erzieherinnenausbildung, die wir vorgenommen haben, gehört ja, dass mit der Absolvierung des Berufskollegs in voller Breite die Fachhochschulreife erworben wird. Das ist ein erster wichtiger Schritt gewesen, um die Erzieherinnenausbildung nicht zu einer Sackgasse zu machen, sondern damit zu verbinden – zumal Erzieherinnen ja im Durchschnitt, glaube ich, maximal acht Berufsjahre in der Kindertagesstätte sind –, dass sie einen Zugang zur Fachhochschulreife ermöglicht.

In der Frage: „Bilden wir künftige Führungskräfte etwa nach einer bestimmten Anzahl von Jahren der Praxiserfahrung weiter, auch über Module an einer Fachhochschule?“ bin ich nicht dogmatisch, aber ich sage: Man muss, wenn man so etwas anbietet, wenn man einen Studiengang anbietet, fairerweise ein Berufsbild haben und muss dieses Berufsbild auch mit einer entsprechenden Bezahlung verbinden.

Ich kann nur sagen: Führen Sie, egal, wo in Deutschland – in allen 16 Ländern –, einmal Gespräche mit den kommunalen Landesverbänden über die Frage, ob man sich künftig die Eingruppierung der Leiterin einer Kindertagesstätte oder von Fachberatern oder wem auch immer ganz anders vorstellen kann als bisher.

Ich sage: Das ist ein ergebnisoffener Prozess. Da wird sich möglicherweise in den nächsten zehn Jahren etwas tun. Aber meine Vermutung ist: Richtig etwas tun kann sich erst an dem Tag, an dem die wirtschaftliche Lage in Deutschland und auch die Lage der kommunalen Haushalte anders als heute ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Schlusswort hat Frau Abg. Wonnay.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Herr Präsident! Sie sehen mich etwas fassungslos und ratlos. Denn wenn ich mir die Rede der Ministerin durch den Kopf gehen lasse, dann stelle ich fest: Das war ein leidenschaftliches Plädoyer dafür, wie wichtig es ist, auf diesen Anfang zu setzen.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Dann habe ich mir die Schlussfolgerung angehört, in der Sie sagen: „Wir haben eigentlich ein Konzept.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das passt nicht zu- sammen!)

Aber sagt mir doch bitte: Wo nehme ich die 6 Millionen € her?“ Dazu muss ich sagen: Das ist ein bildungspolitischer Offenbarungseid.

(Beifall bei der SPD – Abg. Ursula Haußmann SPD: Ja! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Das hat sie nicht so ernst gemeint! – Zuruf des Abg. Zeller SPD)

Wenn PISA und die bildungspolitische Debatte der letzten Jahre uns wirklich etwas gebracht haben, dann doch die hoffentlich übergreifende Erkenntnis, dass es wichtig ist, auf den Anfang zu setzen.

(Abg. Röhm CDU: Machen wir doch!)