Protokoll der Sitzung vom 12.10.2011

Vielen Dank. – Ich darf die Frau Kultusministerin bitten, für die Landesregierung die Antwort zu geben.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Da men und Herren! Die Antwort, Herr Abg. Wacker, auf Ihre Frage, ob wir die Absicht haben, die Hauptschule zum nächs ten Schuljahr abzuschaffen, lautet ganz klar: nein.

Die Werkrealschule – das wissen Sie – ist eine Schule, die ei nen mittleren Schulabschluss anbietet. Die Werkrealschule hat die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. Es wird an der Werkrealschule die Möglichkeit geben, ein zehntes Schuljahr einzuführen und nach zehn Jahren den Hauptschulabschluss zu machen. Das ist die Veränderung.

Zur Frage, an welchen Stellen sich denn nun die Hauptschu len, die es noch gibt, von den Werkrealschulen unterscheiden: Die Werkrealschulen bieten nicht die Möglichkeit, in zehn Jahren einen Hauptschulabschluss abzubilden. Genau das wer den wir verändern. Ferner werden wir auch einzügigen Haupt schulen ermöglichen, Werkrealschulen zu werden. Das bedeu tet, dass die Hauptschulen, die sich dazu entschließen, auch Werkrealschulen sein können.

So verhält es sich mit den Fragen, die Sie angesprochen ha ben.

Im Übrigen ist es so, dass Werkrealschulen von ihrer ganzen Arbeitsweise her sehr gute Möglichkeiten haben, sich zu Ge meinschaftsschulen weiterzuentwickeln. Daher gehe ich ganz klar davon aus, dass eine ganze Reihe von Werkrealschulen diesen Weg beschreiten werden. Wir gehen davon aus, dass sich in den nächsten Jahren die weiterführende Schulland schaft in Baden-Württemberg entsprechend weiterentwickeln wird.

Vielen Dank, Frau Mi nisterin. – Für die Fraktion GRÜNE hat Herr Abg. Lehmann das Wort.

Frau Ministerin, wie be werten Sie es, dass die ehemalige Kultusministerin Schick im Januar dieses Jahres, glaube ich, verkündet hat, dass auch ein zügige Hauptschulen Werkrealschulen werden können?

Hat die vorherige Landesregierung nicht bereits die Axt an die Hauptschule angelegt, indem sie eigentlich allen Schulen die Möglichkeit eröffnete, Werkrealschule zu werden? Ist die Fra ge von Herrn Wacker nicht auch ein bisschen seltsam, inwie fern die Hauptschule zu retten sei? Denn die vorherige Lan desregierung hatte doch die Hauptschule bereits aufgegeben.

(Abg. Andreas Stoch SPD: So ist es! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Kann sie darauf über haupt antworten?)

Letztlich entscheidet das Übergangsver halten der Schülerinnen und Schüler über das Schicksal der Hauptschule. Die Tendenz ist eindeutig: Es gibt einen Trend hin zu immer höheren Abschlüssen. An den Orten, wo es ei ne Werkrealschule gibt, wird diese natürlich in erhöhtem Maß nachgefragt.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Gutes Konzept also!)

Ich stimme Ihnen zu, Herr Abg. Lehmann: Dies war sicher lich auch ein Anlass dafür, dass man Anfang dieses Jahres ein zügigen Hauptschulen letztlich doch die Möglichkeit eröffnet hat, sich zu Werkrealschulen weiterzuentwickeln.

Für die Fraktion der SPD erteile ich Herrn Abg. Käppeler das Wort.

Frau Ministerin, wie bewerten Sie das Ergebnis einer Allensbach-Studie, von der ich heute Morgen in der „Stuttgarter Zeitung“ gelesen habe, wonach nur noch 3 % der Eltern die Hauptschule als Wunschschule anse hen?

Im Grunde wird dadurch der allgemei ne gesellschaftliche Trend deutlich. Es ist klar, dass Eltern für ihre Kinder den maximalen Schulabschluss, den maximalen Bildungserfolg wollen. Denn es ist klar, dass die Chancen auf dem Arbeitsmarkt auch mit dem Schulabschluss zusammen hängen.

Das Interessante an dem Ergebnis der Allensbach-Studie, das vorgestellt worden ist, ist eigentlich, dass insbesondere Eltern mit Migrationshintergrund auf der einen Seite einen sehr gro ßen Ehrgeiz im Hinblick auf ihre Kinder haben. Sie wollen diese sehr gern fördern. Sie sehen sehr genau, dass ein Zu sammenhang zwischen dem Bildungsabschluss und dem spä teren Einstieg in das Berufsleben besteht. Auf der anderen Sei te haben viele Menschen mit Migrationshintergrund den Ein druck, dass das Bildungssystem in Deutschland – die Studie betrifft ganz Deutschland – Kinder mit Migrationshintergrund nicht ausreichend fördert bzw. diese sogar benachteiligt. Des halb müssen wir bei unserem Bildungssystem alles tun, um diesen Eindruck zu widerlegen.

Vielen Dank. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Abg. Schebesta.

Frau Ministerin, Sie haben ge sagt, Sie sagten ganz klar, die Hauptschule solle zum nächs ten Schuljahr nicht abgeschafft werden. Ich frage mich: Wenn das so klar ist und wahrscheinlich bereits in der letzten Wo che so klar war, warum hat dann Ihr Stabsstellenleiter Zeller bei der Veranstaltung in Ludwigsburg etwas ganz anderes ge sagt? Er hat gesagt, dass alle Hauptschulen Werkrealschulen würden.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Werden können!)

Damit solle es zum nächsten Schuljahr keine Hauptschulen mehr geben.

Weiter haben Sie gesagt, dass über die Zukunft der Haupt schule auch das Übergangsverhalten entscheide. Ich frage mich, ob Sie überhaupt ein Interesse daran haben, dass Schü lerinnen und Schüler auf die Hauptschule wechseln. Deshalb will ich Sie konkret auf die Anlage des Entwurfs der Verwal tungsvorschrift „Aufnahmeverfahren für die auf der Grund schule aufbauenden Schularten; Orientierungsstufe“ anspre chen. Darin gibt es den Begriff Hauptschule nicht mehr.

Können Sie Hauptschulleiter verstehen, die an ihrer Schule für gute Arbeit sorgen, die bei den Eltern für ihre Schulart wer ben und die sich fragen, wie sie im nächsten Schuljahr mit den

Grundschulempfehlungen bei den Eltern um Verständnis da für werben sollen, dass sie auch an einer Hauptschule gute Ar beit leisten können?

Bitte, Frau Ministerin.

Die Aussage von Herrn Zeller am Don nerstag letzter Woche in Ludwigsburg hätte eigentlich lauten müssen: „Alle Hauptschulen können sich zu Werkrealschulen entwickeln.“

(Abg. Volker Schebesta CDU: Hätte müssen! Aber sie hat so nicht geheißen!)

Er hat es so nicht gesagt. Ich kann mich an die Passage er innern. Das ist aber das, was letztlich dahintersteht.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das ist der B-3-Schock! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, Sie werden sich daran erinnern: Der Vortrag war sehr ausführlich und hat letztlich die Gesamt perspektive beleuchtet. Solch eine sprachliche Unschärfe kann schon einmal auftreten.

(Zurufe von der CDU, u. a.: Monopoly Junior! – Un ruhe)

Frau Ministerin, Sie ha ben das Wort für die Beantwortung.

Genau. – Im Hinblick auf das genannte Merkblatt muss ich offen gestehen: Mir ist so nicht bekannt, dass darin das Wort Hauptschule nicht vorkommt.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Anhörungsentwurf!)

Wahrscheinlich habe ich die Anlage nicht ausführlich genug studiert. Das werde ich nacharbeiten.

(Abg. Georg Wacker CDU: Die kann ich Ihnen gern geben! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wir haben es da! – Abg. Volker Schebesta CDU: Wir werden ja dann Gelegenheit haben!)

Darüber zu reden, genau.

Danke schön.

Eine weitere Frage des Herrn Abg. Lehmann für die Fraktion GRÜNE.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die Frau Ministe rin interessiert das überhaupt nicht!)

Frau Ministerin, wie be werten Sie die bundesweite Diskussion, die auch von der Bun desbildungsministerin ausgelöst wurde, dass man in Deutsch land einheitlichere Bildungsstrukturen bekommen und sich vom dreigliedrigen Schulsystem verabschieden und zu einem zweigliedrigen Schulsystem kommen sollte? Das würde mich interessieren, weil hier darüber diskutiert wird, dass wir bun desweit einen Trend zur Zweigliedrigkeit haben, und auch die

CDU diesen Weg jetzt offensichtlich gehen will. Wie würden Sie es bewerten, wenn Baden-Württemberg diesen Weg nicht mitginge?

Ich hoffe doch sehr, dass sich BadenWürttemberg in seiner gesamten politischen Vielfalt zu die sem Schritt durchringt. Denn das hat etwas damit zu tun, dass man die Realität so sieht, wie sie ist. Die Gesellschaft hat sich weiterentwickelt. Entsprechend muss sich Schule weiterent wickeln. Angesichts des Verhaltens der Schülerinnen und Schüler beim Übergang auf weiterführende Schulen ist völlig klar, dass der Trend hin zu einem mindestens mittleren Schul abschluss geht. Unsere Aufgabe ist es, ein solches Schulsys tem zu gewährleisten.

Eine weitere Zusatzfra ge des Herrn Abg. Käppeler von der SPD-Fraktion.

Frau Ministerin, wie bewerten Sie den Umstand, dass Eltern durch die Begrifflichkeit „Neue Werkrealschule“ total verunsichert sind und nicht wissen, dass der Bildungsplan der Hauptschule zumindest bis zur neunten Klasse der gleiche ist wie der, der für die Werkrealschule gilt?

Offensichtlich sind da die Informationen nicht ausreichend geflossen. Unsere Aufgabe ist es jetzt, das Ganze nachzuholen. Man kann an diesem Umstand auch se hen, dass im Grunde schon die damalige Landesregierung er kannt hat, wohin der Trend geht, nämlich dass wir perspekti visch weiterführende Schulen brauchen, die mindestens einen mittleren Schulabschluss anbieten.

Eine weitere Zusatzfra ge, Herr Abg. Kößler von der CDU-Fraktion.

Frau Ministerin, Sie haben vor hin von der einzügigen Werkrealschule gesprochen und spre chen auch von der zehnten Klasse. Wie groß muss eine zehn te Klasse an der Werkrealschule sein, damit sie dort entstehen kann? In meinem Wahlkreis gibt es öfter Nachfragen. Dort weiß man im Augenblick nicht, wie groß eine zehnte Klasse an der Werkrealschule sein muss, damit sie dort eingerichtet werden kann.

Um eine zehnte Klasse einzurichten, braucht man 16 Schüler.

Eine weitere Frage des Herrn Abg. Wacker von der CDU-Fraktion.

Frau Ministerin, ich komme noch einmal auf den Kern der Frage. Sie haben mir eben bestätigt, dass Sie im Anschluss an Ihren Kongress in Ludwigsburg in einer Pressemitteilung die Aussage Ihres Stabsstellenleiters dahin gehend klargestellt haben, dass sich einzügige Haupt schulen im kommenden Schuljahr zu Werkrealschulen wei terentwickeln können. Wenn sogar Sie selbst hier von einer Weiterentwicklung sprechen: Können Sie noch einmal präzi se darlegen, wie Ihr Konzept der Weiterentwicklung hin zur Werkrealschule konkret aussieht und vor allem wann dieses Konzept mit den pädagogischen Inhalten von Ihrer Seite aus kommuniziert wird?