Protokoll der Sitzung vom 10.12.2014

Ich kann Ihnen mitteilen, dass wir, wie im Finanzausschuss, diesen Haushalt mittragen werden, weil er vor allem den Po lizeibeamten zugutekommt, weil über ihn Investitionen in die Verbesserung der Arbeitsbedingungen getätigt werden und weil er einen Ausbau der Mitbestimmung, aber auch Gehalts verbesserungen bei einem Personenkreis mit sich bringt, dem wir die Sicherheit in Baden-Württemberg verdanken und bei dem wir uns auch bedanken, indem wir diesem Haushalt zu stimmen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die FDP/DVP-Frak tion erteile ich Herrn Abg. Professor Dr. Goll das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Dieser Haushalt zeugt nicht von beson derer Zuneigung dieser Regierung und der regierungstragen den Mehrheit gegenüber klassischen staatlichen Aufgaben.

(Beifall des Abg. Thomas Blenke CDU)

Man beschäftigt sich lieber mit anderen teuren Steckenpfer den als mit dem trockenen Brot der polizeilichen Arbeit und der inneren Sicherheit. Das sieht man dem Haushalt natürlich an, leider. Er ist aus unserer Sicht geprägt von einer falschen Reform, von einer Reform, die genauso groß wie schief an gelegt ist.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Ich bin, Herr Innenminister, restlos überzeugt: Wenn diese Re form über die Bühne gegangen ist, dann wird vielleicht bei der Polizei alles anders, aber zumindest nicht besser sein, und es wird sehr teuer werden.

In diesem Fall muss man einmal auf das Jahr 2011 zurückbli cken. Es wird niemand bestreiten, dass wir 2011 eine sehr gut funktionierende Polizei hatten. Sonst müsste ich jetzt alle Ih re Oppositionsreden wieder hervorholen, in denen Sie der Po lizei eine erstklassige Arbeit bescheinigt haben.

(Heiterkeit des Abg. Dieter Hillebrand CDU)

Hier kann man schwer von Altlast reden. Nun ist das Besse re immer der Feind des Guten – das sehe ich auch so –, aber

das Bessere muss halt wirklich besser sein. Mir erschließt sich der Sinn dieser Reform nicht. Es wird am Schluss höchstens alles anders sein. Doch dass es besser sein wird – da kann man Geschichten vom Weihnachtsmann erzählen –, das glaubt nie mand.

(Zuruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Dort, wo Vorteile erkennbar sind, sind auf der anderen Seite entsprechende Nachteile erkennbar, die damit verbunden sind. Wenn ich Dinge zentralisiere, dann werden die Wege länger. Dann kann ich vielleicht das Spezialistentum ein bisschen mehr pflegen, aber deswegen kommen die Spezialisten nicht. Ich will das alles hier nicht noch einmal ausbreiten. Es wird vielleicht anders, aber es wird nicht besser.

Wir können diesem Haushalt nicht zustimmen, weil das Ge schehen im Innenministerium im Moment von dieser Reform dominiert ist. Das macht sich auch daran bemerkbar, dass durch diese Reform nicht nur die Tätigkeit der Polizei, son dern auch die des Innenministeriums im Wesentlichen in an deren Teilen gehandicapt und lahmgelegt wird. Die Reform bringt es mit sich, dass die Polizei in weiten Teilen mit sich und der Reform beschäftigt ist. Sie bringt es aber auch mit sich, dass das Innenministerium in weiten Teilen nur noch mit der Reform beschäftigt ist. Das ist die missliche Lage. Das merkt man auch an anderen Beispielen. Ich gehe nur auf we nige Stichworte ein.

Was z. B. die Bekämpfung des politisch und religiös motivier ten Extremismus angeht, passiert nach unserer Meinung nicht das, was passieren könnte. Damit meine ich jetzt weniger die unsäglichen Vorgänge im parlamentarischen Raum. Man muss überlegen, ob man sich mit einem veralteten Ansatz, mit ei nem sturen Festhalten an der Aussage „Wir wollen nur Rechts extremismus untersuchen“ schon auf einen falschen Weg be gibt, und zwar auf einen Weg, der durch Stümperei – natür lich auch durch all die Täuschungen, von denen viel die Re de war – am Schluss in einem Fiasko mündet. Parlamenta risch war der Kampf gegen den politisch und religiös moti vierten Extremismus bisher ein Flop, ein von Grün-Rot ver schuldeter Flop.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Aber auch, was die Seite der Exekutive angeht, sind wir irri tiert. Wir stellen fest, dass das Landesamt für Verfassungs schutz, das eine besonders wichtige Rolle einnimmt, in den Jahren 2015 und 2016 weitere Stellen verlieren wird. Das muss man sich einmal klarmachen. Deshalb auch meine an fangs getroffene Aussage: Wenn die Polizei, wie ich durch ei nen Zeitungsartikel erfahren habe, 10 % ihrer Ausgaben ein sparen soll und der Personalbestand beim LfV reduziert wird, dann kann man meines Erachtens nicht von einem „freundli chen Haushalt“ sprechen – um noch einmal auf meine Aus gangsthese zurückzukommen. Diese wird dadurch, glaube ich, ausdrücklich belegt.

Es ist auch falsch, beim Landesamt für Verfassungsschutz Per sonal einzusparen. An sich müsste man dort maßvoll Perso nal aufbauen. Darauf zielen unsere beiden Anträge ab. Eine Stärkung des Landesamts für Verfassungsschutz ist unseres Erachtens derzeit das Gebot der Stunde, gerade was die Ext

remismusbekämpfung angeht. Daneben aber gewinnt bei spielsweise auch das Thema Wirtschaftsspionage immer mehr Bedeutung. Wir haben bescheiden formuliert – zweimal vier Stellen, aber auch die Möglichkeit, bis zu 20 Polizeistellen in Anspruch zu nehmen. Wenn Sie wirklich diesen Kampf inten sivieren wollen, dann müssten Sie diesem Antrag eigentlich zustimmen. Zumindest würde mich die Begründung interes sieren, warum Sie dies nicht tun.

Ich habe von anderen Feldern gesprochen, bei denen eine er staunliche Handlungsunfähigkeit auch des Innenministeriums zutage tritt. Beispielsweise denke ich an das ewige Thema In formationsfreiheitsgesetz. Man muss es sich einmal vorstel len: Nach dreieinhalb Jahren kommt jetzt ein Eckpunktepa pier.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

So etwas mache ich immer dann, wenn ich keinen Gesetzent wurf hinbekomme; dann mache ich halt einmal ein Eckpunk tepapier, damit Ruhe ist – nach dreieinhalb Jahren! In diesem Eckpunktepapier steht dann: „Wir machen ungefähr das Glei che wie der Bund.“ Ja, Verzeihung, es ist jetzt ein Jahr, andert halb Jahre her, dass wir gesagt haben: Wenn ihr schon Perso nalknappheit habt, wenn es zwar schon ein Referat „Informa tionsfreiheitsgesetz“ gibt, dort aber noch niemand sitzt, dann nehmt doch einfach das Gesetz des Bundes. Da hätte man dann sofort etwas, was funktioniert. – Jetzt werden Eckpunk te vorgelegt, und diese ähneln wie ein Ei dem anderen den Vorschriften des Bundes. Ein Gesetz liegt jedoch immer noch nicht vor.

Da beschäftigt man sich, meine Damen und Herren, monate lang mit einer Änderung der Gemeindeordnung, mit einer wirtschaftsfeindlichen Änderung der Gemeindeordnung. Auch dabei kommt nichts heraus – Gott sei Dank, sage ich in die sem Fall –; denn dieses Vorhaben wurde plötzlich einkassiert, weil es in die neu entdeckte, angeblich wirtschaftsfreundliche Linie des Ministerpräsidenten nicht hineinpasst.

Da wird über das Thema „Verlängerung von Sperrzeiten in Gaststätten“ philosophiert. Auch dabei kommt wieder einmal nichts heraus. Es ist ein einheitliches Bild: Wenn ich etwas aus dem Innenressort höre, dann geht es um die Polizeireform und um die Schwierigkeiten dieser Reform. Ansonsten kommt nichts über die Ziellinie.

Auch der Verlängerung der Sperrzeiten war ein klägliches En de beschieden, weil es – Gott sei Dank – in diesem Haus ge nug Leute gibt, die wissen, lieber Herr Innenminister: Es hat keinen Sinn, die Gehwege hochzuklappen, damit die Polizei keine Arbeit mehr hat. Man muss sich darauf einstellen, wie die Lebensgewohnheiten der Menschen sind und wie sich die se entwickelt haben.

Damit bin ich eigentlich schon beim vorletzten Punkt: Ein Blick auf die aktuellen Lebensgewohnheiten in den Städten, in den Gemeinden zeigt, dass auch der Freiwillige Polizei dienst durchaus seine Tätigkeitsfelder hat – oder hätte. Lieber Herr Sakellariou, wenn Sie nach dem Motto „Knapp vorbei ist auch daneben“ immer mit dem argumentativen Hammer in die Richtung hauen, man könne Ehrenamtliche nicht gefähr lichen Tätern gegenüberstellen, dann sage ich: Sie haben völ lig recht. Wir sind beispielsweise dafür, den Freiwilligen Po

lizeidienst nicht am Streifendienst zu beteiligen. Das hielte ich tatsächlich für falsch.

Aber Sie können nicht verkennen, dass Jahr für Jahr neue Si tuationen auf uns zukommen, bei denen Mitglieder des Frei willigen Polizeidienstes eigentlich gut eingesetzt wären. Ich denke da an die vielen Stadtfeste, die es gibt, gesellige Anläs se im öffentlichen Raum, wo die Polizei immer wieder gefragt ist. Da geht es aber nicht um gefährliche Täter, sondern es geht um polizeiliche Präsenz.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Was meinen Sie, wie gefährlich es auf Stadtfesten ist?)

Diese polizeiliche Präsenz könnte bei solchen Gelegenheiten auch der Freiwillige Polizeidienst gewährleisten, der damit gleichzeitig dafür sorgte, dass die professionell ausgebildeten, länger ausgebildeten Beamtinnen und Beamten für ihre ei gentlichen Aufgaben zur Verfügung stünden und nicht dazu herangezogen würden, bei Festumzügen den Verkehr zu re geln.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)

Ich komme zum letzten Punkt, nämlich zum Dank. Ich danke allen Beamtinnen und Beamten, die bei der Polizei beschäf tigt sind, die an Aufgaben im Bereich der inneren Sicherheit mitwirken, draußen, in den Dienststellen, und sicher auch im Ministerium. Der Respekt vor den Beamten in den Dienststel len führt auch dazu, dass wir bei Ablehnung des Haushalts insgesamt dennoch einer Reihe von Kapiteln zustimmen oder uns der Stimme enthalten werden. So werden wir uns bei spielsweise bei der Abstimmung über die Kapitel, die die Prä sidien betreffen, der Stimme enthalten. Die Leute können ja nichts dafür, dass sie nun in der falschen Struktur sitzen. Aber wir können dieser Struktur auch nicht zustimmen – ebenso wenig wie dem Haushalt insgesamt, wobei ein zentraler Grund die Ablehnung der Polizeistrukturreform ist.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Pröfrock.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Zum Einzelplan 03 gehört auch das Ka pitel 0330 – Ausländer und Aussiedler. In diesem Bereich se hen wir trotz steigender Flüchtlingszahlen rückläufige Ansät ze – bei den Maßnahmen zur Förderung der freiwilligen Rück kehr, bei den Dienstleistungen Dritter, vorwiegend im DV-Be reich, bei den Sachverständigen- und Gerichtskosten. Es sind sinkende Ansätze bei gleichzeitig steigenden Asylbewerber- und Flüchtlingszahlen. Das leuchtet uns nicht ein.

Bei den Kosten für die Rückführung steigen die Mittel an; das ist wahr. Sie bleiben aber deutlich unter den Istzahlen der Jah re 2012 und 2013. Auch hier fragen wir uns: Wie ist das mit den stark steigenden Asylbewerberzahlen unter einen Hut zu bringen?

Dieser Haushalt wird den Herausforderungen in der Asyl- und Flüchtlingspolitik nicht gerecht. Der Ministerpräsident redet; der grün-rote Haushalt sieht anders aus.

Ein ähnliches Bild zeigt sich, wenn wir uns einmal ganz kon kret die Rückführungen selbst anschauen. Auch dort: grün-ro te Aufgabenteilung. Die grüne Basis protestiert, der Minister präsident gibt den Staatsmann, der der Asylrechtsänderung zugestimmt hat – Sichere-Drittstaaten-Regelung.

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Sichere Herkunftslän der! Keine Ahnung!)

Gestern sind 83 abgelehnte, ausreisepflichtige Asylbewerber von Söllingen aus in ihre Heimat nach Serbien oder Monte negro zurückgeführt worden. Was ist denn mit denen, die aus Baden-Württemberg zurückgeführt werden sollten? 76 soll ten zurückgeführt werden, davon saßen 26 im Flugzeug. 50 haben gefehlt. Warum? Sie sind vorher abgetaucht. Wie kann das passieren? Offensichtlich gibt es eine Anweisung – ich wüsste gern einmal, wer diese veranlasst hat, Herr Minister –, dass die Zurückzuführenden einen Tag zuvor über die Rück führung informiert werden sollen. Das ist ja ein Treppenwitz! Erst ordnet der Minister an, es solle abgeschoben werden, und dann bindet man den Beamten die Schnürsenkel zusammen und hindert sie daran, ihre Arbeit zu machen.

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Feiern Sie kein Weih nachten? Streichen Sie einfach das „C“ in Ihrem Par teinamen!)

Denn zufälligerweise sind die Leute an diesem Tag dann nicht in ihrer Unterkunft anzutreffen. Mit so etwas macht sich der Staat zur Lachplatte.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Ulrich Goll FDP/DVP)

Was wäre denn stattdessen hilfreich? Wir haben schon darauf hingewiesen: Wir brauchten eigentlich Bezirksstellen für Asyl, in denen in schnellen Verfahren schnelle Entscheidungen kommen. Denn längere Verfahren sind auch eine Belastung für die Flüchtlinge selbst, auch sie brauchen schnelle Ent scheidungen.

(Zuruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Wenn wir eine Sichere-Drittstaaten-Regelung haben,

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Das hat überhaupt nichts miteinander zu tun!)

dann sollten wir es auch so halten, dass wir dies konkret mit Leben füllen. Wir sollten also diejenigen Bewerber, die ins Land kommen – häufig auch mit Zweit-, Dritt- und Viertfol geanträgen –, gar nicht mehr verteilen, sondern sie direkt von der Landeserstaufnahmestelle aus schnell in ihre Heimatstaa ten zurückführen. Das wäre eine Verfahrensbeschleunigung,

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Ein Blick in das Asyl verfahrensgesetz hilft! – Zuruf des Abg. Daniel An dreas Lede Abal GRÜNE)