Protokoll der Sitzung vom 17.03.2005

(Abg. Wintruff SPD: So?)

Ja, so war das. Das kann man in Ihrem Wahlprogramm nachlesen. Dass immer noch Bedarf an mehr Stellen besteht, bezweifelt niemand. Aber wie das „Mehr“ zu finanzieren ist, meine Damen und Herren, das müssen Sie dann auch sagen.

(Abg. Zeller SPD: Das haben wir bewiesen!)

Ihr Vorschlag würde den Doppelhaushalt 2005/2006 zusätzlich mit 20 Millionen € belasten. Da müssen Sie ein entsprechendes Finanzierungskonzept vorlegen.

(Abg. Zeller SPD: Das haben wir bei den Haus- haltsberatungen vorgelegt! – Abg. Margot Queitsch SPD: Das können Sie lesen!)

Wir sind uns einig, dass Ganztagsschulen nicht verlängerte Halbtagsschulen oder verlängerte Halbtagsfachschulen, wie Kollege Zeller das nannte, sein können, sondern dass hier eine bestimmte Pädagogik dahinter steckt, die es ermöglicht, dadurch, dass man die Schülerinnen und Schüler länger beieinander hat, Kulturtechniken besser praktizieren bzw. soziales Lernen besser gestalten zu können. Von daher ist die FDP/DVP der Meinung, dass wir solche Angebote schulartübergreifend und flächendeckend brauchen.

(Abg. Zeller SPD: Wie machen Sie es denn? – Zu- ruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Aber wir sind eingestiegen, indem wir dort, wo Sie von der SPD mit 70 aufgehört haben, weil Sie keine einzige Ganztagsschule durchgesetzt haben, bevor Ihr Programm kam, schon bei 140 waren und dies kontinuierlich fortsetzen. Das ist ein Prozess, der im Werden ist und sich gestaltet.

(Abg. Wintruff SPD: Wir haben 4 500!)

Ich muss noch einmal fragen, wenn Sie die autonomen Schulen wollen: Was wollen Sie denn alles von oben aufoktroyieren?

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Geld!)

Lassen Sie doch diese Möglichkeiten sich selber vor Ort entwickeln.

(Abg. Wintruff SPD: Es gibt doch ein Schulge- setz!)

Vor vier Jahren haben Sie, Herr Wintruff, schon gesagt: „brennpunktorientiert“, „stigmatisierend“.

(Zuruf des Abg. Wintruff SPD)

Langsam. Das haben Sie damals gesagt. Inzwischen sind wir davon weg. Damals kam keiner auf die Idee, Ganztagsschulen für Gymnasien zu fordern. Wir haben einst nur gesagt, man muss es auch bei anderen Schularten versuchen.

Inzwischen versuchen wir es nicht mehr, sondern wir praktizieren es. Wir sind auch hier schon einen entscheidenden Schritt weiter.

Vielen Dank.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Stickelberger SPD: Frenetischer Beifall der Abg. Fauser!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Rastätter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerade sind die Haushaltsberatungen für den Doppelhaushalt 2005 und 2006 abgeschlossen. Das Thema Ganztagsschule hat in den Beratungen eine große Rolle gespielt, allerdings nur bei der Opposition, nicht bei den Regierungsfraktionen und nicht bei der Landesregierung.

Kultusministerin Schavan ist in ihrer Rede nicht einmal auf die Anträge der beiden Oppositionsfraktionen eingegangen.

(Zuruf von den Grünen: Unglaublich!)

Wir Grünen haben in den Haushaltsberatungen für das Jahr 2005 und das Jahr 2006 zur Finanzierung des pädagogischen Personals an den neu entstehenden Ganztagsschulen, die mit IZBB-Mitteln flächendeckend in Baden-Württemberg eingerichtet werden, 43 Millionen € eingefordert.

Heute liegt uns der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion vor, mit dem die Ganztagsschule als neuer Schultyp im Schulgesetz verankert werden soll. Ich kann für meine Fraktion bereits heute ankündigen, dass wir diesem Gesetzentwurf zustimmen werden.

(Beifall bei der SPD)

Fakt ist doch, meine Damen und Herren, dass dieser Schultyp bereits in Baden-Württemberg besteht.

(Abg. Wacker CDU: Ja, so ist es!)

Herr Wacker, wir haben in Baden-Württemberg ja bereits Ganztagshauptschulen. Wir haben einige „Altfälle“, die bereits in den Siebzigerjahren gegründet wurden,

(Abg. Wacker CDU: Dann braucht man kein Ge- setz!)

als die Landesregierung den Versuch unternommen hat, in diesem Punkt ein bisschen weiter zu kommen, dann aber in den Startlöchern versackt ist. Fakt ist also: Die Schulen bestehen bereits, und dazu bekennen Sie sich. Insofern sehe ich überhaupt keinen Grund, warum dieser Schultyp nicht im Schulgesetz verankert werden sollte.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Wa- cker CDU: Warum denn? Dann braucht man es doch nicht in ein Gesetz zu nehmen! Die Frage kann man auch umgekehrt stellen!)

Meine Damen und Herren, ich kann auch ankündigen, dass wir Grünen weitere Initiativen zur flächendeckenden Ausweitung von Ganztagsschulen in Baden-Württemberg einbringen werden.

Um im Jargon der Kultusministerin zu reden, kann ich sagen: Wir werden auch keinen einzigen Millimeter bei unserem Ziel, endlich in Baden-Württemberg eine flächendeckende Versorgung mit Ganztagsschulen zu erreichen, wackeln.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Nach den Haushaltsberatungen habe ich vor Ort Gespräche mit Schulleitern und Vertretern von Kommunen geführt sowie Veranstaltungen besucht. Ich habe festgestellt, dass es überall im Land eine sehr große Frustration und Enttäuschung darüber gibt, dass es sich die Regierungsfraktionen angesichts einer gewaltigen Aufbruchstimmung in den Kommunen und an den Schulen geleistet haben, keinen einzigen Euro für das pädagogische Personal zur Verfügung zu stellen. Damit lassen Sie sowohl die Kommunen als auch die Schulen, die sich um die Entwicklung guter pädagogischer Konzepte bemühen und diese auch erarbeiten, im Regen stehen. Darüber herrscht wirklich Frustration im Land.

Für viele stellt sich die Frage: Wie können wir diese hervorragenden pädagogischen Konzepte umsetzen, wenn uns die Landesregierung dabei im Regen stehen lässt?

Die Alternative dazu ist – und in einigen Fällen wird sie schon praktiziert –, vor Ort Schulgebühren zu erheben. Mir sagen aber auch alle Schulleiter und Vertreter von Kommunen, dass sie für die neu entstehenden Ganztagsschulen keine Schulgebühren wollen, weil dann genau das Problem auftritt, dass ausgerechnet die Kinder und Jugendlichen mit dem größten Bedarf an zusätzlichen Lernzeiten, an persönlichkeitsbildenden zusätzlichen Angeboten und an Zeit für soziales Lernen davon ausgeschlossen sind.

Gerade in unserem Bildungswesen mit der scharfen sozialen Auslese, wo ja die Herkunft der Schülerinnen und Schüler über den Schulerfolg entscheidet, bietet doch die Ganztagsschule eine hervorragende Möglichkeit, Schülerinnen und Schülern zusätzliche Hilfe und Unterstützung zu geben. Ich finde es schon beschämend, dass Sie sich dem total verweigern.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Berücksichtigen Sie, wie sehr Eltern aus akademisch gebildeten Elternhäusern in der Halbtagsschule ihre Kinder unterstützen können. Bundesweit werden 2 Milliarden € in Nachhilfestunden investiert. Eine neue Studie zeigt, dass gerade Eltern mit hohem Einkommen die Hausaufgabenhilfe bezahlen. Wenn Sie wissen, dass Eltern mit hohem Einkommen ihre Kinder in die Musikschulen schicken können, müssen Sie einfach auch erkennen, wie notwendig es ist, dass solche Angebote endlich unabhängig von der sozialen Schicht für alle Kinder dieses Landes an den Schulen gemacht werden können.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Nach diesen Haushaltsbeschlüssen sind aber auch die Träger der außerschulischen Jugendbildung enttäuscht und frustriert. Ich nenne hier an erster Stelle die Jugendmusikschulen dieses Landes. Herr Kollege Wacker, Sie waren ja selbst Leiter einer Jugendmusikschule. Sie wissen doch am besten, wie scharf die Jugendmusikschulen kalkulieren

müssen, um in Baden-Württemberg überhaupt existieren zu können. Die Jugendmusikschulen können doch nicht die Lehrkräfte zum Nulltarif an die Schulen geben, damit dort die musikalische Erziehung ins pädagogische Konzept integriert wird. Das heißt, die Jugendmusikschulen – ich habe gerade erneut ein Gespräch mit dem Landesverband geführt – fordern, dass zwischen dem Land und den Trägern der außerschulischen Jugendbildung endlich eine Rahmenvereinbarung mit verlässlichen Garantien, dass auch Honorare bezahlt werden, abgeschlossen wird. Dann erst können Jugendmusikschulen verlässlich in die pädagogischen Konzepte der Ganztagsschulen eingebunden werden.

Das Ehrenamt – Herr Wacker, das wissen Sie genauso gut wie ich – ist da keine Lösung, meine Damen und Herren. Das Ehrenamt ist wichtig. Ich befürworte ein hohes ehrenamtliches Engagement von Eltern und von außerschulisch Engagierten an der Schule. Aber das ist im Wesentlichen für Projektarbeit oder für zeitweilige Angebote geeignet. Ehrenamt kann nie eine verlässliche Basis für ein langfristiges pädagogisches Konzept einer Schule sein.

(Abg. Wacker CDU: Bestandteil! – Abg. Klein- mann FDP/DVP: Mehr sagen wir ja auch nicht!)

Bestandteil durchaus.

Weil die Landesregierung die Rahmenvereinbarung zwischen Bund und Ländern über das 4-Milliarden-€-Programm lediglich an die Kommunen weitergegeben und sich nicht entschieden hat, selbst Kriterien des Ausbaus mit den Kommunen festzulegen, sind natürlich auch Chancen verpasst worden. Es ist die Chance verpasst worden, dass in der Fläche in einem ausgewogenen Verhältnis an allen Schularten ein Ausbau von Ganztagsschulen stattfindet. Ich finde es außerordentlich bedauerlich, dass ausgerechnet an den Grundschulen, wo ja das Problem der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und auch der Bedarf an einer Verbesserung der individuellen Förderung von sozial benachteiligten Kindern am größten ist, die geringste Zahl von Ganztagsschulen eingerichtet werden.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Daran tragen Sie die Schuld, indem Sie keinen Einfluss auf die Entwicklung von Ganztagsschulen in Baden-Württemberg genommen haben.

Was tun? Ganz klar: Erstens müssen auch die Schulen, die jetzt mit IZBB-Mitteln zu Ganztagsschulen ausgebaut werden, endlich als Ganztagsschulen anerkannt werden. Es darf keine zwei Klassen geben, nämlich Ganztagsschulen erster Klasse, die Sie als solche bezeichnen und auch an die KMK melden, und zweitens Ganztagsschulen, mit denen Sie nichts zu tun haben, an denen irgendeine Betreuung stattfindet: IZBB-Schulen. Die IZBB-Schulen sind ja auch keine Schulen zweiter Klasse. Diese bemühen sich ebenso, gute Konzepte zu erarbeiten und umzusetzen. Insofern ist deren Nichtanerkennung auch eine Abwertung des großen Engagements der Betroffenen vor Ort. Wir fordern also endlich eine Anerkennung auch dieser Schulen als Ganztagsschulen.