Protokoll der Sitzung vom 09.12.2004

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Schebesta.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich will ebenso wie mein Vorredner nicht zu allen 250 Seiten des Landesjugendberichts etwas sagen, will aber einen anderen Akzent setzen als mein Vorredner.

Herr Bayer, für die Haushaltsberatungen bleibt in der Aussprache zur Einbringung des Haushalts und in der Diskussion zum Landesjugendplan in der nächsten Woche im Schulausschuss noch genügend Zeit. Ich glaube, die Jugendarbeit, die Jugendhilfearbeit leidet im Moment ohnehin darunter, dass sie, weil in allen öffentlichen Kassen der Haushaltsdruck da ist, sehr oft über das Geld reden und sich um das Geld kümmern muss. Man darf aber die eigentliche Arbeit und die Ausrichtung der Arbeit darüber nicht vergessen. Ich finde, heute ist auf der Grundlage des Jugendberichts der 13. Wahlperiode eigentlich die Gelegenheit gegeben, über die inhaltliche Ausrichtung zu sprechen.

Dazu gehört eben genau dieser Finanzdruck in der Jugendarbeit. Wir wissen aus vielen Gesprächen, dass auch diejenigen, die in der Jugendarbeit und Jugendhilfearbeit tätig sind, das so empfinden und dass sie sich in diesen schwierigen Zeiten über die fachliche Ausrichtung in der Kinderund Jugendhilfearbeit weniger Gedanken machen können, als sie wollen und als sie müssten, weil sie sich eben um das Geld, um das Hereinkommen der Finanzmittel kümmern müssen. Ich will all denen, die sich der Arbeit im Moment trotzdem mit großem Engagement stellen, herzlich dafür danken, dass sie dies in diesen Zeiten so tun, und zwar trotz des sozialpolitischen Umbaus und neben der Belastung durch die Finanzfragen so tun. Auch durch die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe ab 1. Januar 2005 wird sich in der Jugendhilfearbeit einiges ändern.

Wenn Sie schon den Haushalt angesprochen haben, will ich sagen: Sie wissen so gut wie wir, dass es in diesen Zeiten nicht um Aufstockungen geht, sondern um die Verteilung von Kürzungen. So, wie es in der Stellungnahme zu Ihrem Antrag ausgedrückt ist, sollten Sie auch erwähnen, dass an vielen Punkten auch Dinge in anderer Form weitergeführt werden, zum Beispiel mit dem Programm „AKKU – Wir laden Projekte“, das das Sozialministerium neu aufgelegt hat und in dem aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds bis 2006 40 Millionen € in gute Zwecke, in konkrete Projekte vor Ort fließen werden, neu aufgelegt mit Mitteln des ESF.

Ich will auf den inhaltlich wichtigsten Punkt des Landesjugendberichts eingehen, in dem nämlich die lebensweltorientierte Jugendhilfe einen breiten Raum einnimmt. Die Ministerin hat im Sozialausschuss darauf hingewiesen, dass

diese Ausrichtung auch bewusst ein Signal setzen soll. Dieses Signal sollten wir im Landtag unterstreichen. Auch wir sehen, denke ich, über alle Fraktionen hinweg Entwicklungsbedarf für die sozialraumorientierte Jugendhilfeplanung. Mit dem, was als Weg vorgezeichnet ist, was auch mit dem Verfahren vorgezeichnet ist, sind wir, glaube ich, auf gutem Weg, im Landesjugendbericht der 14. Wahlperiode bei dieser Fachfrage weitere Fortschritte verzeichnen zu können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kleinmann.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte das ausdrücklich betonen, damit ich nicht noch einmal gesagt bekomme, ich hätte Sie nicht begrüßt.

Bevor ich zum eigentlichen Thema komme, vorneweg, Herr Bayer: Ich weiß, wie wichtig die Schulsozialarbeit ist, und ich lasse das nicht nur in Presseerklärungen auch die anderen wissen, sondern kann Ihnen sagen: Ich bin eifrig dabei, hier eine entsprechende Änderung herbeizuführen.

(Abg. Fischer SPD: Allein! – Gegenruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Der in jeder Legislaturperiode mindestens einmal – was nach meiner Auffassung aber auch ausreicht – zu erstellende Landesjugendbericht kann der Jugendpolitik wichtige Impulse geben. Der an vielen Stellen des aktuellen Berichts erhobenen Forderung, Berichterstattung, Jugendhilfeplanung sowie Evaluation von Maßnahmen und Projekten weiter zu professionalisieren, zu institutionalisieren und in der Regel auch zu zentralisieren, kann ich freilich so nicht folgen. Das sind für mich relativ leere Schlagworte.

Zu begrüßen ist, dass der neue Bericht darauf angelegt ist, bestimmte Schwerpunkte des ersten Berichts aus dem Jahr 2000 zu vertiefen und hierbei vor allem inhaltliche und qualitative Aspekte der Kinder- und Jugendarbeit zu beleuchten. Damit wird recht tief in die Praxis und deren Bedingungen vor Ort eingedrungen, was auf der anderen Seite allerdings auch bedeutet, dass wir uns von unmittelbaren Handlungsempfehlungen an die Jugendpolitik auf der Ebene des Landes ein Stück entfernen, Herr Bayer.

Der Jugendpolitik des Landes stellt der Bericht insgesamt ein ganz ordentliches Zeugnis aus. Ausdrücklich wird etwa festgestellt: Diese Politik und die vor allem aufgrund der Tätigkeit der Enquetekommission „Jugend – Arbeit – Zukunft“ angestoßenen Maßnahmen wirken sich – nun wörtlich; ich zitiere mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin – „positiv aus bis in die kleinen Gemeinden, die nun in weit höherem Maße bereit sind, sich den Fragen einer professionellen Anlaufstelle für Jugendliche mit all ihren Bedürfnissen zu stellen“.

Dass in diesem Zusammenhang einschränkend etwa auf die nach wie vor großen Unterschiede zwischen einzelnen Regionen und Landkreisen hingewiesen wird, muss uns bei al

lem Respekt vor der eben primär kommunalen Verantwortlichkeit weiterer Ansporn sein.

Einer der Schwerpunkte des Berichts ist das Thema Prävention. Der Bericht selbst warnt vor einem inflationären Gebrauch dieses Begriffs. Sein Versuch, einen sinnvoll zu verwendenden engeren Präventionsbegriff von einem weniger sinnvollen weiteren zu unterscheiden, scheint mir allerdings nicht ganz gelungen. Denn wenn, wie von den Autoren ausgeführt – ich zitiere –, „allgemeine Prävention“ darauf zielt, „gerechte Lebensverhältnisse“ herzustellen, dann ist auch Straßenbau – und Förderung der Landwirtschaft sowieso – Prävention. Davon muss man sich nicht erst großartig abgrenzen.

Der besorgte Hinweis darauf, dass sich Sparzwänge bevorzugt auf die Förderung präventiver Maßnahmen – im wohlverstandenen Sinn – auswirken, ist freilich ernst zu nehmen. Das Thema Schulsozialarbeit – das ist vorhin schon angeklungen – und die Förderung der Schulsozialarbeit durch das Land gehören in der Tat in diesen Zusammenhang hinein, Herr Bayer.

Abschließend noch eine grundsätzliche Anmerkung zum Bericht. Überhaupt, Kollege Schebesta: Wer sich fachlich äußert, kommt ohne fachspezifisches Vokabular nicht aus. Auch ich selbst bin damit hinlänglich vertraut. Aber die Sprache dieses Berichts ist mir geradezu unerträglich. Ich kann das auf jeder Seite des Textes belegen. Auf Seite 135 der Drucksache lese ich – ich zitiere –:

Eine lebensweltorientierte soziale Arbeit und Jugendhilfe muss sich dem Thema Gesundheit und Gesundheitsförderung öffnen. Wenn nämlich die Lebenswelt der Adressatinnen und Adressaten zum Ausgangspunkt der Arbeit gemacht wird, ist Gesundheit ein wichtiger Bereich.

Das ist Fachjargon auf höchsten Touren im puren Leerlauf.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Ui! – Abg. Fi- scher SPD: Es gibt schlimmere Sachen!)

Wer sich sprachlich so spreizt, erweckt den Verdacht, dass er inhaltlich wenig zu sagen hat. Ich bin nahezu daran erlegen, immer erst herausfinden zu müssen, was da gesagt wird und ob überhaupt etwas gesagt wird.

(Abg. Seimetz CDU: Was machen, wenn nichts ge- sagt wird?)

Abschließend noch einmal ein sehr schönes Beispiel von Seite 5:

Jugendhilfe ist inzwischen integraler Bestandteil moderner Lebensqualität in der Gestaltung des Sozialen.

Damit fange ich schlicht nichts an. Es könnte auch anderen so gehen.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Sitzmann.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich fand den Bericht recht gut verständlich, Herr Kollege Kleinmann.

(Heiterkeit der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Auch das Zitat, das Sie gebracht haben, fand ich sehr richtig. Das möchte ich an dieser Stelle unterstreichen.

Insgesamt bietet der Bericht einen guten Überblick über das gesamte Handlungsfeld, und ich halte ihn für wichtig für die Weiterentwicklung der Handlungsansätze. Dazu gehört, dass er möglichst breit diskutiert wird. Es ist schade, dass wir heute zu so später Stunde hierüber diskutieren

(Zuruf)

ja, es ist nicht Ihre Schuld, Frau Ministerin – oder zumindest doch vor relativ leeren Rängen. Bedauerlich ist, dass die Verbände zum Teil einen fachlichen Diskurs über diesen Bericht vermissen und hierüber gern breiter diskutiert hätten.

Neben dieser Diskussion ist es aber auch entscheidend, dass das, was im Bericht steht, tatsächlich auch politische Konsequenzen hat. Ein Punkt, der im Bericht angeführt wird, ist, dass die soziale Infrastruktur weiterentwickelt und gesichert werden muss. Dabei kommen wir nicht darum herum, zum Thema Schulsozialarbeit Stellung zu nehmen, Herr Kollege Schebesta. Denn es passt einfach nicht zusammen, wenn auf der einen Seite und nicht zum ersten Mal verlässliche Strukturen gefordert werden und auf der anderen Seite dann die Förderung der Jugendsozialarbeit an Schulen in jedem Jahr wieder zur Disposition steht. Was wir im Gegenteil brauchen, ist eine verlässliche und dauerhafte Mitfinanzierung durch das Land.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Kübler CDU: Und wer zahlt?)

Frau Ministerin, Sie hatten im Sozialausschuss gesagt, es sei wenig sinnvoll, eine Enquetekommission wie die zum Thema „Jugend – Arbeit – Zukunft“ einzusetzen, wenn man deren Arbeitsergebnisse anschließend nicht umsetzt.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, darf ich um mehr Ruhe bitten.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Das würde ich auch sagen!)

Danke schön. – Ich denke, das Gleiche gilt für diesen Landesjugendbericht. Leider bleibt der Landesjugendbericht in den Konsequenzen zu allgemein und zu pauschal.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Also! Jetzetle!)

Ein Manko ist, dass die aktuellen Entwicklungen – vielleicht können Sie dazu aber gleich noch Stellung nehmen – nicht ausgewiesen werden, und zwar aufgrund der zeitlichen Planung des Berichts. So hat sich heute schon einiges im Vergleich zu dem im Bericht dargestellten Stand verändert, und es hat sich auch leider nicht alles zum Positiven verändert.

Ein ganz wichtiger Punkt, den ich hier noch einmal ansprechen möchte – und das steht in diesem Bericht nicht zum ersten Mal –, ist die Unübersichtlichkeit der Zuständigkeiten und die Überschneidung in der Programmatik. Was fehlt, ist eine systematische Auswertung und Evaluation der Förderbereiche. Es ist ein Problem, dass die Träger im Jugendbereich zwar immer Projektmittel für innovative Projekte beantragen können, dass ihnen aber bei der Regelfinanzierung der Boden unter den Füßen wegbricht und sie wirklich um die nackte Existenz kämpfen. Das wissen Sie alle, wenn Sie zum Beispiel Gespräche mit Vertretern der Jugendberufshilfe führen. Insofern ist ein neues Projekt nicht immer der beste Weg, wenn auf der anderen Seite die Grundlagen fehlen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Schebesta CDU: Aber es ist ein guter Weg, oder?)