Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Neuordnung des Landesdisziplinarrechts (LDNOG) – Drucksache 14/2996
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben bei der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs keine Aussprache hierüber geführt. Dafür haben wir uns im Innenausschuss doch recht intensiv mit der Thematik beschäftigt. Wir von der CDU-Fraktion meinen, dass wir mit dieser Neuordnung des Disziplinarrechts heute einen recht überfälligen Schritt unternehmen und damit auch im Ländervergleich nun entsprechend vorn liegen.
Der Bund hat ja mit seinem Gesetz im Jahr 2001 in einem ers ten Schritt eine gute Vorgabe geliefert, und ich denke, dies ist auch ein wichtiger Eckpfeiler für ein modernes Dienstrecht. Es bringt deutliche Strukturvereinfachungen, und ich denke, es leistet auch einen erheblichen Beitrag zum Bürokratieabbau.
Im Vergleich zur alten Landesdisziplinarordnung – die sehr kompliziert war – bringen wir jetzt ein Gesetz auf den Weg, das eine deutliche Vereinfachung ermöglicht. Wir kommen damit zu einer Bündelung der Entscheidungskompetenzen. Die Verfahrensdauern – ein ganz wichtiger Aspekt – werden deutlich verkürzt. Sie erinnern sich: Es gab in den Medien oftmals sehr heftige Diskussionen, weil sich diese Verfahren über extrem lange Zeiträume hingezogen haben mit der Folge, dass die Leute ihre teilweise hohen Gehälter über einen langen Zeitraum hinweg weiterbezogen haben. Dies hat auch zu entsprechenden Belastungen für den Steuerzahler geführt.
Ein wichtiger Punkt wird die Loslösung des Disziplinarverfahrens vom Strafprozessrecht und seine Angleichung an das allgemeine Verwaltungs- und Beamtenrecht sein. Das begrü
ßen wir ausdrücklich. Im Übrigen begrüßt die CDU auch die Stärkung der Funktion des Dienstherrn. Die Eigenverantwortung der Dienstherren wird eindeutig gestärkt.
Ein weiterer Punkt, den wir aus meiner Sicht nicht aus den Augen verlieren sollten, ist die Frage der Kosten. Ich denke, dass wir durch dieses neue Gesetz die Verwaltungskosten deutlich verringern können. Wir werden zudem erhebliche Kosteneinsparungen auch dadurch herbeiführen können, dass wir das gerichtliche Verfahren kostenpflichtig machen.
Lassen Sie mich kurz auf das Ergebnis der Anhörung eingehen. Ich denke, das Ministerium hat aus den zahlreich eingegangenen Vorschlägen von Richterbund, Gewerkschaften und anderen Organisationen einen guten Mix gemacht. Der Gesetzentwurf, der uns heute vorgelegt wurde, ist ein wichtiger Schritt hin zu einem modernen Dienstrecht.
Den Vorschlag, ein Verfallsdatum mit Ablauf von zwei Jahren vorzusehen, lehnen wir ab. Im Gegenzug sagen wir aber eindeutig Ja zur Evaluation nach drei Jahren. Der Innenminis ter hat dies ja auch im Innenausschuss bereits zugesagt. Wir halten es für notwendig, dass wir dies durchführen. Aber von vornherein ein Verfallsdatum festzulegen halten wir nicht für richtig.
Den Vorschlag, einen § 7 a – „Untersuchungsführer“ – einzufügen, halten wir auch nicht für notwendig. Wir wollen gezielt die Eigenverantwortlichkeit der Dienstherren stärken. Wir sehen auf der anderen Seite aber auch, dass die ganz schwerwiegenden Dinge ja nur mit der obersten Dienstaufsichtsbehörde, der vorgesetzten Stelle, durchgeführt werden können. Das heißt z. B.: Wenn ich dem Beamten das Ruhegehalt oder die Bezüge kürzen will, wenn ich Zurückstufungen vornehmen oder die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erreichen will, dann kann das nicht alles auf der unteren Ebene geschehen, sondern muss auf der höheren Ebene stattfinden.
Außerdem stehen viele Dinge unter richterlichem Vorbehalt und unterliegen der richterlichen Kontrolle. Vor diesem Hintergrund kann man, denke ich, diesem Gesetzentwurf zustimmen und braucht diese Änderungsanträge nicht zu berücksichtigen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Vorlage dieses Gesetzentwurfs kommt die Landesregierung auch einem langjährigen Drängen unserer Fraktion nach. Das öffentliche Dienstrecht, wie es bisher gehandhabt wurde – Herr Kollege Heinz, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen –, war etwas schwerfällig, sperrig und hat zu langwierigen Verfahren geführt mit der Folge, dass Bezüge weitergezahlt werden, obwohl Beamte nicht arbeiten. Dadurch wurde ein Zustand herbeigeführt, der für die
Mit diesem Gesetz versuchen Sie, die Verfahren zu beschleunigen, zu straffen, das bisherige Recht insgesamt flexibler zu machen und es zu entrümpeln. Mit dieser Zielsetzung gehen wir konform. Das ist eine gute Absicht, hinter der wir voll stehen.
Allerdings haben wir auch wesentliche Kritikpunkte. Wir sehen – Sie sehen mir das nach – die grundsätzliche Problematik anders.
Wir haben drei Hauptkritikpunkte zu drei Regelungen. Künftig wird grundsätzlich der Dienstvorgesetzte die Disziplinargewalt haben, also derjenige, der meistens, vor allem in klei neren Behörden, bei Gemeinden, schon in Vorgänge involviert war, von Vorgängen betroffen war, die dann überhaupt erst zum Gegenstand eines Disziplinarverfahrens wurden.
Wir stellen uns einen neutralen Untersuchungsführer vor, der nicht im Auftrag des Dienstvorgesetzten handelt und weisungsabhängig ist, sondern der ein weisungsunabhängiger Beamter oder Bediensteter ist, der die Verfahren vorbereitet und eine saubere Sachverhaltsermittlung durchführt. Diese Neutralität fehlt bei der vorgesehenen Regelung, und es wird vielfach auch an der fachlichen Kompetenz fehlen.
Sie haben einige Sicherungen genannt: Zustimmung der höheren Disziplinarbehörde; bei kleinen Gemeinden muss die Rechtsaufsicht zustimmen. Das sind aber keine wirklichen Kontrollmöglichkeiten vor Erlass einer Disziplinarverfügung.
Ein zweiter Punkt, den wir kritisieren, ist die Möglichkeit, dass der Disziplinarvorgesetzte, sprich der Dienstvorgesetzte, bei Gefahr im Verzug ohne Weiteres Beschlagnahme und Hausdurchsuchungen anordnen kann, also eine Regelung, die unserem Rechtsverständnis, unserem Prozessrecht eigentlich fremd ist. Es gibt ganz wenige Ausnahmefälle, die in der Begründung zum Gesetzentwurf auch genannt werden, aber grundsätzlich bleibt dies den Strafvollstreckungsbehörden, den Gerichten, den Staatsanwaltschaften oder den Vollzugsbeamten, die dafür kompetent sind, vorbehalten. Gegen diesen Systembruch haben wir Bedenken, auch verfassungsrechtlicher Art, weil insbesondere das Grundrecht des Beamten jeweils konkret tangiert wird. In dessen Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung würde eingegriffen. Das geht uns zu weit im Hinblick auf die Disziplinarbefugnis des Dienstvorgesetzten.
Ein dritter Punkt, der unsere Kritik weckt, ist die Umstrukturierung des gerichtlichen Verfahrens, das sich künftig auf eine reine Rechtskontrolle, wie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren üblich, beschränkt, aber keine eigene Disziplinargewalt der Verwaltungsgerichte mehr vorsieht – von ganz kleinen Ausnahmen abgesehen, wenn eine Maßnahme bestätigt oder zugunsten des Beamten abgeändert werden kann.
Auch diese Einschränkung der gerichtlichen Befugnis unterliegt rechtlichen Bedenken, auch verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Literatur ist sich da nicht einig, aber wir meinen, nicht nur verfassungsrechtliche Bedenken gebieten es, diese Regelung kritisch zu sehen, sondern auch die Balance zwi
schen dem Handeln des Dienstvorgesetzten einerseits und der gerichtlichen Kontrolle andererseits. Wir würden uns bei diesen statuseingreifenden Maßnahmen im Rahmen des Disziplinarverfahrens eine Stärkung der gerichtlichen Mitwirkung wünschen.
Ich glaube, das wäre auch sachlich vertretbar und hinzunehmen. Denn die Verzögerungen bei Disziplinarverfahren sind sicherlich nicht eingetreten, weil Gerichte besonders langsam gearbeitet hätten, sondern aus anderen Gründen, wie auch ein großer Teil der Beispiele zeigt, die Sie, Herr Heinz, vorhin wahrscheinlich im Hinblick auf Medienberichte zu Disziplinarmaßnahmen im Blick hatten.
Wenn der Untersuchungsführer im bisherigen Recht wegfällt und wir keine neutrale Stelle haben, die den Sachverhalt aufklärt, wird es zwangsläufig dazu führen, dass wir Sachverhaltsaufklärung und Beweiserhebung in das gerichtliche Verfahren verschieben. Nach unserer Einschätzung könnte
dies zu einer Mehrbelastung der Gerichte führen, weil diese Dinge im Verwaltungsverfahren – im Interesse des Beamten, aber auch im Interesse des Dienstherrn – nicht hinreichend aufgeklärt werden.
Um diese Zweifel auszuräumen, auf die sich unsere Kritik richtete, haben wir die beiden vorliegenden Änderungsanträge eingebracht und begehren zum einen, einen § 7 a in Ergänzung der bisherigen Regelungen einzuführen, der einen neutralen Untersuchungsführer vorsieht, und zum anderen, darauf zu verzichten, dass der Dienstherr selbst Beschlagnahmungen und Hausdurchsuchungen bei Gefahr im Verzug anordnen kann.
Sofern diese beiden Regelungen Eingang in das Gesetz fänden, könnten wir uns mit diesem Gesetz abfinden. Die gerichtliche Kontrolle würde dann aus unserer Sicht ausreichend sein. Sofern Sie diesen Änderungen mehrheitlich nicht zustimmen könnten, müssten wir das Gesetz ablehnen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf geht grundsätzlich in die richtige Richtung. Es ist die Verabschiedung von dem alten, schwerfälligen Regelungsgefüge, das das Disziplinarrecht an die Strafprozessordnung koppelt, das das gesunde Rechtsempfinden – so will ich es einmal ausdrücken – in der Beamtenschaft, bei den Beschäftigten, aber auch draußen in der Bevölkerung sehr oft über Gebühr strapaziert hat.
Ich nenne als Stichwort die Fälle im Bereich der Universitätsklinika, die uns in den letzten Jahren sehr beschäftigt haben und die im Land einiges Aufsehen erregt hatten. Da ging es z. B. um jahrelange Disziplinarverfahren bei Fortgewährung hoher Bezüge an Personen, die zum Schluss disziplinarrechtlich für schuldig befunden wurden, dabei aber schon längst in den USA in neuen, gut entlohnten beruflichen Tätigkeits
feldern unterwegs waren. Das konnte nicht länger ein modernes Disziplinarrecht für das Land Baden-Württemberg sein.
Da ist der neue Entwurf schon sehr viel besser, weil er auch die von uns schon lange geforderte Flexibilisierung, einen Bürokratieabbau, aber auch eine Vereinfachung und Beschleunigung des Disziplinarverfahrens in den allermeisten Fällen – aber eben nicht in allen Fällen – unter Einhaltung des rechtsstaatlich notwendigen Standards bündelt. So weit, Herr Kollege Heinz, d’accord.
Probleme haben wir bei den Regelungspunkten, die der Kollege Stickelberger bereits genannt hat. Deswegen werden wir die Änderungsanträge der SPD auch ausdrücklich unterstützen. Das war auch bereits Gegenstand der Diskussion im Innenausschuss. Wir glauben auch, dass es aus Gründen des Grundrechtsschutzes notwendig ist, die Befugnisse der Disziplinarbehörde bei Wohnungsdurchsuchungen an andere Kriterien zu knüpfen und die Hürden dafür ausdrücklich höher zu schrauben. Die bisherigen Hürden sind sehr, sehr niedrigschwellig, was uns in der Tat auch verfassungsrechtlich problematisch zu sein scheint.
Zweitens sehen wir die Einführung eines Untersuchungsführers zur Wahrung der Objektivität und der Neutralität des Verfahrens immer dann als notwendig an, wenn Disziplinarverfahren in sehr kleinen Behörden stattfinden und die Gefahr der Involvierung des eigentlich vorgesehenen Beschwerdeführers, des Dienstvorgesetzten, in den eigentlichen Sachgegenstand sehr hoch ist. Dies kann dann auch nicht durch die Zustimmung der nächsthöheren Behörde ausreichend kompensiert werden. Deswegen ist das – wirklich beschränkt auf diese Verfahren – ein zweiter notwendiger Ergänzungsschritt.
Drittens meinen wir, dass bei Gesetzen, mit denen wir Neuland betreten und die Verfahren implementieren – obwohl es auf Bundesebene das Vorbild gibt, betreten wir in einigen Bereichen des Regelungskatalogs Neuland –, diese Verfahren ihre zeitliche Beschränkung bekommen sollten. Deshalb sollten Sie, Herr Innenminister, nicht nur in der Gesetzesbegründung die Absichtserklärung aufnehmen, nach drei Jahren eine Evaluierung durchzuführen, sondern die feste Verpflichtung des Gesetzgebers dazu verankern. Das Gesetz – so formulieren wir es – tritt nach zwei Jahren automatisch außer Kraft, wenn nicht vorher eine Evaluierung stattfindet und anschließend durch ein Gesetz die künftige Gültigkeit entweder des unveränderten Gesetzes oder eines geänderten Gesetzes festgelegt wird. Das ist für uns Ausdruck eines modernen Verständnisses, mit neuen Verfahrenstechniken gesetzlich umzugehen.
Wenn Sie den beiden Änderungsanträgen der Fraktion der SPD und dem Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE zustimmen können, sind wir gern bereit, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.