Protokoll der Sitzung vom 15.12.2004

(Abg. Walter GRÜNE: Halten Sie doch bitte noch einmal die Rede zur Wahlkreisreform! – Heiter- keit)

Die liegt auf meinem Tisch. Die können wir nachher miteinander durchlesen.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Der Europäische Gerichtshof hat gestern sein Urteil zur Verpa

ckungsverordnung gesprochen. Die FDP/DVP-Fraktion sieht keinen Anlass, ihre Position zu verändern. Wir haben in allen Punkten Recht behalten.

(Lachen bei der SPD und den Grünen)

Bitte, beweisen Sie mir einmal, wo es nicht gestimmt hat. Es ist alles so gekommen, wie wir es angekündigt haben.

Die jetzt vorliegende Novelle ist nach wie vor mit gravierenden Fehlern behaftet.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Das stimmt!)

Hinzu gekommen ist, dass jetzt auch die Herstellerinsellösungen wegfallen sollen, und das, obwohl die EU-Kommission schon signalisiert hat, dass sie diesbezüglich überhaupt kein Problem sieht.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Genau!)

Deswegen fordere ich alle, die für uns im Bund verhandeln, dringend auf, dafür zu sorgen, dass diese Lösungen auf jeden Fall erhalten bleiben. Da sind nämlich Mineralwasserabfüller aus Baden-Württemberg massiv betroffen, und zwar vor allem deshalb, weil sie jetzt alle Flaschen zurücknehmen müssen, auch solche, die mit ihrem System gar nicht kompatibel sind.

(Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Dann ist das System kostenmäßig nicht mehr sinnvoll. Diese neue Verordnung bevorzugt allein große Abfüller. Auch französische Mineralwasserproduzenten sind benachteiligt. Die nächste Klage vor dem EuGH ist schon abzusehen. Es handelt sich hier um eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Juristen.

(Abg. Stickelberger SPD: Wir brauchen Arbeits- plätze! – Zuruf des Abg. Walter GRÜNE)

Hinzu kommt, dass das neue Zwangspfand nicht durch Umweltfreundlichkeit vermieden werden kann. Es orientiert sich nämlich nicht, wie der Name eigentlich unterstellt, an der Verpackung, sondern vor allem am Inhalt. Ein Apfelsaftgetränk, also eine Schorle, wird bepfandet, reiner Apfelsaft aber nicht. Ein ähnliches Durcheinander gibt es bei diätetischen und anderen Lebensmitteln. Ich würde mit Ihnen einmal gern das kleine Pfandabitur machen, um zu sehen, ob Sie das bestehen. Ich befürchte, Sie würden durchfallen.

(Zuruf der Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD – Abg. Stickelberger SPD: Machen Sie mal das Wahlkreisabitur!)

Eine solche Pfandregelung ist zwar beim Fruchtsaft aus Ernährungssicht gut. Sie hat aber mit Umweltfreundlichkeit nichts zu tun und bringt letztendlich das Verkaufspersonal und die Kunden total durcheinander. Sankt Bürokratius reitet wieder einmal durch die Hallen und wird dabei jede Menge Scherben und Blechschrott hinterlassen.

Die EU-Kommission diskutiert bereits mit dem Bund darüber, dass sich diese Pfandregelung so nicht halten lässt, weil sie nicht an der Verpackung, sondern am Inhalt orientiert ist. Wie Sie diese Regelung den Verkäuferinnen, den Händ

lern und der Verbraucherschaft erklären, darauf bin ich gespannt.

Herr Walter, Sie haben gesagt, der Mehrweganteil habe zugenommen. Wie erklärt sich dann die gestrige dpa-Meldung, dass die Glasindustrie Stellen abbaue und dass es durch das Dosenpfand zu Einbrüchen gekommen sei? Mindestens 300 weitere Stellen würden wegfallen; unter dem Strich werde jeder zehnte Arbeitsplatz in der Branche abgebaut. Dafür tragen Sie die Verantwortung.

(Lachen des Abg. Dr. Caroli SPD – Abg. Walter GRÜNE: Wo ist denn da die Logik? Da dreht sich ja Aristoteles im Grab um!)

Auslöser des Kapazitätsabbaus sei das seit 2003 geltende Zwangspfand auf Einweggetränkeverpackungen. Einwegglasflaschen seien fast völlig aus den Regalen genommen und durch Plastikflaschen und Getränkekartons ersetzt werden. Der Schub durch die zusätzliche Nachfrage der Getränkeindustrie nach Mehrwegflaschen sei vorübergehend gewesen und gleiche den Rückgang im Einwegbereich bei weitem nicht aus.

Die FDP/DVP setzt sich ausdrücklich und nachdrücklich für den Schutz von ökologisch vorteilhaften Getränkeverpackungen ein.

Herr Walter, das Guidomobil, das Sie vorhin wieder angeführt haben, hat wesentlich weniger Sprit verbraucht als der riesengroße Bus, mit dem Joschka Fischer durch die Bundesrepublik getourt ist.

(Heiterkeit des Abg. Scheuermann CDU)

Nur so viel zum Umweltproblem.

(Abg. Fischer SPD: Das ist jetzt aber ein seltsamer Vergleich mit dem Dosenpfand!)

Herr Walter hat das angesprochen, nicht ich.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

Wir wollen eine Lösung bei den Getränkeverpackungen, die verbraucherfreundlich und kostengünstig ist und die nicht zusätzliche Bürokratie aufbaut. Vor allem wollen wir Rechtssicherheit für baden-württembergische Unternehmen. Der Kollege Scheuermann hat das Thema PET-Cycle schon angesprochen. Es geht aber auch um den Handel und die Hersteller.

Die jetzt vorliegende Novelle wird auf jeden Fall wieder vor dem Europäischen Gerichtshof landen. Allein die Veränderung der Einführungsfrist wird hier nicht helfen. Wir werden deshalb dem vorliegenden Antrag nicht zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Walter GRÜNE: Was wollen Sie eigentlich? Jetzt wissen wir es immer noch nicht! – Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Bei was können Sie eigent- lich zustimmen?)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Mappus.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Kürzlich wurde der Begriff Hartz IV zum Wort des Jahres gekürt. Wenn ich ein Unwort des Jahres wählen dürfte, dann wäre es – ich glaube, wir wären uns da vielleicht sogar einig – wahrscheinlich das Wort Dosenpfand.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Landespolitik! – Zuruf von der SPD: Ich bin für das Wort Landesregierung!)

Ich persönlich kann es allmählich, ehrlich gesagt, nicht mehr hören, und ich glaube, es geht Ihnen allen genauso.

(Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Das liegt doch an Ihnen, dass Sie es nicht mehr hören können! Hätten Sie früher zugestimmt! – Abg. Renate Ra- stätter GRÜNE: So ist es! Genau so ist es!)

Es ist bald Weihnachten, Frau Kollegin. Immer ganz ruhig bleiben! Vielleicht komme ich ja zu einer Conclusio, die sogar Ihren Vorstellungen entspricht.

(Abg. Ruth Weckenmann SPD: Das können Sie dann ja gleich sagen! – Heiterkeit bei Abgeordne- ten der SPD)

Ich sagte ja nur: „vielleicht“.

(Abg. Blenke CDU: Dazu müsste man erst mal Vorschläge haben!)

Auch auf die heutige Debatte hätte man meines Erachtens durchaus verzichten können, zumal das Thema „Novellierung der Verpackungsverordnung“ bezogen auf alle – ich betone ausdrücklich: alle – Beteiligten aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft nicht gerade dazu geeignet ist, das Vertrauen der Bürger in die Problemlösungsfähigkeit unserer Gesellschaft zu stärken, zumal dann, wenn Sie sehen, wie lange wir dieses Thema bereits diskutieren.

(Abg. Walter GRÜNE: Daran haben Sie großen Anteil!)

Doch, meine Damen und Herren, ich wage es kaum zu hoffen: Wir sind einer Lösung, das heißt der Verabschiedung einer Novelle der Verpackungsverordnung, heute sicherlich so nahe wie nie zuvor.

(Abg. Walter GRÜNE: Sehr gut!)

Ich darf Ihnen sagen, dass ich alles daransetzen werde, dass die fast unendliche Geschichte dieser Novelle am Freitag zu einem versöhnlichen Abschluss kommen kann.

Zunächst ein Blick zurück – nicht im Zorn, aber mit einem gewissen Schaudern. Dieser soll verdeutlichen, wo wir heute stehen.

Meine Damen und Herren, schon Ende der Neunzigerjahre war der Bedarf nach einer Novellierung der Verpackungsverordnung schnell erkannt. Die Drohung mit einem Pflichtpfand, wie es Töpfer eigentlich im Sinn hatte, trug nicht zur Stabilisierung des Anteils der Mehrwegverpackungen bei. Die Abhängigkeit des Pflichtpfands vom Einhalten einer Mehrwegquote erschien wegen des denkbaren Ein- bzw. Ausstiegs – man nennt es auch Jo-Jo-Effekt –

(Minister Mappus)

nicht sinnvoll. Was folgte, war eine ausufernde Modelldiskussion, beispielsweise über das im Jahr 2000 verworfene Abgabenmodell des Bundes. Dem folgte das von einer Mehrheit im Bundesrat beschlossene, sanktionierte Mehrwegsicherungskonzept, dem aber der Bund nicht folgen konnte, dann die so genannte Trittin-Novelle, der die Länder mehrheitlich nicht folgen wollten, und schließlich das daraus entwickelte Vierpunktemodell.

Das Ganze war begleitet von einer beispiellosen Flut von Klagen gegen die Pfandregelung auf Landes-, Bundes- und europäischer Ebene. Selbst vor Eilanträgen vor dem Bundesverfassungsgericht wurde in dieser so bedeutenden Frage nicht zurückgeschreckt. Einmalig ist sicherlich auch der Boykott der Wirtschaft, um die Pfandpflicht faktisch dadurch zu unterlaufen, dass keine vorbereitenden Maßnahmen zur Installation von Rücknahmesystemen ergriffen wurden, als die Pfandpflicht vor der Tür stand. Dies alles geschah bei gleichzeitig großer Sympathie der Bevölkerung für die Pfandpflicht. Ich darf daran erinnern, dass 76 % aller Befragten für die Einführung des Pfandes plädierten.