Deswegen appelliere ich auch an Sie: Überlegen Sie einmal, wie lange Sie bei der Werkrealschule gebraucht haben. Die Werkrealschule war 17 Jahre lang Schulversuch. Wir haben schließlich in der großen Koalition, Herr Kleinmann, dafür gesorgt, dass dieser Schulversuch aufgegeben und die Werkrealschule im Schulgesetz verankert wurde.
Deswegen sagen wir: Es ist längst überfällig, eine anerkannte Schulform, die Ganztagsschule, endlich im Schulgesetz zu verankern.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD, Drucksache 13/4040, und des Antrags der Fraktion der SPD, Drucksache 13/3420.
Beim Antrag Drucksache 13/3420 handelt es sich um einen Berichtsantrag. Er ist mit der heutigen Aussprache erledigt. – Es ist so beschlossen.
Der Gesetzentwurf Drucksache 13/4040 soll an den Schulausschuss überwiesen werden. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion GRÜNE – Gesetz zur Änderung der Landesverfassung – Drucksache 13/4070
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Seit 30 Jahren haben wir im Haushalt des Landes Baden-Württemberg eine systematische Steigerung der Schulden. Der Landeshaushalt balanciert am Rande der Verfassungsmäßigkeit. Die Regierung musste zu Finanzierungstricks übelster Sorte greifen, damit die Verfassungsmäßigkeit nicht kippte.
Der übelste Trick war, dass Forderungen aus einer Beteiligung an der LBBW verkauft wurden, die man vorher mit Krediten finanziert hatte. Man muss sich das einmal im privaten Bereich vorstellen: Jemand nimmt einen Kredit auf, kauft dafür Wertpapiere, schließlich verkauft er die zukünftigen Zinsen und verjuckelt das Geld.
Massiv enttäuscht hat mich dabei das Verhalten der Regierungsfraktionen, die gar keine Anstalten machten, die Regierung zur Räson zu bringen und ein Minimum an Seriosität einzufordern. Eine Ausnahme war der Kollege Winckler. Ich finde, es wäre ehrlich gewesen, wenn Sie einen verfassungswidrigen Haushalt ohne diese verdeckte Schuldenfinanzierung über den Trick mit der LBBW, der ja bis ins Jahr 2017 reichen wird, eingebracht hätten. Die Erfahrung der letzten Haushaltsjahre zeigt, dass wir ein Instrument der Selbstverpflichtung für Regierung und Parlament brauchen, eine Leitplanke, die die Finanzpolitik auf Kurs hält.
Seit 2001 gibt es in der Schweizer Bundesverfassung – die meisten Kantone haben das inzwischen übernommen – eine Regelung, die unter der Bezeichnung „Schuldenbremse“ in der Schweiz starke Zustimmung gefunden hat und bei einer Volksabstimmung mit 85 % Zustimmung in die Verfassung gekommen ist. Der Internationale Währungsfonds hat dieses Instrument ausdrücklich gewürdigt.
Deswegen wollen wir hier mit dem neuen Artikel 79 a dieses Instrument in die baden-württembergische Verfassung aufnehmen. Der Text liegt Ihnen vor. Die wichtigsten Inhalte sind: Der Ausgabenpfad richtet sich nach der Einnahmeentwicklung ohne Krediteinnahmen. Mehrausgaben, das heißt Kreditaufnahmen, sind im Rahmen einer mittelfristigen Nachhaltigkeitsplanung auszugleichen. Das Entscheidende dabei ist nicht nur, dass Sie damit einen längeren Horizont haben als in der gegenwärtigen mittelfristigen Finanzplanung. Vielmehr umfasst diese Regelung eben auch
einen Maßnahmenkatalog, das heißt eine Personalentwicklungsplanung und eine Maßnahmenplanung. Kurz gesagt: Ohne Rückzahlungsprogramm gibt es keine Kreditaufnahme.
Dass das im Einzelfall schwierig ist, ist durchaus gewollt. Im Grunde genommen fordern wir vom Landeshaushalt nicht mehr, als jede Bank von einem mittelständischen Unternehmen fordert: Wenn es einen Kredit möchte, muss es darlegen, wie es ihn zurückzahlt. Da reichen natürlich nebulöse Prognosen wie die des designierten Ministerpräsidenten – „Stopp der Neuverschuldung noch in meiner Generation“; Zitat Oettinger – nicht aus.
Ich meine, das könnte ja nun wirklich auch kein Kreditsachbearbeiter bei einem Handwerker annehmen, wenn dieser seinen Kreditwunsch auf diese Art formulierte.
Regieren heißt vorausplanen und vorausdenken. Mit der hier vorgelegten Selbstverpflichtung entsteht auch die Forderung, Politik mittelfristig und über den Tag darzulegen und aufzuzeigen, wo Aufgaben geändert und abgebaut werden, aber auch darzulegen, wo dringliche Kernaufgaben auch in Zukunft wahrgenommen werden müssen.
Ich bin überzeugt, wir bremsen mit dieser Verfassungsänderung in Zukunft nicht nur unsere Schulden, sondern wir verhelfen der Politik auf längere Sicht auch zu dem langen Atem, den sie braucht, um handlungsfähig zu bleiben. Denn unsere Haushaltssituation hat gezeigt, dass uns eine weitere Verschuldung in dieser Richtung politisch handlungsunfähig macht. Darum ist es notwendig, diese Leitplanke für uns alle hier im Parlament in die Verfassung einzufügen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf der Grünen klingt ja auf den ersten Blick ganz gut.
Das finanzpolitische Ziel, das Sie damit verfolgen – die Neuverschuldung zu reduzieren und die Regelung einzuführen, dass man in Zeiten der Hochkonjunktur Überschüsse zurücklegt, damit man in Zeiten der Rezession Schulden ausgleichen kann –, macht ja auch grundsätzlich Sinn.
Aber wenn man sich einmal die Praxis ansieht, wie das in der Schweiz mit dieser Schuldenbremse tatsächlich funktioniert, dann ist es eben nicht mehr so positiv. Wie sieht es in der Schweiz aus? Dort wird eindeutig anerkannt, dass die Schuldenbremse nicht zum Abbau eines strukturellen Defizits geeignet ist.
Ihr Gesetzentwurf ist eigentlich dann sinnvoll, wenn wir einen ausgeglichenen Haushalt haben und auf dieser Basis dann durch Verfassungsbestimmung eine jährliche Neuverschuldung nicht mehr möglich ist.
Wie hat sich die verfassungsrechtliche Schuldenbremse in der Schweiz entwickelt? Bereits 1998 wurde eine erste Bestimmung in die Schweizer Verfassung aufgenommen, wonach der Bund seine Ausgaben und Einnahmen auf Dauer im Gleichgewicht halten soll. 2001 ist diese Bestimmung dann durch die von Ihnen, Herr Kretschmann, erwähnte Volksabstimmung ausgeweitet und konkretisiert worden. Aber bereits mit den Ausführungsregelungen im Finanzhaushaltsgesetz der Schweiz sind zahlreiche Ausnahmen ermöglicht worden. Im Jahr 2003,
als die Schuldenbremse in der Schweiz zum ersten Mal hätte angewandt werden sollen, wurden erneut Ausnahmeregelungen beschlossen, und man hat diese Schuldenbremse der Verfassung quasi außer Kraft gesetzt.
Meine Damen und Herren, auch die Begründung, die in der Schweiz gegeben wurde, zeigt, dass diese Schuldenbremse nicht geeignet ist, um ein strukturelles Defizit abzubauen, sondern dass erst nach dem vorherigen Abbau ein solches Instrument Sinn macht. Sie sind zu früh dran; Sie machen quasi den zweiten Schritt vor dem ersten.
Noch ein weiterer Punkt ist wichtig: Wir haben als Land keine Möglichkeit, bestimmte Einnahmeentwicklungen zu beeinflussen. Wir können weder Steuern erhöhen, noch können wir Steuern senken.
Wir sind bei der Frage, wie aufgrund der Steuergesetze die Steuern fließen, in vollem Umfang abhängig von den Beschlüssen auf Bundesebene, nämlich des Bundestags, und wir sind abhängig von der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung. Hier hat die Föderalismuskommission ja leider den Ländern keine eigenen Steuerkompetenzen zubilligen können.
Auch das ist also ein Punkt, der sich auf der Bundesebene anders darstellt als bei uns auf der Landesebene.
Wenn man nun unsere Haushaltslücke von jährlich knapp 3 Milliarden € in den Jahren 2007 und 2008 sieht, von der die mittelfristige Finanzplanung ausgeht, dann zeigt sich, dass die Einführung einer Schuldenbremse in der Verfassung derzeit keinen Sinn macht. Vielmehr macht es derzeit Sinn, dass wir, die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen, in den Haushaltsberatungen zahlreiche Maß