Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP/DVP hat schon ein bisschen Pech mit ihren EU-Weinbauanträgen.
Der erste wurde zu einem Zeitpunkt gestellt, als es noch nicht einmal eine offizielle Verhandlungslinie der EU-Kommission gab.
(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sonst sind wir Ih- nen immer zu langsam! Jetzt sind wir Ihnen zu schnell! – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)
Dann haben Sie einen jährlichen Dauerauftrag eingerichtet, und der zweite Antrag kam im letzten Jahr.
Aber Ihr Pech ist jetzt, dass wir erst heute über Ihren Antrag diskutieren. Ich gebe zu: Die Stellungnahme zu Ihrem Antrag stammt vom Sommer letzten Jahres. Heute kommt er hier ins Plenum. Aber der Zug ist abgefahren. Die Kommission hat sich auf einen Kompromiss geeinigt; der Ministerrat hat sich geeinigt. Wir brauchen nicht mehr darüber zu diskutieren. Der Kompromiss ist europaweit gefunden. Ich weiß nicht, warum wir heute Nachmittag noch über einen Kompromiss diskutieren, der erledigt ist.
(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: So ist es! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: In den die Fragen einge- flossen sind! Oder nicht?)
Pech für Sie, zu spät gekommen, jedenfalls mit der Behandlung im Rahmen der heutigen Tagesordnung. Man kann höchs tens der Verwaltung gegenüber anregen, solche Angelegenheiten auf der Tagesordnung etwas vorzuziehen.
Die Stellungnahme der Landesregierung zu Ihrem Antrag ist ja auch äußerst knapp gewesen, vielleicht auch im Vertrauen darauf, dass der ehemalige Kollege Drautz diese knappe Antwort ordentlich ins Fachliche übersetzt.
Die Diskussion ist jedenfalls abgeschlossen. Das ist eigentlich gut so, weil dieser Kompromiss ziemlich einhellig gefunden worden ist – in unserem Sinne, im Sinne von BadenWürttemberg, aber auch im Sinne der anderen EU-Staaten.
Worum geht es? Die EU-Erweiterung erfordert Geld, und in der EU-Weinmarktordnung war viel Geld versteckt; über 600 Millionen € waren es allein für die Destillation.
Es ist klar, dass im Rahmen der Erweiterung des EU-Markts das Geld an anderer Stelle nötiger ist. Insofern war es ganz wichtig – das ist der Fortschritt bei dieser Reform –, dass hier nicht Geld in den falschen Kanälen einer Weinmarktordnung versickert, wo es nicht gebraucht wird.
Immerhin sollen von diesem Geld nun 30 % anderweitig auf dem europäischen Agrarmarkt eingesetzt werden. Das ist wich tig, und das ist wichtiges Geld. 600 Millionen € für die Destillation laufen aus, weil die Destillation überflüssig ist, weil wir sie nicht brauchen. Logischerweise ist auch eine Folge, dass wir die entsprechenden Flächen herausnehmen, also auch reduzieren. Dass die Franzosen und die Spanier dabei zur Unterstützung eine Übergangszeit brauchen, müssen wir akzeptieren; denn auch wir haben in Reformmärkten unsere eigenen Anforderungen an die EU gestellt und haben genauso Übergangszeiten für unsere Märkte gefordert und erhalten.
In der „Badischen Bauern Zeitung“ steht als Überschrift: „Die Richtung der EU-Weinmarktreform stimmt“. Ich kann dem nur zustimmen.
Viel entscheidender an dieser Reform ist neben der Einsparung dieser Punkte etwas, was im EU-Weinmarkt und auch bei uns bisher nicht passiert ist, woran wir aber partizipieren werden: Das ist die Tatsache, dass davon national Geld in Marketing, in Markt- und in Exportförderung von Wein fließen kann. Wir nehmen teil am Weltmarkt Wein, weil wir das größte Importland für Wein sind.
Ganz aktuell haben wir eine gute Situation. Unser eigener Anteil am Inlandsverbrauch hat sich um 1 % und damit wieder leicht erhöht. Das ist zumindest ein Stoppen der bisherigen Entwicklung und vielleicht sogar eine leichte Trendumkehr. Trotzdem muss es uns gelingen, in Zukunft mehr Exportanteile zu gewinnen. Immerhin werden in Deutschland 1,1 Milliarden € Wertschöpfung durch Wein und Weinnebenprodukte erwirtschaftet. Das entspricht gegenüber dem Stand von vor 30 Jahren einer Steigerung auf das Fünffache. Das gilt es für uns auszubauen.
Insofern, meine Damen und Herren, ist diese Weinmarktordnung in die richtige Richtung gegangen. Wir haben die wichtigen, harten Brocken ablehnen können. Sie sind entfallen und behindern uns nicht mehr. Mit einer neuen Etikettierungsvorschrift kann man leben. Da gibt es Kompromisse. Rodungsprämien und önologische Verfahren sind offen.
Um den Satz zum Schluss noch loszuwerden, sage ich dazu: Eine Gefahr besteht noch. Wir wollen keine Amerikanisierung unseres Weinmarkts. Wir wollen keinen Wein nach den industriellen Methoden von Coca-Cola. Wir wollen unsere naturnahen, naturreinen und gebietstypischen Weine erhalten. Deswegen sind die önologischen Verfahren diejenigen Verfahren, die unseren Weinbau in Zukunft am meisten gefährden werden. Aber diese sind durch die EU-Weinmarktreform nicht angetastet worden, sondern werden in nationaler Hoheit bleiben.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! In dem Thema, das hier viel zu spät behandelt wird, nachdem alles schon gelaufen ist, steckt viel mehr politische Brisanz, als Sie alle heute glauben oder bisher gedacht haben. Ich möchte gern darauf eingehen. Man könnte natürlich sagen, „alea iacta est“, wie es der alte Gajus Julius Cäsar gesagt hat, als er den Rubikon überschritten hat: So mögen denn die Würfel gefallen sein. Diesen Eindruck kann man durchaus haben, wenn man die europäische Weinszene betrachtet.
Auf Winzerdeutsch würde ich eher sagen: Dieser Kelch ist Gott sei Dank an uns vorübergegangen. Es bleibt lediglich ein fader Nachgeschmack am Gaumen, wenn man sieht, was noch mit ausgehandelt wurde, nämlich dass die Alkoholobergrenze heruntergefahren wird bzw. die Anreicherungsspanne begrenzt worden ist. Aber ich denke, durch einen qualitativ or
dentlichen Weinbau kann man dem begegnen und kann man mit diesem Kompromiss, mit diesem Problem leben.
Unser großes Ziel, die regionale Weintypizität, den Weincharakter unserer traditionellen Rebsorten zu erhalten, ist – so kann man das ruhig feststellen – zum jetzigen Zeitpunkt weitgehend erreicht worden. Minister Hauk nimmt ja zu dem Antrag der FDP/DVP korrekt Stellung, wenn er sagt – ich darf zitieren –: Zentraler Baustein unserer weinbaulichen Zukunft muss ein zukunftsorientierter Finanzmitteleinsatz sein. – Ob wir den hinbekommen, daran habe ich zurzeit ernsthafte Zweifel.
Jetzt komme ich zum zweiten Teil und zu der politischen Brisanz. Wenn man meint, die Akteure säßen alle in Brüssel und wir in der Landespolitik oder in Deutschland hätten nur noch wenig mitzureden, dann irrt man gewaltig. Wenn man sich anschaut, was in den letzten zwei Jahren tatsächlich in Deutschland passiert ist, bekommt das Ganze nicht nur einen faden Nachgeschmack, sondern es wird ganz schnell zu einer klebrigen Angelegenheit. Das Zauberwort lautet hier RTK, Frau Staatssekretärin. RTK heißt „rektifiziertes Traubenmostkonzentrat“.
Jetzt müssen wir uns leider mit diesem Fachbegriff auseinandersetzen, denn hier geht es um die weinbauliche Zukunft in Baden-Württemberg und in Deutschland.
Ich darf Sie kurz mit wenigen Zahlen bombardieren. Die gesamte Weinernte in Deutschland betrug ca. 9 Millionen Hektoliter. Wenn alles nach dem Erhalt der Erlaubnis zur Ver wendung von Saccharose schreit und gleichzeitig über hundert Winzergenossenschaften und Weinhandelskellereien in Deutschland nahezu 3 Millionen Hektoliter mit RTK anreichern, dann wird man irgendwo unglaubwürdig. Denn es ist von Brüssel hoch subventioniertes RTK, das in der Weinwirtschaft eingesetzt wird, und das wurde mit 17 Millionen € subventioniert.
Die derzeitigen Eckpunkte sehen so aus, dass in dem nationalen finanzpolitischen Rahmen, der in Zukunft aus einer Beihilfe von ca. 23 Millionen € für die Weinwirtschaft in Deutschland bestehen wird, bisher 17 Millionen € RTK-Beihilfe aus Brüssel bezahlt wurden. Das ist jetzt nicht mehr so. Jetzt würde natürlich derjenige, der RTK einsetzt, gern daran festhalten, weil er zweierlei erreicht: Subventioniertes RTK ist wesentlich billiger als Saccharose, und Wein lässt sich auf diese Art viel besser vermehren. Wir haben es mit einer Volumenvermehrung beim Wein zu tun.
Wenn wir in Zukunft nur noch 23 Millionen € Beihilfe im nationalen Gesamtrahmen haben, aber 17 Millionen € letztendlich bei der RTK-Beihilfe fehlen, dann bleibt für Strukturmaßnahmen im Weinberg, für Investitionen im Keller, für Marketing- und Exportunterstützung nur noch sehr wenig übrig.
Deswegen hat der Weinbauminister von Rheinland-Pfalz, Hendrik Hering, den sofortigen Wegfall dieser RTK-Beihilfe gefordert. Dieser Forderung, dass diese RTK-Beihilfe nicht mehr gewährt wird, sollten wir uns ganz dringend anschließen.
Lassen Sie mich schließen mit einem kleinen Zitat vom Geschäftsführer des Deutschen Weinbauverbands, Dr. Rudolf Nickenig, der sagt:
Das politische Ansehen steht zitternd am Pranger, doch das subventionierte Gewissen geht noch schwanger.
Die heutige Debatte hat mir gezeigt, dass es wichtig und richtig war, dieses Thema erstens frühzeitig und zweitens jetzt noch einmal im Plenum zu behandeln. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Opposition immer in Opposition zu dem geht, was die Regierung macht. Ich möchte mich aber trotzdem ganz herzlich bei den Kollegen von der CDU und vor allem beim Ministerium bedanken, dass sie unsere Position so vehement vertreten haben, sodass wir heute das Ergebnis haben, das auf dem Tisch liegt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen und Kolleginnen! Frau Chef, ich denke, es ist noch immer angezeigt, dieses Thema zu diskutieren. Da möchte ich Ihnen recht geben. Es war tatsächlich so, dass uns dieser unbotmäßige Vorschlag der Kommission im Juli 2007 in seltsamer Weise bacchantisch vereint hat. Wir sehen: Immer dann, wenn hier das Thema Wein behandelt wird, gibt es sehr viel Übereinstimmung. Das zeigt ganz einfach, dass wir hier viele Fachleute haben – teilweise Praktiker, teilweise aber auch hoch elaborierte Weintrinker.
Ich finde es wichtig, dass wir in diesem Sinne unsere Weinkultur verteidigen. Es ging tatsächlich darum, dass diese unsäglichen Vorschläge dazu geführt hätten, dass wir in Deutschland zukünftig keine Weinkultur mehr gehabt hätten, weil sich der Weinbau mit diesen Vorschlägen nicht mehr hätte entwickeln können. Das war für uns gemeinsam nicht tragbar.
Das Schlimme daran war, dass wir erkennen mussten, Herr Kollege Pix, dass die EU schon sehr dominierend ist, was die Politik im Allgemeinen und die Weinbaupolitik im Besonderen angeht. Man hat uns plötzlich Vorschläge vorgelegt, bei denen wir uns nur noch verwundert die Augen gerieben und den Kopf geschüttelt haben. Wir haben tatsächlich Leute aus der EU-Kommision durch Baden und durch Württemberg geführt, um sie mit unseren speziellen Verhältnissen vertraut zu machen. Mit Frau Fischer Boel hatten wir im Zwiegespräch sehr viel Übereinstimmung erreicht und waren deswegen bass erstaunt, was dann im Juli 2007 geboten wurde.
Es war gut, dass wir alle zusammengehalten haben. Ich möchte wirklich sagen: Es gab interfraktionell und auch auf Bundesebene einen Schulterschluss, weil man die Zeichen der Zeit erkannt hat. Wenn wir das nicht getan und uns nicht bundesweit hinter einer Idee, hinter einem Konzept vereint hätten, wären wir baden gegangen.
Wir sind sogar so weit gegangen, dass wir im Vorfeld, bevor im Dezember die endgültige Entscheidung gefallen ist, Bündnispartner in Europa gesucht haben. 18 Staaten waren dann bei uns mit im Boot. Ich denke, es ist eine Erfahrung allgemeinpolitischer Art, dass man die EU ganz einfach frühzeitig als Seismograf wahrnehmen und sich dann auch einschalten muss.