Protokoll der Sitzung vom 15.12.2004

Das Ganze war begleitet von einer beispiellosen Flut von Klagen gegen die Pfandregelung auf Landes-, Bundes- und europäischer Ebene. Selbst vor Eilanträgen vor dem Bundesverfassungsgericht wurde in dieser so bedeutenden Frage nicht zurückgeschreckt. Einmalig ist sicherlich auch der Boykott der Wirtschaft, um die Pfandpflicht faktisch dadurch zu unterlaufen, dass keine vorbereitenden Maßnahmen zur Installation von Rücknahmesystemen ergriffen wurden, als die Pfandpflicht vor der Tür stand. Dies alles geschah bei gleichzeitig großer Sympathie der Bevölkerung für die Pfandpflicht. Ich darf daran erinnern, dass 76 % aller Befragten für die Einführung des Pfandes plädierten.

Heute, meine Damen und Herren, sieht es Gott sei Dank anders aus. Am 15. Oktober dieses Jahres standen nach mehreren Anläufen nun endlich vier Modelle im Plenum des Bundesrats zur Entscheidung an. Zur Auswahl standen das hessische Abgabenmodell, das rheinland-pfälzische Kombinationsmodell, die Trittin-Novelle in weiterentwickelter Form und das so genannte Pfandvereinfachungsmodell.

Obwohl sich Baden-Württemberg aus den allseits bekannten Gründen im Plenum enthalten hat, fand zum Glück das so genannte Pfandvereinfachungsmodell eine Mehrheit. Da auch der Bund dieses Modell mitgetragen hat, ist die jahrelange Blockade nunmehr endlich durch gemeinsames Handeln aufgebrochen.

Sie wissen, dass ich ein Befürworter dieses Pfandvereinfachungsmodells bin. Auch heute hat sich an dieser Zustimmung nichts geändert, denn dieses Modell ist kein fauler Kompromiss, meine Damen und Herren, sondern eine faire Lösung, die erhebliche Fortschritte gegenüber all dem bringt, was bisher in der Diskussion war.

Dies sage ich nicht nur deshalb, weil die Fachleute meines Hauses maßgeblich an der inhaltlichen Gestaltung beteiligt waren und in zähen Verhandlungen zur Kompromissbildung zwischen den Ländern und dem Bund beigetragen haben, sondern vor allem, weil die Vorteile dieses Modells auf der Hand liegen. Ich möchte einige dieser Vorteile in aller Kürze nennen.

Meine Damen und Herren, die Pfandpflicht beschränkt sich auf „Massengetränke“ wie Bier, Mineralwasser, Erfrischungsgetränke und alkoholische Mischgetränke und wird so auf ein transparentes Mindestmaß reduziert. Zugleich werden die Ergebnisse von Ökobilanzen zur Umweltverträglichkeit bestimmter Verpackungen berücksichtigt. Eine Revisionsklausel sieht vor, dass die Wirkungen des Zwangspfands nach fünf Jahren evaluiert werden. Das Pflichtpfand beträgt einheitlich 25 Cent und wird nicht mehr von der Unterschreitung einer Mehrwegquote abhängig gemacht. Diese wird völlig abgeschafft, was das komplette Verfahren unbürokratischer und einfacher macht.

Durch das Pfandvereinfachungsmodell wird die Rechtslage also einfacher, sie wird nachvollziehbarer, und sie trägt ökologischen Aspekten verstärkt Rechnung. Hinzu kommt, dass baden-württembergische Interessen, vor allem diejenigen des Mittelstands, entsprechend berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere für die Weinwirtschaft. Wein wird von der Pfandpflicht ausgenommen. Es gilt für die mittelständischen Fruchtsaftabfüller – Fruchtsäfte und Fruchtnektare werden aus der Pfandpflicht entlassen – sowie den überwiegend mittelständisch orientierten Getränkeeinzelhandel und die Brauereien Baden-Württembergs. Ich glaube, dass damit auch der Vertrauensschutz für mehrwegorientierte Investitionen gewahrt wurde.

Last, but not least, meine Damen und Herren – und das war die Diskussion der vergangenen Wochen –: Das Pfandvereinfachungsmodell ist, wie wir seit gestern wissen, auch europarechtskonform.

Meine Damen und Herren, noch ein kurzes Wort zum Thema „Europäischer Gerichtshof“: Die mit Spannung erwarteten EuGH-Urteile von gestern haben uns Klarheit gebracht. Sie geben uns freie Bahn und die Chance, die Novellierung der Verpackungsverordnung jetzt zu Ende zu bringen.

Nach einer vorläufigen Analyse der Urteile ist die Pfandvereinfachungsnovelle materiell-rechtlich, das heißt bezüglich der künftigen Ausgestaltung der Pfandpflicht, mit europäischem Recht vereinbar. Das Pflichtpfand ist aus Gründen des Umweltschutzes zulässig. Insbesondere ist auch eine Kombination zwischen Pfand- und Rücknahmesystemen und einem flächendeckenden verbrauchernahen Sammelsystem wie zum Beispiel dem der DSD möglich.

Allerdings pocht der EuGH darauf, dass Deutschland dafür sorgt, dass das jeweilige System verhältnismäßig ausgestaltet ist, insbesondere dass bei Eintritt der Pfand- und Rücknahmepflichten eine ausreichende Anzahl von Rücknahmestellen besteht, damit der Verbraucher seine Verpackungen nicht nur an dem Ort zurückgeben kann, an dem er das entsprechende Getränk erworben hat. Das ist eine, wie ich meine, durchaus korrekte Vorgabe des EuGH. Sie führt dazu, dass die bisher zulässigen so genannten Insellösungen fallen müssen; denn diese führen dazu, dass das flächendeckende Rückgabesystem für den Bürger massiv durchlöchert wird.

Die geltende Verpackungsverordnung erlaubt, dass ein Hersteller oder Vertreter nur diejenigen Verpackungen zurücknimmt, die er nach Art, Form und Größe in seinem Sortiment führt. Er bildet also eine Rücknahmeinsel. Insbesondere große Discounter haben eigene händlerspezifische Getränkeverpackungen kreiert und damit vermieden, dass sie Verpackungen der Konkurrenz zurücknehmen müssen. Dies spart einerseits eine aufwendige Logistik ein und bindet gleichzeitig die Kunden an das eigene Produkt.

Die europarechtlichen Bedenken werden mit der jetzt am Freitag zur Entscheidung anstehenden Novelle ausgeräumt, indem der Bund auf die klaren Forderungen der Europäischen Kommission vom 20. Oktober 2004 durch entsprechende Ergänzungen reagiert hat.

Deshalb noch ein kurzes Wort zu der neuerdings besonders hitzig geführten Debatte um PET-Cycle. Meine Damen und

(Minister Mappus)

Herren, die tobende Materialschlacht der Interessenvertreter zeigt, welch große wirtschaftliche Interessen im Spiel sind. Was ist PET-Cycle? Es handelt sich – und jetzt kommen wir zum Knackpunkt der Diskussion – um eigens gestaltete Einweg-PET-Flaschen, die in Mehrwegkästen geliefert und zurückgenommen werden. Durch dieses besonders ausgestaltete System ist PET-Cycle als Insel akzeptiert, hat es also geschafft, nur seine eigenen Getränkeverpackungen zurücknehmen zu müssen.

Allerdings handelt es sich nicht um ein Mehrwegsystem und nicht um ein durch Ökobilanzen anerkanntes ökologisch vorteilhaftes Verpackungssystem. Ob das PET-CycleSystem in der Bundesrepublik inzwischen so verbreitet ist, dass von einer flächendeckenden Rücknahme für den Bürger ausgegangen werden kann, wie es der EuGH letztendlich wünscht, muss, wie ich finde, bezweifelt werden. Überdies gibt es auch Hinweise, dass die Rückgabe für den Verbraucher nicht so reibungslos funktioniert, wie dies von PET-Cycle immer wieder behauptet wird.

Letztendlich kann dies aber dahinstehen. Denn wenn wir jetzt eine Novellierung der Verpackungsverordnung durchführen, muss diese zweifelsfrei europarechtskonform sein.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Das ist richtig!)

Zwar hat der EuGH, wie auch zu erwarten war, zu PETCycle keine direkten Aussagen getroffen; er pochte jedoch auf eine uneingeschränkte Rückgabemöglichkeit für den Bürger. Unbestritten hat in dieser Frage die EU-Kommission das Sagen. Nach unserer Kenntnis hat die Kommission die jetzige Formulierung, die die Inseln abschafft, so vorgegeben. Sie will nur dann auf ein weiteres Klageverfahren vor dem EuGH verzichten, wenn diese Formulierung auch 1 : 1 umgesetzt wird. Einer gestrigen Agenturmeldung war auch zu entnehmen, dass die Kommission nun empfiehlt, die Novelle in ihrer jetzigen Form zu verabschieden. In Bezug auf PET-Cycle sind uns also letzten Endes aus Rechtsgründen die Hände gebunden.

(Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Dennoch habe ich Verständnis für die Situation von PETCycle, das sich auf die kommende Rechtslage einstellen muss. Ich strebe deshalb einen fairen Interessenausgleich zwischen den Bürgern, den bestehenden Mehrwegsystemen und den wirtschaftlichen Interessen der am Markt bisher erfolgreich tätigen PET-Cycle-Unternehmen an. Ich kann mir daher für das Inkrafttreten der Novelle hinsichtlich des Inselverbots und der neuen Pfandpflichten eine Fristverlängerung auf zwölf Monate gut vorstellen. Dies halte ich im Hinblick auf die Situation einiger Getränkehersteller in Baden-Württemberg, die Investitionen in das PET-Cycle-System getätigt haben, für erforderlich.

Diese Lösung würde auch den Bedenken des Europäischen Gerichtshofs Rechnung tragen. Denn der EuGH hält eine Sechsmonatsfrist zwischen der Bekanntgabe der Mehrwegquoten und der Einführung des Pfand- und Rücknahmesystems für zu kurz. Entsprechendes gilt auch für das Inkrafttreten der Novelle gegenüber der bisherigen Rechtslage. Ich werde mich daher dafür einsetzen, bei meinen Kollegen und

beim Bund eine Mehrheit für eine Verlängerung der Übergangsfristen bis zum Inkrafttreten zu finden.

Meine Damen und Herren, wir wären in der Lage, im Bundesrat ein Modell zu beschließen, das ökologische Vorteile bringt, die Interessen der baden-württembergischen Wirtschaft ausbalanciert, mehrheitsfähig ist und der Wirtschaft die gewünschte Planungssicherheit bringt. Aber durch die Urteile ist deutlich geworden, dass die Novelle nur mit der erwähnten Fristverlängerung europarechtskonform ist. Ich kann daher den Antrag der Fraktion GRÜNE, der darauf gerichtet ist, dem Novellierungsentwurf der Bundesregierung vorbehaltlos zuzustimmen,

(Abg. Drautz FDP/DVP: Was? Vorbehaltlos?)

inhaltlich so nicht akzeptieren. Gehen Sie aber davon aus, dass wir am Freitag unter Berücksichtigung der Fristverlängerung mit Blick auf die Konformität mit dem Europarecht dem Grundantrag, wie er bisher besteht, nämlich dem Pfandvereinfachungsmodell, im Bundesrat zustimmen werden. Wir wollen dieses Thema vom Tisch haben, und ich glaube, dass dies eine gute Lösung darstellt.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Walter.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Jetzt aber! – Abg. Göschel SPD: Die FDP/DVP ist isoliert!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich hätte mir gewünscht, dass auch die CDU-Fraktion, Herr Kollege Scheuermann, hier so selbstbewusst hätte auftreten und die Sache so klar hätte darstellen können, wie das jetzt der Herr Minister gemacht hat.

(Zuruf von der SPD: Schade!)

Wir waren uns doch bereits in der letzten Legislaturperiode im Umweltausschuss darüber einig, Herr Kollege Scheuermann, dass es ein solches Pfandsystem geben muss. Jetzt hat der EuGH, wie der Herr Minister gerade dargestellt hat, die Insellösungen kassiert, was ich für richtig und gut halte. Deswegen sollte man das jetzt nicht mehr lange abwägen, sondern der Sache zügig zustimmen.

(Zuruf von der SPD: Zügig!)

Über die Frage, inwieweit es da noch Übergangsfristen von einem halben Jahr mehr oder weniger geben sollte, sollten wir, glaube ich, keinen großen Streit mehr führen. Wichtig ist, dass dieses Thema vom Tisch kommt.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abg. Walter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Scheuermann?

Gerne.

Herr Abg. Scheuermann, bitte.

Herr Kollege, könnten Sie mir bitte einmal sagen, wo in der Sache ein Unterschied zwischen den Aussagen des Ministers und meinen Aussagen gewesen ist?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Ca- roli SPD: Sie waren klarer! – Zuruf des Abg. Hauk CDU)

Das kann ich Ihnen ganz klar sagen, Herr Kollege Scheuermann: Sie haben sich nicht eindeutig dazu bekannt, ob man jetzt am Freitag zustimmen soll oder nicht.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Genau das hat der Herr Kollege Mappus als Minister getan. Das war der Unterschied.

(Zurufe von der CDU – Gegenrufe von der SPD)

Ja, aber wir müssen darüber jetzt keine Diskussion führen. Ich habe nur gesagt, Herr Kollege Scheuermann, Sie haben die Verantwortung...

(Zurufe und Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Das Wort hat Herr Abg. Walter.

(Abg. Alfred Haas CDU: Warum hat er das Wort?)

... – danke – an die Regierung abgegeben, und ich habe von Ihnen wenigstens ein bisschen mehr Selbstbewusstsein verlangt.

(Abg. Drexler SPD: Genau, ein bisschen mehr Selbstbewusstsein! – Abg. Oettinger CDU: Jetzt zur Sache, Herr Kollege!)