Protokoll der Sitzung vom 23.07.2014

Konkrete Frage: Wie sieht es im folgenden Fall aus? Ein 16-jähriger Junge – nennen wir ihn Stefan – aus Bulgarien konnte bisher an der örtlichen Hauptschule in eine Sprachför derklasse geschickt werden. Nach vier Wochen hat er bereits einen guten Fortschritt gemacht und sagt mir, es sei ihm rela tiv langweilig, er möchte nicht nur gefragt werden, wie er heißt und wie alt er ist. Was würden Sie mir empfehlen, was ich für diesen Jungen tun kann? Ich habe ihm schon geholfen, aber verrate Ihnen jetzt nicht, wie.

(Staatssekretär Jürgen Walter: Herrschaftswissen von Karl-Wilhelm Röhm!)

Welche Ressourcen würden Sie mir dafür bereitstellen?

Herr Kollege Röhm, Sie haben jetzt einen Ausschnitt geschil dert. Grundsätzlich ist der Weg natürlich auch zu beschreiben, damit es jeder nachvollziehen kann. Die Schülerinnen und Schüler kommen im Zweifel an irgendwelchen zentralen Auf nahmestellen an, und dort wird, wenn feststeht, an welchen Ort die Schülerinnen und Schüler kommen, von Lehrkräften geprüft, welches Angebot für das jeweilige Kind bzw. den je weiligen Jugendlichen das richtige Angebot wäre. Dann wird versucht, ein Angebot vor Ort – Vorbereitungsklasse, Vorbe reitungskurs – zu finden. Diese Vorbereitungsklassen und Vor bereitungskurse sollen für die Kinder und Jugendlichen mög lichst nur ein vorübergehendes Angebot sein, mit dem sehr komprimiert Sprachförderung betrieben werden kann. Des wegen besteht natürlich der grundsätzliche Wunsch, dass die Schülerinnen und Schüler dann, wenn sie die notwendigen Sprachkenntnisse haben, so schnell wie möglich in die regu lären Bildungsgänge eingegliedert werden können.

In dem von Ihnen geschilderten Fall des Jungen Stefan ist dies – so nehme ich an – auch gelungen. Denn es hätte ihm nichts gebracht, noch länger in der Vorbereitungsklasse zu bleiben.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! Aber mit wel chen Ressourcen? Das war die Frage!)

Die Ressourcen, die jetzt zusätzlich in das System gegeben werden, werden zunächst dafür verwendet, die Vorbereitungs kurse und Vorbereitungsklassen zu stärken. Denn viele Klas sen sind „vollgelaufen“. Wir werden neue, zusätzliche Klas sen und Kurse bilden, die nicht bis zur Gänze aufgefüllt sind, weil wir wissen, dass – wie es Frau Engeser vorhin zutreffend gesagt hat – diese Kurse unterjährig wieder „volllaufen“. Gleichzeitig können wir Schülerinnen und Schüler in die Bil dungsgänge bringen.

Wenn die entsprechenden Ressourcen im Bereich der Vorbe reitungskurse und Vorbereitungsklassen bleiben, dann ist zu nächst einmal im Hinblick auf dieses Instrument die Förde rung auch für die Regelschulen erledigt. Wenn dann noch zu sätzlicher Förderbedarf bestehen sollte, dann muss geprüft werden, inwieweit ein Schüler, der dann schon in den Bil dungsgang eingegliedert ist, noch durch ergänzende Sprach fördermaßnahmen unterstützt werden kann. Das ist Teil des Konzepts.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe es bereits gesagt: Manche dieser Kinder und Jugendlichen haben die Fä higkeit, relativ schnell auf eine Realschule oder ein Gymna sium zu wechseln. Aus diesem Grund habe ich mich entschie den, dass wir auch an diesen Schulen zukünftig die entspre chenden Klassen und Kurse einrichten können.

Klar ist, dass die Landesregierung die für die Vorbereitungs klassen und auch die VABO-Klassen notwendigen Ressour cen verlässlich zur Verfügung stellen wird, auch für das kom mende Schuljahr. Die Zahlen sprechen hier eine deutliche Sprache, auch was die Zuwanderung angeht. Auch für das kommende Schuljahr stellt die Landesregierung trotz einer, wie Sie wissen, angespannten Haushaltslage 200 zusätzliche Deputate für diese wichtige Aufgabe bereit.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

In diesem Zusammenhang gilt es ausdrücklich auch die Leh rerinnen und Lehrer zu nennen, die auf diese herausfordern de Entwicklung noch besser vorbereitet werden müssen. Al le sechs Pädagogischen Hochschulen im Land bieten deshalb zusätzliche Angebote rund um das Thema Sprachförderung an. An der PH Ludwigsburg wird zudem das berufsbegleiten de Kontaktstudium „Interkulturelle Bildung – Schwerpunkt Sprachförderung“ angeboten. 175 Lehrerinnen und Lehrer sol len bis 2015 speziell für dieses Thema qualifiziert werden.

Bildung für Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Al ter ist besonders wichtig. Das wurde, glaube ich, in dieser De batte wiederum sehr deutlich. Wir müssen aber auch gute An gebote für jüngere und ältere Menschen mit Migrationshin tergrund schaffen. Deshalb bringen wir die Sprachförderung im frühkindlichen Bereich hier weiter voran. Wir investieren in den Ausbau der Weiterbildungsangebote in unserem Land. Vor wenigen Tagen war auch das Thema „Integrationskurse im Kontext der Volkshochschulen“ hier Gegenstand. Die vor Kurzem bekannt gegebene Erhöhung der Grundförderung auf den Bundesdurchschnitt innerhalb der nächsten zwei Jahre ist ebenfalls eine Maßnahme, die Menschen mit Migrationshin tergrund zugutekommt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Bundespräsident Jo achim Gauck hat in seiner Rede beim Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz am 30. Juni betont, dass es gerade bei Kriegsflüchtlingen mit einem vorübergehenden Schutz allein nicht getan sein kann. Ich zitiere:

Jene Flüchtlinge aber, die nicht zurückkehren können, weil sie sonst verfolgt oder gar getötet würden oder weil die Gewalt in ihrem Heimatland einfach nicht beendet ist, sie brauchen eine dauerhafte Lebensperspektive im Exil.

Mit unseren Investitionen in Bildungsangebote für diese Men schen tragen wir einen wichtigen Teil dazu bei, diesen Men schen eine dauerhafte Lebensperspektive in unserem Land zu geben.

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Das Wort für die SPDFraktion erteile ich Herrn Abg. Bayer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich freue mich wirklich über so viel Zustimmung im Allgemeinen und im Speziellen bei der übergroßen Mehr heit in diesem Haus. Lassen Sie es mich einmal so sagen: Das kernsche FDP/DVP-Mäkeln folgt einer Dramaturgie,

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Die ist gut!)

zu der der Minister, glaube ich, die richtigen Worte gefunden hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Ich möchte die Debatte zum Anlass nehmen, auf ein artver wandtes Thema hinzuweisen, das zwar nicht unmittelbar ei ne Verlängerung dieses spezifischen Themas darstellt, das wir gerade diskutiert haben, aber wesentlich damit zusammen

hängt. Es geht um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge – sie werden mit dem grauenhaften, gruseligen Kürzel UMF be legt –, die in Ausbildung kommen könnten – was aber nicht geschehen kann, weil sie sehr große Sprachdefizite haben und deswegen dem normalen Berufsschulunterricht nicht folgen können.

Es käme für diese Gruppe von Jugendlichen etwas infrage, was man „Theoriegeminderte Ausbildung“ nennt. Das ist aber derzeit verpflichtend daran geknüpft, dass diese Jugendlichen als lernbehindert eingestuft werden. Das ist für diese Gruppe der Jugendlichen – sie ist nicht allzu groß, aber es gibt sie; ich habe große Jugendhilfeeinrichtungen besucht und mit diesen Jugendlichen auch sprechen können – diskriminierend. Lern behindert sind sie nicht, allenfalls vielleicht im Zusammen hang mit erlebten Traumata.

Ich meine, hier müssten die verantwortlichen Stellen auf Lan desebene und in den Regionen Ausnahmetatbestände verein baren oder eruieren, ob solche Ausnahmetatbestände infrage kämen. Das betrifft die Agenturen, die Ministerien, die Kam mern. Auf lokaler Ebene könnte man runde Tische einrichten und pragmatische Lösungen im Interesse dieser Jugendlichen finden. Das möchte ich von dieser Stelle aus anregen. Ich selbst werde im Herbst einen Modellversuch im Raum Frei burg initiieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Der Antrag Drucksache 15/4749 ist ein reiner Berichtsantrag und kann für erledigt erklärt werden. – Sie stimmen zu.

Punkt 7 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Ich möchte Ihnen jetzt noch Folgendes bekannt geben: Die Fraktionen sind übereingekommen, den unter Tagesordnungs punkt 9 aufgeführten Antrag der Fraktion GRÜNE mit der Stellungnahme des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst – Zusammenarbeit Baden-Württembergs mit der Schweiz in Forschung und Lehre nach der Annahme der „Mas seneinwanderungsinitiative“ –, Drucksache 15/4803 (Geän derte Fassung), von der heutigen Tagesordnung abzusetzen und diesen gemeinsam mit der unter Punkt 8 der morgigen Plenarsitzung aufgeführten Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Europa und Internationales zu der Mitteilung der Landesregierung vom 3. Juli 2014 – Bericht über aktuelle europapolitische Themen –, Drucksachen 15/5430 und 15/5473, aufzurufen. Die Redezeit für die morgige Be handlung dieser beiden Punkte beträgt zehn Minuten je Frak tion.

Hintergrund für die gemeinsame Behandlung der beiden ge nannten Punkte in der morgigen Sitzung ist, dass der für Eu ropa und internationale Angelegenheiten zuständige Minister heute Nachmittag nicht hier sein kann, weil er eine Verpflich tung in Brüssel hat. Morgen wird er aber hier sein. Daher ist es durchaus sinnvoll, die beiden genannten Punkte morgen ge meinsam aufzurufen.

Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der CDU und Stellungnahme des Mi nisteriums für Verkehr und Infrastruktur – Förderung des Schienengüterverkehrs – Drucksache 15/4772 (Geänder te Fassung)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Für die CDU-Fraktion darf ich Herrn Abg. Kunzmann das Wort erteilen.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Sie alle kennen vielleicht die Ge schichte vom deutsch-japanischen Wettrudern: Ein deutsches Unternehmen verabredete sich mit einem japanischen Unter nehmen zum Wettrudern auf dem Rhein. Die Deutschen trai nierten hart, aber die Japaner gewannen, und zwar haushoch. Die Deutschen waren betroffen, ihre Moral am Boden. Das Management des Unternehmens entschied, die Gründe dafür zu suchen, warum man so deutlich verloren hat. Eine interne Projektgruppe mit Fachleuten aus verschiedenen Abteilungen wurde gebildet, um das Problem zu untersuchen und Maßnah men zu empfehlen.

Nach langwierigen Recherchen, Analysen, zahlreichen Gut achten fand man heraus: Während bei den Japanern sieben Leute rudern und einer steuert, rudert im deutschen Team ein Mann, steuern aber sieben.

(Heiterkeit des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Sofort reagierte der deutsche Konzern: Ein Beraterbüro wur de eingeschaltet. Es sollte eine Studie über die Struktur des deutschen Teams anfertigen. Mehrere Monate vergingen, er hebliche Kosten hat es verursacht. Das Gutachten brachte dann an den Tag: Bei den Deutschen rudern einfach zu weni ge und steuern zu viele.

Genau so kommt uns die Politik der Landesregierung bezüg lich des Schienengüterverkehrs vor, wie sie sich in der Stel lungnahme zu unserem Antrag darstellt.

(Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE: Das war aber ein langer Vorspann! – Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Die Lage ist klar, das Ziel ist klar, das Problem ist klar. Aber statt zu handeln, lässt die Landesregierung Gutachten anfer tigen.

(Abg. Matthias Pröfrock CDU: Das kann sie halt! – Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

Wie ist die Lage? Baden-Württemberg ist ein erfolgreicher Produktions- und exportorientierter Wirtschaftsstandort. Was produziert wird, das muss auch transportiert werden. Das ge schieht immer noch vor allem auf der Straße. Mehr als 75 % der Transportleistung werden mit dem Lkw erbracht. Das be lastet unsere Straßen, unsere Umwelt und auch uns Menschen. Der Güterverkehr nimmt stetig weiter zu. Die Belastung wird also steigen.

(Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Was wollen wir? Wir alle wollen Güterverkehr von der Stra ße auf die Schiene verlagern und den kombinierten Verkehr stärken, sodass die Vorteile jedes einzelnen Verkehrsträgers optimal genutzt werden können.

Wo ist das Problem? Der Schienengüterverkehr bzw. der kom binierte Ladungsverkehr ist im Hinblick auf den Preisdruck durch den reinen Straßengüterverkehr nur bedingt konkur renzfähig.

Wir brauchen also faire Wettbewerbsbedingungen für den Schienengüterverkehr im Vergleich zu anderen Verkehrsträ gern. Wir brauchen einen funktionierenden Wettbewerb unter den Eisenbahnverkehrsunternehmen, ein leistungsfähiges und dichtes Netz auch in der Fläche, also die passende Infrastruk tur, genügend leistungsfähige und gut erreichbare Terminals und Umschlagzentren, die auch profitabel wirtschaften. Wir brauchen ein optimales Zusammenspiel der einzelnen Güter verkehrsträger, eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit, funktionierende Verkehrssteuerungssysteme sowie einen Aus bau und eine bessere Nutzung vorhandener Kapazitäten. Ich denke, wir sind uns einig.