Protokoll der Sitzung vom 17.02.2005

Drittens hat Australien einen wesentlich höheren Anteil an Studierenden aus einkommensschwachen Schichten als die Bundesrepublik Deutschland.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Das liegt am Schul- system! Das wissen Sie auch!)

Viertens müssen Sie daran denken, dass die Rückzahlung der Gebühren einkommensabhängig ist, das heißt, dass sie erst ab einem bestimmten Einkommen einsetzt.

(Abg. Fleischer CDU zur SPD: Das ist die Ant- wort!)

Fünftens müssen Sie an die Relation von Studiengebühren zu Lebenshaltungskosten denken. Studiengebühren von 1 000 € im Jahr, also 500 € pro Semester, machen einen Anteil von etwa 10 % an den Lebenshaltungskosten aus, die

(Minister Dr. Frankenberg)

ein Studierender zu tragen hat. Das heißt, die eigentliche Belastung liegt nicht bei den Studiengebühren, sondern bei den Lebenshaltungskosten, die getragen werden müssen. Auch hier muss man die Relationen sehen. Ich denke, auch in Ihrer Partei ist das sehr gründlich diskutiert worden; sonst gäbe es nicht – wie das manchmal so ist – unterschiedliche Meinungen dazu.

Bei dem Modell nachlaufender Studiengebühren muss allerdings sicherlich auch etwa über den Einbau weiterer familienbezogener Erleichterungen nachgedacht werden.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Bregenzer?

Bitte, Frau Bregenzer.

(Abg. Fleischer CDU: Die sieht die erste Frage noch nicht beantwortet!)

Herr Minister, können Sie nach den jetzigen Erklärungen erläutern, warum die Zahl der Studierenden aus einkommensschwächeren Familien dramatisch zurückgegangen war, als Schwarz-Gelb das BAföG in der Bundesrepublik Deutschland zusammengestrichen hatte, und warum die Zahl der Studierenden aus einkommensschwachen Familien überdeutlich angestiegen ist, seit Rot-Grün das BAföG deutlich verbessert hat?

(Abg. Gaßmann SPD: Das liegt am Wetter!)

Frau Bregenzer, die Zahl der Studierenden aus einkommensschwachen oder, wie man sagt, bildungsfernen Schichten ist in Deutschland trotz der Anhebung des BAföG zwar leicht angestiegen,

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Nein, deutlich!)

liegt aber immer noch weit unter dem Durchschnitt aller anderen europäischen Länder.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Sie haben die Zahl halbiert! – Abg. Teßmer SPD: Sie sind informati- onsfern! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Und wie! Lebensfern!)

Die Länder mit Studiengebühren haben in der Regel einen höheren Anteil von Studierenden aus bildungsfernen Schichten als die Bundesrepublik Deutschland.

(Abg. Ruth Weckenmann SPD: In welchem Land ist das so? – Abg. Carla Bregenzer SPD: Die haben auch nicht die soziale Auslese in der Schule wie bei uns!)

An dieser Stelle möchte ich, Frau Bauer, auf das Modell des BDA eingehen: Der Arbeitgeberpräsident und ich haben unsere Modelle auf derselben Pressekonferenz in Berlin vorgestellt. Wir haben also auf dieser Pressekonferenz wechselseitig schon zur Kenntnis genommen, dass jede Seite ihr Modell hat.

In vielen Teilen stimmen wir überein, nämlich darin, dass die Studiengebühren sozialverträglich sein müssen und dass es möglich sein muss, die Studiengebühren nachlaufend zu erheben.

Wir stimmen nicht überein in der Grundhaltung, die ich und die wir als Landesregierung vertreten: Für Kinder aus einkommensschwachen Familien muss es einen „verlorenen Zuschuss“ zu den Lebenshaltungskosten geben. Wir können die Mittel für den Lebensunterhalt auch der einkommensschwachen Schichten nicht vollständig auf Kredit umstellen. Denn dann wäre die Kreditsumme aus Studiengebühren und Lebensunterhaltskosten zu hoch, und das könnte prohibitiv für die Aufnahme eines Studiums sein. Das ist der Aspekt, in dem sich unser Modell von dem BDA-Modell unterscheidet und den ich betone: dass wir bei Zuschüssen des Staates für den Lebensunterhalt von Studierenden aus einkommensschwachen Schichten, aus bildungsfernen Schichten bleiben müssen. Sie mögen die Proportionen als unzureichend ansehen, aber das System an sich ist vernünftig. In dem genannten Aspekt unterscheidet sich unser Vorschlag von dem Vorschlag des Arbeitgeberverbands.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Bauer?

Bitte sehr, Frau Bauer.

Herr Minister, was halten Sie von der vom Studentenwerk im vergangenen Jahr bei der Vorstellung seines Berichts über die Lage der Studierenden vorgebrachten These, das Problem bei der Aufnahme eines Studiums seien weniger die bildungsfernen Schichten, sondern sozusagen die untere Mittelschicht? Das Studentenwerk warnte vor einem „Absacken der Mitte“, weil genau diese Gruppe nur wenig BAföG erhält oder gerade oberhalb der Anspruchsgrenze liegt. Diese Menschen können sich unter Umständen ein Studium nicht mehr leisten, weil sie die Lebenshaltungskosten komplett finanzieren müssen. Für diese gefährdete Gruppe bieten Sie meines Wissens nichts an Abfederung an.

Frau Bauer, man muss immer wieder betonen: Die Abfederung der Studiengebührenleistungen liegt im nachlaufenden System.

(Beifall des Abg. Theurer FDP/DVP)

Das heißt, sie besteht darin, dass es nicht auf das Elterneinkommen ankommt, sondern auf das spätere Einkommen desjenigen, der studiert hat. Die andere Frage ist die des BAföG-Systems, weil es sicherlich eine Grenze beim BAföG gibt, was aber in die Bundeszuständigkeit fällt, wobei man, wenn man knapp darüber liegt, im Grunde genommen am schlechtesten bei der Finanzierung der Lebenshaltungskosten dran ist. Das wäre aber eine Frage der Reform des BAföG-Systems.

Außerdem muss man daran denken, wozu denn die Studiengebühren in den Hochschulen verwendet werden, nämlich für die Verbesserung der Lehre. Ein großer Teil der Studi

(Minister Dr. Frankenberg)

engebühren wird in Stellen für Tutoren und Mentoren fließen. Das heißt, es wird sehr viele Studierende geben, die aus den Studiengebühren Verdienstmöglichkeiten an den Hochschulen erhalten. Das ist das, was die Amerikaner auch als Stipendien bezeichnen, sodass sich für viele die Bedingungen an den Hochschulen, und zwar leistungsbezogen – es sollen ja die besseren Studierenden sein –, verbessern.

Noch ein Wort zu der Verlässlichkeit des Landes im Hinblick darauf, dass diese Gebühren wirklich zusätzlich den Hochschulen zugute kommen. Was Sie, Frau Bregenzer, über die Langzeitstudiengebühren gesagt haben, stimmt für Nordrhein-Westfalen, aber nicht für Baden-Württemberg.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Es stimmt für Baden- Württemberg! Haushaltszahlen Baden-Württem- berg!)

Die Langzeitstudiengebühren sind in Baden-Württemberg vollständig den Hochschulen zugute gekommen, die Langzeitstudiengebühren in Nordrhein-Westfalen größtenteils dem Landeshaushalt.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Die Verwaltungsge- bühren vollständig dem Landeshaushalt! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Ich habe Ihnen die Zahlen genannt, die aus Ihrem Haushalt stammen! Nord- rhein-Westfalen hat doch gar nicht so viele Studi- engebühren eingenommen! Die haben erst angefan- gen!)

Das ist ein Dimensionsunterschied, Herr Palmer.

Die Verlässlichkeit dieser Landesregierung, dass diese Mittel dorthin fließen, wo sie gebraucht werden, ist gegeben. Der Finanzminister hat auch selber immer wieder betont, dass diese Gebühren den Hochschulen zusätzlich zugute kommen. Insofern werden die Studiengebühren etwas sein, was wir benötigen und was wir solide und sozialverträglich einführen werden. Ich glaube nicht, dass diejenigen, die sich wirklich zu der Verantwortung für das Hochschulsystem bekennen, umhinkönnen, sich zu fragen, wie wir die finanzielle Ausstattung der Hochschulen verbessern können. Sie können doch in der Debatte über den Haushalt nicht gleichzeitig fordern, einerseits die Schulden zu verringern und andererseits die Ausgaben des Staates, etwa für die Hochschulen, zu erhöhen.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Aber Sie haben so viele Ausgaben, auf die man verzichten kann!)

Da muss man schon wissen, was man eigentlich will. Da muss man sich auch zu einem dritten Weg bekennen, der heißt: stärkerer Anteil derer, die letztlich die Begünstigung aus einem Studium haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ein Wort zu der Frage der berühmten Eliteuniversitäten. Unsere Hochschulen brauchen mehr Mittel für die Forschung. Das kann man gut sagen. Das ist an sich vernünftig. Wir brauchten auch eine stärkere Differenzierung der Hochschulen in Richtung mehr Elite oder weniger Elite. Wir haben schon eine relativ starke Differenzierung. Den

ken Sie daran, dass unter den zwölf besten deutschen Hochschulen sieben baden-württembergische sind. Sie haben Recht: Natürlich hätten wir von einem Eliteprogramm den größten Nutzen, aber man kann nicht immer sagen: Ich mache das, wovon ich den größten Nutzen habe, auch wenn ich es für falsch halte.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das nennt man Opportu- nismus!)

Der schwarze Peter ist eben nicht ein Opportunist. Ich möchte also nicht wieder auf die Landwirtschaft eingehen.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Nein, ich sage es bloß!)

Was ist an diesem Elitekonzept problematisch? Da sollte man schon über die konkreten Dinge reden. Erstens einmal ist problematisch, dass der Bund seine 1,9 Milliarden € nicht hat.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Weil Sie die Mittel nicht freigeben!)

Sehen Sie einmal, was durch die Abschaffung der Eigenheimzulage in den ersten Jahren hereinkäme. Da sind wir weit von den Mitteln weg, die Frau Bulmahn für den Elitewettbewerb ausgeschrieben hat. Sie hat gleichzeitig die Mittel für den Hochschulbau noch einmal um 63 Millionen € gekürzt. Da fragt man sich doch, ob der Elitewettbewerb nicht zulasten aller anderen Hochschulen gehen würde.