Protokoll der Sitzung vom 27.06.2007

Ich denke, damit können auch Sie leben, und das können Sie ebenfalls mit übernehmen.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Zwischenfrage!)

Auch die beantragte Änderung im § 3 Abs. 2 ist nicht praktikabel, wonach Teilanstalten, Abteilungen und Außenstellen einer Justizvollzugsanstalt aus besonderen Gründen zur Jugendstrafvollzugsanstalt bestimmt werden können. Das hat natürlich einen besonderen praktischen Bezug. Wir können damit auf einen eventuellen Bedarf kurzfristig reagieren, ohne dass der Gesetzestext beeinträchtigt wird. Wir sind also flexibel. Das wollen Sie doch auch haben.

Aus demselben Grund muss der Antrag abgelehnt werden.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, lassen Sie die Zwischenfrage jetzt zu?

Ich lasse die Zwischenfrage zu. Bitte schön.

Sehr schön.

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Wetzel.

Sie haben das Projekt Seehaus erwähnt, das auch wir sehr schätzen. Sind Sie mit mir einer Meinung, wenn ich darauf hinweise, dass dieses Projekt etwa zwölf jugendliche Strafgefangene betreut und damit einen Teil der Strafgefangenen abdeckt, der in der Größenordnung von vielleicht 2 bis 3 % liegt, und dass deshalb Ihre Argumente, bezogen auf das Seehaus, nicht für die große Masse der straffälligen Jugendlichen gelten?

Ich bin mit Ihnen einig,

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Sagen Sie doch ein- fach Ja!)

dass sich im Seehaus derzeit zwölf jugendliche Strafgefangene befinden und dort während ihres Strafvollzugs erzogen werden.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Missioniert!)

Das ist völlig richtig. Wir wollen die dort gewonnenen positiven Erfahrungen für unsere Jugendstrafvollzugsanstalten insgesamt übernehmen. Dann sind wir wieder auf dem richtigen Gleis, Herr Kollege Stickelberger.

(Zuruf des Abg. Nikolaos Sakellariou SPD)

Auch die Forderung, § 4 Abs. 1 ersatzlos zu streichen, kann nicht übernommen werden. Nach dieser Bestimmung sollen Heranwachsende und junge Erwachsene getrennt untergebracht und altersgemäß erzogen werden. Diese Bestimmung ist natürlich sehr sinnvoll und geradezu erforderlich, da sie ebenfalls einen starken Bezug zur Praxis hat.

Die jungen Strafgefangenen gelangen überwiegend in den Strafvollzug, weil ein Gericht bei ihnen schädliche Neigungen

bzw. erhebliche Entwicklungs-, Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen festgestellt hat. So steht es im Jugendgerichtsgesetz. Außerdem wurde ihnen eine ungünstige Kriminalprognose bescheinigt, weil eine Jugendstrafe bis zu zwei Jahren ansonsten zur Bewährung ausgesetzt würde. Wir haben es also nicht mit harmlosen Ministranten aus dem oberen Schwarzwald zu tun.

Wir wollen mit dieser Bestimmung erreichen, dass die Jugendlichen nicht von den Älteren zu Straftaten ermuntert und motiviert werden.

Herr Kollege Oelmayer, schauen Sie die Zahlen an: Jugendliche Strafgefangene machen gerade 120 Personen von insgesamt ca. 600 aus.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Haben Sie einmal die Rückfallquote angeschaut? Das haben Sie nicht gemacht! Das glaube ich!)

Die baden-württembergische Justizvollzugsanstalt Adelsheim und die freien Formen leisten hervorragende Arbeit. Ebenso werden die jungen Gefangenen künftig von Menschen erzogen, die geeignet und entsprechend ausgebildet sind. Eine zwingende gesetzliche Vorschrift ist nicht erforderlich. Aus diesem Grund muss dieser Antrag ebenfalls abgelehnt werden.

Es ist auch nicht notwendig, dass in § 60 die Bestimmung aufgenommen wird, dass schulische und berufliche Leistungen Vorrang vor der Arbeit haben.

(Zuruf von den Grünen: Warum?)

§ 60 Abs. 2 beinhaltet das Recht des jungen Strafgefangenen zur Ausbildung. Wir brauchen das Weitere nicht. Damit ist meines Erachtens alles gesagt. Es ist nicht erforderlich, zusätzlich eine Bestimmung aufzunehmen, gemäß der schulische Bildung Vorrang vor entsprechender Arbeit hat, weil das bereits im Gesetz steht.

Ebenso lehnen wir die langatmigen, umständlichen und unpraktikablen Vorschriften zu § 95 ab. Den Vorschlag haben Sie, meine Damen und Herren, auf dem Tisch liegen. Der Vorschlag zur Konfliktlösung ist völlig unpraktikabel. Der Paragraf geht über eine komplette Seite. Da muss man sich richtig durcharbeiten, bis man gecheckt hat, was dort steht.

(Zuruf von den Grünen: Woran liegt das denn?)

Im Übrigen ist es schlicht und ergreifend

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Bis die den Konflikt lösen, kann er schon lange entlassen sein!)

ein Paragrafen- und ein Bürokratiemonster, das Sie damit aufnehmen wollen. Das dient der Sache nicht.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Justizminister Dr. Goll das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube schon, dass wir heute feststellen dürfen, dass wir ein gutes Gesetz verabschieden werden. Wir haben die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts erfüllt. Es hat den Gesetzgeber – das ist mittlerweile das Land – verpflichtet, bis zum Ende des laufenden Jahres ein Gesetz vorzulegen. Baden-Württemberg ist das erste Flächenland, das ein Gesetz vorlegt. Bremen war etwas schneller. Wir waren deswegen schnell, weil wir weitgehende Vorarbeiten geleistet hatten. Wir haben uns auch in die bundespolitische Diskussion eingemischt.

Es ist deswegen ein gut vorbereitetes Gesetz, weil wir es mit den Fraktionen, die die Regierung tragen, gründlich vorbereitet haben. Lieber Herr Oelmayer, es ist nun einmal so: Die Fraktionen, die die Regierung tragen, deren Mehrheit wir uns als Regierung auch versichern müssen, sind natürlich von vornherein eingebunden. Es wäre ein bisschen witzig, wenn diese beiden Fraktionen heute noch ihre Wünsche per Änderungsantrag anbringen müssten. Sie dürfen kein falsches Bild zeichnen.

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Es gibt eine einzige Änderung, bei der umstritten war, ob sie auf redaktionellem Weg möglich ist oder ob man sicherheitshalber ein formelles Antragsverfahren macht. Das wissen Sie aber auch. Insofern ist es hier alles ein bisschen Schau.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das würde ich nicht unterstellen, dass die alles wissen!)

Ein paar Dinge vielleicht schon.

Es ist ein gutes Gesetz. Ich möchte nicht mehr so viel auf die Inhalte eingehen, obwohl es ein wichtiges Gesetz ist, das dies verdient hätte. Wir haben darüber in erster Lesung und im Ausschuss beraten.

Ich glaube, dass dem Gesetz ein zukunftweisendes Erziehungskonzept unterlegt ist. Wir haben die Menschenwürde als Grundlage der Erziehung. Wir haben Bestimmungen aus der Landesverfassung hineingenommen. Davon wird gleich noch die Rede sein. Es ist ein modernes Gesetz, aber es sind auch solche Bezüge drin, die zeitlos sind. Die opferbezogene Vollzugsgestaltung wird betont. Es ist ein Gesetz auf der Höhe der Zeit, das in Baden-Württemberg das hohe Niveau des Jugendstrafvollzugs weiter sichern wird.

Herr Oelmayer hat gesagt, er sei von diesem Gesetz enttäuscht. Aber im Grunde genommen wollen Sie nicht viele Änderungen von uns,

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: An zentralster Stelle! Sie wollen das Wegschließen vorneweg, und wir wollen den Erziehungsgedanken vorneweg!)

wenn ich mir die Punkte anschaue, zu denen Sie Anträge gestellt haben. Ich möchte mich jetzt in Anbetracht dessen, dass ich – wie es sich gehört – vonseiten der Regierung nicht mehr Zeit als die Abgeordneten in Anspruch nehmen will, auf eine Auseinandersetzung mit den Änderungswünschen konzentrieren.

Es ist interessant, dass Sie den Erziehungsgedanken überhaupt in das Gesetz aufnehmen wollen. Denn das Gesetz – es ist

schon einige Jahre alt; es stammt noch aus Zeiten früherer Koalitionen –, mit dem uns der Bund immer beglücken wollte, sah den Begriff „Erziehung“ gar nicht mehr vor. Insofern: Willkommen bei uns, wenn Sie etwas von Erziehung halten! Das ist ein Kennzeichen des baden-württembergischen Entwurfs.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE)

Aber jetzt stellt sich einmal die Frage nach der Logik. Warum erziehen wir überhaupt jemanden? Warum wollen wir jemanden erziehen? Ich glaube, jemanden, der allein auf seinem Planeten lebt, braucht man nicht zu erziehen. Wir wollen doch nicht erziehen um der Erziehung willen, sondern weil Gemeinschaft bedeutet, dass die Menschen ihren Beitrag zur Gemeinschaft leisten und keine Straftaten begehen. Deswegen fordern wir Erziehung ein, und deswegen ist es sicher kein Fehler, am Anfang des Gesetzes zu sagen:

Die kriminalpräventive Aufgabe des Jugendstrafvollzugs liegt im Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor Straftaten junger Menschen. Der Jugendstrafvollzug leistet einen Beitrag für die innere Sicherheit in Baden-Württemberg, für den Rechtsfrieden im Land und für die Eingliederung junger Menschen in Staat und Gesellschaft.

Das steht in § 2. Darin steht alles. Nur gefällt es Ihnen nicht, dass wir am Anfang des Gesetzes die kriminalpräventive Aufgabe anführen. Ich kann nicht verstehen, was man dagegen haben kann.