Protokoll der Sitzung vom 24.05.2007

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

in die weiteren Gespräche mit einzubinden. Insofern hoffe ich auch, dass Sie uns bzw. der Regierung, dem Wissenschaftsministerium und dem Staatsministerium, das Vertrauen entgegenbringen, dass wir jetzt in den Gesprächen die Spielräume ausloten. Dabei ist immer das Ziel, die Musikhochschule zu gewinnen, aber auch, deutlich zu machen: Auch wenn die Musikhochschule nicht gewonnen werden kann, werden wir dieses Projekt weiter vorantreiben und es sicherlich nicht scheitern lassen.

Keine weiteren Zusatzfragen? – Vielen Dank, Herr Staatssekretär.

Die Fragestunde ist damit beendet.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 6 auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz über den Datenschutz im Justizvollzug in Ba- den-Württemberg (Justizvollzugsdatenschutzgesetz – JVollzDSG) – Drucksache 14/1241

Das Präsidium hat festgelegt, dass nach Einbringung des Gesetzentwurfs durch die Regierung eine Aussprache mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion geführt wird.

Ich darf das Wort Herrn Justizminister Dr. Goll erteilen.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist jetzt das zweite Gesetz – das Jugendstrafvollzugsgesetz vorhin war das erste –, das wir aufgrund der Kompetenzen, die wir durch die Föderalismusreform hinzugewonnen haben, auf den Weg bringen. Dieses Gesetz hat vielleicht nicht die Tragweite des Gesetzes, das wir vor der Mittagspause behandelt haben, aber es ist ein wichtiges Gesetz.

Man sollte die Architektur insgesamt kennen. Beim Justizvollzugsdatenschutzgesetz geht es um ein Gesetz, das für alle Bereiche Gültigkeit haben wird: für den Jugendstrafvollzug, für die Untersuchungshaft und für den Erwachsenenstrafvollzug. Das brauchen wir aber jetzt schon im Zusammenhang mit dem Jugendstrafvollzug. Die bisherigen Regelungen zum Datenschutz im Vollzug sind unzureichend; da gibt es überhaupt keinen Zweifel. Da hätte ohnehin Handlungsbedarf bestanden. Diesen Handlungsbedarf hat man schon vorher gesehen, und er wird jetzt gedeckt. In der Endausbaustufe werden wir vier Gesetze haben: Jugendstrafvollzugsgesetz, Untersuchungshaftvollzugsgesetz, Strafvollzugsgesetz im Erwachsenenbereich und das Gesetz über den Datenschutz für all diese drei Bereiche. Diese vier Gesetze werden wir am Schluss in einem Buch über den Strafvollzug in Baden-Württemberg zusammenfassen.

Ausgangspunkt der Regelung ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Es gibt bisher Bestimmungen zum Datenschutz im Strafvollzug. Sie sind aber lückenhaft und betreffen auch nur die Strafhaft und nicht die Jugendstrafhaft und die Untersuchungshaft. Schon deswegen müssen wir jetzt aufgrund der uns zugefallenen Kompetenz handeln.

Wir legen einen Entwurf vor, der auf der einen Seite das Recht des Gefangenen auf informationelle Selbstbestimmung im Blick hat und auf der anderen Seite für die Praxis des Strafvollzugs ein modernes, sicherheitsorientiertes und kostenbewusstes Informationsmanagement bringen soll. Da haben wir im Moment mit diesem Gesetz bundesweit eine gewisse Vorreiterrolle.

Wenn wir bei dieser Ersten Beratung hier im Landtag noch kurz einzelne Themen beleuchten, dann muss man sich vorweg, glaube ich, eines klarmachen, bevor man das Gesetz näher betrachtet: Es geht um die Verarbeitung von erkennungsdienstlichen Unterlagen, beispielsweise um biometrische Daten. Es kann um Gesichtsfelderkennung oder Irisscanning und Ähnliches gehen. Aber es gibt natürlich einen großen Unterschied zwischen drinnen und draußen. Bei uns hat jeder ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, auch ein Gefangener; aber es gibt in einem Punkt einen gewaltigen Unterschied. Ich persönlich bin – das ist, glaube ich, bekannt – bei biometrischen Daten sehr zurückhaltend, wenn irgendwo im Straßenverkehr auf einmal die Gesichtsfelderkennung zum Einsatz kommen soll. Da bekommen wir die alte Debatte zum Thema Bewegungsbild, das wir nicht wollen. Genau dieses Thema findet natürlich in einer Vollzugsanstalt keinen Platz. Da geht es nicht um Bewegungsbilder. Da wissen wir eigentlich genau, wo die Gefangenen sind.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Wer wo ist! Hof- fentlich! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Bei allen wissen wir es auch nicht!)

Hoffentlich. Diese Aussage ist berechtigt und leitet über zur nächsten Überlegung.

Die Gefangenen sind innerhalb der Anstalt – hoffentlich –, aber es gibt natürlich viele kleine Wanderungen innerhalb der Anstalt, die übrigens sehr viel Personal binden. Man muss sicher sein, dass die Menschen, die in einer bestimmten Werkstatt arbeiten, dann auch wieder in den Zellentrakt zurückkehren, und zwar alle. Das sind ganz simple Fragen des Alltags einer Vollzugsanstalt. Da ist unsere Überlegung: Da wir wissen, dass wir sparsam mit dem Personal im Justizvollzug umgehen müssen, sollte man dort auch die technischen Möglichkeiten nutzen. Da ist für mich ein Portal, und sei es auch mit Gesichtsfelderkennung, das die Gefangenen auf dem Weg von der Werkstatt zurück in den Zellentrakt passieren, eine ganz andere Tatsache als ein solches Portal irgendwo in der Stadt Stuttgart. Da ist das einfach hilfreich, und da ist der Eingriff in die Rechte des Betroffenen bei Weitem nicht so groß, da es nur darum geht, sich zu vergewissern, dass er auch an der richtigen Stelle innerhalb der Anstalt ist. Ich glaube, wir sind es auch dem Personal schuldig, dort Grundlagen zu schaffen für die Nutzung erkennungsdienstlicher Unterlagen einschließlich biometrischer Daten.

Auch die Radiofrequenzidentifikation, die so funktioniert, dass die Gefangenen mit Ausweisen ausgestattet werden, die sie durch einen Scanner ziehen können, ist eigentlich mehr oder weniger eine Selbstverständlichkeit, erleichtert dort aber die Abläufe natürlich erheblich.

Zweites Thema: Bei der Videoüberwachung gilt im Prinzip Ähnliches. Wir sind – um es ganz präzise auszudrücken: ich bin es, und meine Fraktion ist es natürlich auch; das ist auch bekannt – z. B. beim Einsatz von Videoüberwachung sehr zurückhaltend. Trotzdem wird jeder von Weitem sehen, dass das Thema Videoüberwachung in einer Haftanstalt etwas völlig anderes ist als draußen. Hier geht es natürlich darum, in der Anstalt die Möglichkeiten dieser Technik zu nutzen. Natürlich muss es dort auch Schranken geben, nämlich dann, wenn der Inhalt einer Zelle überwacht wird. Da muss man dann entsprechend die gebührenden Einschränkungen machen. Ich sage noch einmal: Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hört in der Anstalt keineswegs auf. Es ist in mancher Hinsicht nur anders zu betrachten, wenn man sich die Lage eines Inhaftierten und die Aufgaben des Strafvollzugs vor Augen hält.

So viel zu diesen Datenerhebungsmethoden.

Außerdem ist es an der Zeit, die gesetzliche Grundlage für eine zentrale Haftdatei im Land festzuschreiben. Wir sollten natürlich landesweit – und zwar schnell – ermitteln können, wer wo aus welchem Grund einsitzt. Das ist schon für das Belegungsmanagement innerhalb der Anstalten wichtig. Die Daten sind aber natürlich auch wichtig für die Justizvollzugs- und Vollstreckungsbehörden sowie für die Strafvollstreckungskammern der Landgerichte. Diese Daten – das muss man dazusagen – sind bisher natürlich auch schon übermittelt worden, allerdings wesentlich umständlicher und eben so, dass viel Personal gebunden wird.

Zudem sind die weiteren Übermittlungsbefugnisse erwähnenswert – die Übermittlung von Daten folgt bereits der gängigen Praxis, kann nun aber technisch erleichtert werden –, z. B. für

die Datenübermittlung an die Ausländerbehörden, an öffentliche Kassen, aber auch an Stellen, die wir brauchen, um eine erfolgreiche Resozialisierung zu ermöglichen. Ergänzend gibt es noch die Regelungen zur Befugnis der Datenübermittlung an die Meldebehörden. Auch das ist von der Sache her, glaube ich, unkritisch, aber man muss es an die neuen technischen Möglichkeiten anpassen.

Wir planen im Rahmen der zentralen Haftdatei auch eine Datei für besonders gefährliche Täter. Dabei muss man Überlegungen anstellen, ob sich mit dem bayerischen Projekt, das jetzt durch die Presse gegangen ist, Berührungspunkte ergeben und ob wir da nicht auch schon Ansätze haben, besonders rückfallgefährdete Täter zu identifizieren. Aber das sage ich nur als Hinweis auf eine künftige Diskussion.

Ich glaube, dass dieses Gesetz dazu beiträgt, den Datenschutz in den Anstalten auf eine klare Grundlage zu stellen, dass es einerseits die Rechte der Betroffenen in gebührendem Maß respektiert und andererseits die Abläufe so weit erleichtert, wie es in den Anstalten gebraucht wird – gerade weil die Beschäftigten gut beschäftigt sind und wir ihnen diese Unterstützung nicht versagen sollten.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie des Abg. Peter Hofelich SPD und auf der Zuhörertribü- ne)

Das Wort für die CDUFraktion erteile ich Herrn Abg. Hitzler.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Verarbeitung personenbezogener Daten im Justizvollzug des Landes bedarf einer landesrechtlichen Regelung. Dabei müssen natürlich die Rechte der betroffenen Gefangenen gewahrt werden. Aber es muss auch gewährleistet sein, dass die Vollzugsbehörden ihre Aufgaben effizient erfüllen können. Die Sicherheit und Ordnung der Anstalten muss ebenso gewährleistet sein. Dies wäre dann auch ein Beitrag zur inneren Sicherheit.

Der vorliegende Gesetzentwurf erfüllt diese Voraussetzungen. Wir alle wissen, dass die Technik vorangeschritten ist und dass es bislang Bereiche gibt, in denen die Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung fehlt. Es ist insbesondere notwendig, Ermächtigungsgrundlagen für die Verarbeitung erkennungsdienstlicher Unterlagen wie Lichtbilder, Fingerabdrücke und biometrische Daten zu haben. Auch sind die Videoüberwachung und die Radiofrequenzidentifikation und eine landesweite zentrale Haftdatei mit der Möglichkeit des automatischen Abrufs notwendig.

Das Land ist nach der Föderalismusreform nun hierfür zuständig. Die Frage, ob eine der genannten Freiheitsentziehungen angewendet und vollzogen wird, liegt in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes.

Sehr viele Anregungen, die im Anhörungsverfahren gegeben wurden, konnten übernommen werden. Zu den nicht übernommenen Vorschlägen stelle ich fest, dass auf eine Ermächtigung zur Verarbeitung biometrischer Daten nicht verzichtet werden kann, da die Biometrie als Sicherheitstechnologie sehr geeignet ist. Hier hat unsere Fraktion auch klar eine andere

Auffassung als der Landesbeauftragte für den Datenschutz, weil wir meinen, dass der Schutz der Bevölkerung einfach und klar Priorität hat.

(Beifall der Abg. Dr. Klaus Schüle und Karl Zimmer- mann CDU – Abg. Karl Zimmermann CDU: So ist es!)

Auch die Offenbarungspflichten für Ärzte, Psychologen und Sozialarbeiter müssen bestehen bleiben, da der Anstaltsleiter die Gesamtverantwortung trägt. Ausdrücklich bleibt aber der geltende Schutz des Beicht- und Seelsorgegeheimnisses gewahrt, auch bei der Videoüberwachung.

Ich stelle zusammenfassend fest, dass hier ein moderner, sicherheitsorientierter und kostenbewusster Gesetzentwurf vorliegt. Ich danke dem Justizminister und seinem Haus für die gute Arbeit. Die CDU-Fraktion wird zustimmen, und wir werden uns im Ausschuss noch sehr lange über Details unterhalten können.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Sakellariou das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal herzlichen Dank für den Hinweis, dass die Redezeit beim vorherigen Gesetzentwurf, der nun wirklich eine ganz andere Tragweite hatte als der jetzige, zu gering bemessen war. Dagegen wird die Redezeit für diesen Gesetzentwurf nun ausreichen.

Grundsätzlich: Das Justizvollzugsdatenschutzgesetz ist natürlich jetzt dringend erforderlich und muss gemacht werden. Es ist auch zwingend, dass das nach der Föderalismusreform nun auch auf Landesebene gemacht wird. Was die Tragweite angeht, so gibt es von uns nur ganz wenig Kritik; denn in diesem Spannungsfeld zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung von Personen – die diese Rechte natürlich auch im Strafvollzug haben – und der Sicherheit müssen wir bei der Abwägung schon zu dem Ergebnis kommen, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung jedenfalls bei diesen Personen, die schon einmal nachgewiesen haben, dass sie sich strafbar gemacht haben, etwas enger auszulegen ist. Insofern kann ich in diesem Bereich unsere Zustimmung signalisieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Aber es gibt natürlich auch einen Bereich, bei dem die Überlegungen womöglich in eine andere Richtung laufen könnten. Im Vorfeld dieser Beratung sind ja auch Bedenken laut geworden, und zwar gerade auch Bedenken von Psychotherapeuten und Psychologen, die mit Schwersttätern zu tun haben, die in der Vollzugssituation therapeutisch behandelt werden sollen.

Da wurde – und das sind nun Fragen, die wir noch im Ausschuss besprechen müssen – zunächst einmal gefordert, zu prüfen, ob diese psychotherapeutischen Akten, die ja nun wirklich die intimsten Daten enthalten, nicht separat gehalten werden können, damit sie nicht bei jeder Einzelfrage – bei der

es etwa darum geht, ob jemand in diesen oder jenen Zellentrakt verlegt werden soll – durch Dritte zurate gezogen werden können. Dafür sind mir die Daten dort zu heikel. Vor allem wurde auf das Risiko hingewiesen – und diese Auffassung teile ich –, dass Patienten, die im Vollzug therapiert werden sollen, befürchten müssen, dass solche intimen Daten, die für die medizinische Behandlung von Bedeutung sind, wegen einer geringfügigen Entscheidung wie etwa einer Verlegung zurate gezogen werden können, und sich deshalb schon während der therapeutischen Behandlung so taktisch verhal- ten, dass dort überhaupt kein Heilungserfolg erzielt werden kann.

Diese Problematik ist mir nahegegangen; ich kann mir auch vorstellen, dass wir uns darüber noch vertieft unterhalten müssen. Da sind wir noch nicht am Ende unserer Überlegungen. Jedenfalls ist dies, meine ich, überlegens- und beratenswert.

Der nächste Punkt betrifft die Offenbarungspflicht. Auch da ist genau dasselbe Problem vorhanden: Wenn man jemanden therapieren will, den man endlich in der Anstalt hat, stellt sich die Frage: Dient es dem Heilungserfolg, wenn der Gefangene weiß, dass alles, was er in den Gesprächen sagt – auch in diesem ganz heiklen psychotherapeutischen Bereich –, jederzeit vom Anstaltsleiter wegen nahezu jeder vollzugsbedingten Frage herangezogen werden kann? Befördert das den Heilungserfolg, oder läuft das dann womöglich schief?

Wenn wir das vor diesem Hintergrund im Ausschuss noch gründlich diskutieren, dann ist es denkbar, dass wir diesem Gesetzentwurf zustimmen können.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Herrn Abg. Oelmayer das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als weiteres Thema im Rahmen der Föderalismusreform steht heute im Landtag der Datenschutz auf der Tagesordnung. Das ist sicher ein sehr gewichtiges und gerade im Bereich des Strafvollzugs sensibles Thema. Es ist auch vonseiten unserer Fraktion zu begrüßen, dass die Landesregierung hierzu gesetzliche Grundlagen schafft; denn die se sind bislang nur sehr lückenhaft vorhanden.