Protokoll der Sitzung vom 18.06.2015

Ich bin den Grünen eigentlich dankbar, dass sie für dieses The ma eine Aktuelle Debatte geopfert haben, damit wir hier ein mal aufklären können.

(Lachen bei Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD)

Herr Wolf, der Fraktionsvorsitzende, hat nämlich in der Zu meldung vom 17. Mai geschrieben – es handelt sich um den zweiten Satz –:

Es ist selbstverständlich, dass bei der Verlegung der Stromtrasse baden-württembergische Interessen gewahrt bleiben müssen.

(Abg. Norbert Beck CDU: So ist es!)

Das ist doch eine eindeutige Aussage.

(Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Für die Verlegung! Er ist für die Verlegung! – Unruhe)

Ich frage mich: Was macht eigentlich Ihr Ministerpräsident? Ihr Ministerpräsident Kretschmann hat mit Herrn Seehofer ein gemeinsames Manifest zur Energiewende geschrieben.

(Zuruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Herr Schmid war leider nicht beteiligt – aber er kann sich si cherlich noch gut daran erinnern –; denn es war ein Geheim treffen. Was hat denn dieses Manifest dann für einen Nutzen gehabt?

(Abg. Andreas Deuschle CDU: Das war doch die neue Südschiene!)

Sie rühmen sich mit der Südschiene, und was passiert in Sa chen Energiewende? Jeder geht seine eigenen Wege. Der Um weltminister sagt, er schreibt der Kollegin Aigner einen Brief. Da wäre einmal interessant, was sie geantwortet hat. Aber bes ser wäre es natürlich, den Hörer in die Hand zu nehmen und miteinander zu sprechen.

Wir, die CDU Baden-Württemberg, stehen zum Ausbau. Wir halten ihn für notwendig; er ist elementar für die Energiewen de, und daran gibt es überhaupt nichts zu deuteln.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Er ist ja längst be schlossen!)

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort dem Kollegen Stober.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Legislaturperiode ist jetzt vier Jahre alt. Ich war lange Zeit der Überzeugung – ge rade auch durch die vielen Diskussionen, die wir im Umwelt- und Energieausschuss hatten; Kollege Nemeth ist auch dar auf eingegangen –, dass es in diesem Haus beim Thema Stromnetzausbau Konsens gibt.

Wir hatten dann die Situation – es handelte sich nicht um ei nen formalen Beschluss, sondern schlicht und ergreifend um eine Pressemitteilung; aber darum geht es jetzt nicht –, in der unser Ausschussvorsitzender, Herr Müller, sich noch einmal klar und eindeutig gegen die verantwortungslose Haltung des Landes Bayern, aber auch gegen die verantwortungslose Hal tung des BUND beim Thema Stromnetzausbau ausgesprochen hat, weil damit die Energiewende gefährdet wird. Das war der gemeinsame Weg, den wir in diesem Haus gegangen sind.

Was haben wir dann gemacht? Wir, die SPD-Fraktion, haben nichts anderes gemacht, als dass wir den Vorschlag unterbrei tet haben, das, was in der Pressemitteilung von Herrn Müller stand, hier zum Beschluss zu erheben. Was gab es dann? Es gab Zustimmung von der grünen Seite, es gab Zustimmung von der FDP-Seite, es gab auch Zustimmung von der Arbeits- und Fachebene der CDU. Dann gab es eine CDU-Fraktions sitzung.

(Widerspruch des Abg. Winfried Mack CDU)

Dann gab es eine CDU-Fraktionssitzung. Dann war plötz lich der Bundesbedarfsplan nicht mehr – –

(Abg. Winfried Mack CDU: Stimmt doch gar nicht! Der Umweltminister wollte die Trasse bauen!)

Dann gab es hier auch keine Mehrheit mehr über alle Frakti onen hinweg, sondern nur noch eine von SPD, Grünen und FDP/DVP getragene Mehrheit. An dieser Stelle hat bereits das Herumgeeiere begonnen, und mit der Pressemitteilung von Herrn Wolf ist dies weitergeführt worden.

Deswegen interessiert uns, die SPD-Fraktion, hier weniger, was die Umwelt- und Energiepolitiker der CDU-Fraktion sa gen – da kann ich mit dem meisten von Herrn Nemeth Gesag ten auch mitgehen –, sondern uns interessiert, was die CDUFraktion, insbesondere deren Vorsitzender und Spitzenkandi dat Guido Wolf, zu diesem Thema zu sagen hat.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Ich habe kein Problem, Herr Wolf, dass Sie vorhin auch zum Thema Informatikunterricht geredet haben, auch wenn Sie sich hierzu in der Sache nicht besonders gut informiert hat ten. Aber zu diesem für den Wirtschaftsstandort Baden-Würt temberg so zentralen Thema erwarte ich nun von einem, der dieses Land regieren möchte, klare Aussagen. Die fehlen aber weiterhin.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Ich möchte noch einmal darauf eingehen – Kollegin Lindlohr hat es bereits getan –, was für Auswirkungen es hätte, wenn wir in Deutschland einen – so nenne ich es jetzt einmal – „bay erischen Strom-Grexit“ bekommen würden. Was für Auswir kungen hätte das? Es gibt drei Möglichkeiten.

Die erste Möglichkeit: Man schmeißt die Atomkraftwerke wieder an. Ich bin überzeugt, dass der Bundestag und die brei te Mehrheit der Fraktionen im Deutschen Bundestag und in den Ländern dagegen sind.

Die zweite Möglichkeit wäre, dass wir Versorgungsengpässe bekommen, insbesondere mit großen Problemen für unser pro duzierendes Gewerbe. Wenn urplötzlich der Strom ausfällt und die Produktionsprozesse abrupt abbrechen, wäre die Fol ge, dass die Akzeptanz für die Energiewende in Deutschland leiden würde.

Die dritte Variante – zu der es vermutlich kommen würde – ist, dass die Bundesnetzagentur einschreitet und Deutschland in zwei Preiszonen unterteilt. Ich fürchte, dass wir dann mit Bayern zusammen im Süden verhaftet wären. Die Folge – der Vorstandsvorsitzende der TenneT hat es klar formuliert –: 30 % mehr Kosten beim Stromeinkauf als Aus und eine Rie sengefährdung für die stromintensive Industrie in BadenWürttemberg. Herr Wolf, mit dieser Haltung die Sie bisher an den Tag legen, gefährden Sie den Wirtschaftsstandort BadenWürttemberg und viele Arbeitsplätze in unserem Land. Das kann nicht sein.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Ich bin auch unserem Wirtschaftsminister Nils Schmid sehr dankbar: Heute oder dieser Tage jedenfalls findet eine Wirt schaftsministerkonferenz statt – vermutlich ist das auch der Grund, weshalb er gerade nicht anwesend ist –, auf der dieses Thema noch einmal angesprochen wird. Es gibt einen Be schlussvorschlag der Länder Baden-Württemberg und Hes sen, in dem man sich noch einmal ganz klar zu diesem The ma positionieren will. Ich lese jetzt hier einfach einmal einen Teil vor:

Die Wirtschaftsministerkonferenz stellt daher mit Sorge fest, dass der Ausbau insbesondere der Übertragungsnet ze weiterhin nur langsam vorankommt. Um die Versor gungssicherheit nicht zu gefährden, darf die Umsetzung der Netzausbauplanung nicht weiter verzögert werden. Die Wirtschaftsministerkonferenz bekennt sich vor die sem Hintergrund ausdrücklich zu den gemeinsam von Bundestag und Bundesrat beschlossenen Netzausbaupro jekten und zum Ausbau des Übertragungsnetzes als sol ches, wie er im Bundesbedarfsplangesetz verankert ist.

Genau das, wortwörtlich, hatten hier SPD, Grüne und FDP/ DVP beantragt. Genau das, Herr Wolf, hatten Sie hier in die sem Haus abgelehnt. Ich frage mich, wie es laufen würde, wenn Sie hier regieren würden. Die Hessen wären letzten En des allein an dieser Stelle, wenn keine Unterstützung aus Ba den-Württemberg vorhanden wäre. Das kann nicht sein.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Deswegen kann ich nur eines sagen: Klare Kante beim The ma Netzausbau. Weniger auf Bayern schauen, Partner suchen, in Hessen, Rheinland-Pfalz und anderen Ländern. Das ist der richtige Weg für Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich das Wort dem Kollegen Glück.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die FDP Baden-Würt temberg und die FDP/DVP-Fraktion stehen zu „blauem Wachstum“. Wir haben das auch an unserem Dreikönigstref fen in diesem Jahr verabschiedet. Zentrale Punkte dieses „blauen Wachstums“ sind zum einen die Nachhaltigkeit und zum anderen, dass jedes Land und jede Region entsprechend ihren Stärken für die Energiewende einen Beitrag leisten kann. Dazu gehört für uns, die FDP/DVP-Fraktion, auch die Wind kraft – allerdings nicht im Sinne von Schwachwindanlagen in Baden-Württemberg, von denen selbst eine grün geführte Lan desregierung im vergangenen Jahr gerade mal sieben Anlagen hinbekommen hat – drei wurden abgebaut –, sondern wir wol len Windkraftanlagen dort haben, wo es eben Wind gibt. Da lohnt es sich einfach einmal draufzuschauen, wo denn dieser Wind ist.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Wo ist der Wind?)

Wenn wir bei einer durchschnittlichen Windkraftanlage in Ba den-Württemberg – – Bei Ihnen ist der Wind halt leider nicht, Frau Sitzmann. – Bei uns in Baden-Württemberg ist der Wind leider nicht, zumindest ist er nicht ausreichend für den Betrieb von Windkraftanlagen.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Dann sollten Sie sich einmal den Windatlas zu Gemüte führen!)

Wir haben durchschnittlich 1 250 Volllaststunden für Wind kraftanlagen. Gehen wir nach Schleswig-Holstein, sind wir bereits bei über 2 200 Stunden. Schauen wir uns einmal Off shorewindkraftanlagen an: Dort sind es deutlich über 4 000 Volllaststunden im Jahr, meine sehr geehrten Damen und Her ren.

Deswegen sind wir der Auffassung – wir sind es schon von Anfang an gewesen –: Nicht jedes baden-württembergische Windkraftrad muss in Baden-Württemberg stehen, sondern wir wollen die Dinger lieber dort haben, wo es tatsächlich Wind gibt.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Das ist Teil Ihres „blauen Konzepts“!)

Dazu benötigen wir einen Leitungsausbau. Wir müssen dafür sorgen, dass dieser Windstrom eben von dort, wo er erzeugt

wird, wo er sinnvoll und in absehbarer Zeit wirtschaftlich er zeugt werden kann, dorthin kommt, wo er benötigt wird, und zwar zu uns in den Süden mit seinem hohen Energiebedarf, wo die Wirtschaft floriert und wir somit auch einen hohen Stromverbrauch haben.

Eigentlich gab es, was den Übertragungsnetzausbau anging, einen Konsens. Es gab den Konsens im Rahmen des Bundes bedarfsplangesetzes 2013, bei dem übrigens auch die CSU mit an Bord war und mitgemacht hat. Jetzt soll es zu einer einsei tigen Aufkündigung durch Ilse Aigner und Horst Seehofer kommen. Sie fordern, dass die SuedLink-Trasse nach Westen verlagert wird; ansonsten würden sie u. a. mit Naturschutzbe langen drohen, um den Leitungsausbau zu blockieren. Dieses Bestreben wird außerdem mit dem Hinweis versehen, es kön ne nicht sein, dass Bayern das einzige Bundesland sei, wel ches von zwei großen Übertragungstrassen betroffen wäre.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist Baden-Würt temberg auch. Wir haben Ultranet und SuedLink. Unabhän gig von der Tatsache, dass Bayern vom EEG in seiner jetzi gen Form mehr profitiert als jedes andere Bundesland – Bay ern kassiert aus dem Aufkommen der EEG-Umlage jährlich 1 Milliarde € mehr, als die Bayern an EEG-Umlage bezahlen –, unabhängig also davon, dass Bayern ohnehin an anderer Stelle profitiert, können, wenn Bayern den Konsens jetzt auf kündigt, zwei Dinge drohen.