Protokoll der Sitzung vom 28.10.2015

(Glocke des Präsidenten)

Kollege Gruber, gestatten Sie ei ne Zwischenfrage des Kollegen Dr. Bullinger?

Ja, ich gestatte eine Zwischenfra ge.

Bitte schön.

Herr Kollege Gru ber, Sie haben sehr viele Dinge gesagt, die ich nur unterstrei chen kann. Wenn ich es richtig weiß, haben die Sozialdemo kraten in den letzten 50 Jahren fast 25 oder doch 20 Jahre – Regierung Schröder, Große Koalition – regiert; zwei, drei Mal waren sie an der Regierung.

Die Frage: Wie beurteilen Sie im Augenblick die Energiepo litik, vor allem in Richtung Braunkohle und Kohle überhaupt, durch Ihren Bundeswirtschafts- und -energieminister Gabri el? Ob Sie vielleicht dazu ein paar Sätze sagen könnten? Es müsste Ihnen eigentlich nach dem, was Sie bisher gesagt ha ben, wehtun, wenn Sie dazu etwas sagen müssen.

Es ist richtig, dass wir aus den fossilen Energien immer stärker aussteigen und in die regene rativen Energien immer stärker einsteigen müssen. Ich hoffe, Sie helfen uns dabei. Baden-Württemberg ist da leider ande re Signale von der FDP gewohnt.

Es war jetzt ein Kompromiss. Einige Braunkohlekraftwerke sind vom Netz gegangen und stehen nur noch als Reserveka pazität zur Verfügung. Klar ist, es müssen weniger werden, aber klar ist auch, dass wir den Atomausstieg und den Kohle ausstieg nicht gleichzeitig in kurzer Zeit schaffen können. Das zu sagen gehört zur Ehrlichkeit auch dazu.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Insgesamt zeigt es aber: Das Ziel, bis 2050 90 % weniger CO2 auszustoßen, ist sehr ehrgeizig. Da müssen wir viel leisten; da müssen wir alle viel leisten. Ich denke, Baden-Württemberg und Deutschland haben hier wichtige Schritte in die richtige Richtung getan. Mehr dazu in der zweiten Runde.

Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich das Wort dem Kollegen Glück.

Herr Präsident, werte Kol leginnen und Kollegen! „Baden-Württemberg geht voran. Die Welt braucht einen ambitionierten und globalen Klimaschutz.“ Den Titel der Debatte könnten wir jetzt vielleicht so mittra gen, außer, dass man sagen muss: Der zweite Satz, dass die Welt einen globalen Klimaschutz braucht, ist, mit Verlaub, ei ne Binsenweisheit. Oder kennen Sie etwa einen anderen Kli maschutz als den globalen?

Auch der erste Satz, dass Baden-Württemberg vorangeht, ist vielleicht richtig. Das ist aber vor allem den Menschen im

Land zu verdanken; das ist den Unternehmen in unserem Land zu verdanken, gerade den kleinen und mittleren Unternehmen. Wenn Sie aber darauf abzielen, zu suggerieren, dass BadenWürttemberg wegen der Landespolitik, die wir in diesem Land haben, vorangehe, so ist das schlicht und einfach falsch. Denn im Bereich der Energiepolitik kann man kaum mehr falsch machen als Sie in den vergangenen Jahren, meine sehr geehr ten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Ich möchte Ihnen gern ein paar Beispiele geben. In Ihrem hochgelobten Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzept steht z. B.:

Steigende Energiepreise dürfen kein Armutsrisiko darstel len.

Deswegen empfehlen Sie eine Energieeffizienzberatung, die dabei hilft, den Leuten klarzumachen, sie müssten stromspa rende Geräte kaufen. Auf gut Deutsch heißt das doch nichts anderes als: „Wenn du die Stromrechnung nicht zahlen kannst, dann kauf dir bitte einen neuen Kühlschrank.“ Meine sehr ge ehrten Damen und Herren, das ist doch nicht seriös, so zu ar gumentieren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Nächste – das möchte ich auch an dieser Stelle wieder sa gen –: Es war zu Zeiten einer schwarz-gelben Bundesregie rung, als die steuerliche Abschreibbarkeit der energetischen Gebäudesanierung infrage gestellt wurde, und es waren die Grünen in diesem Land, die diese steuerliche Abschreibbar keit damals im Bundesrat haben kippen lassen. Auch das ist ein unverzeihlicher Fehler – ein Zeichen Ihrer schlechten Energiepolitik.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Stattdessen setzen Sie auf Windkraftanlagen. Sie wollen den Herausforderungen der Energiewende in dem Land, das die geringste Windhöffigkeit in ganz Deutschland hat, ausgerech net mit der Windkraft begegnen. Dazu braucht man schon ei niges an Fantasie. Dass ich recht habe, zeigt doch folgende Tatsache: Herr Untersteller, Sie sagen immer, wie viele Wind kraftanlagen im Genehmigungsverfahren sind. Aber wenn man dann mal schaut, wie viele gebaut werden, sieht man: Die Investoren in diesem Land haben sehr wohl zur Kenntnis ge nommen, dass Baden-Württemberg ein schlechter Windkraft standort ist; es zeigt sich, dass Sie auf das falsche Pferd set zen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Außerdem halten Sie damit an einem Erneuerbare-EnergienGesetz fest, das vielleicht seinerzeit richtig und berechtigt war, aber heute in Dimension und Umfang das falsche Instrument ist. Es führt mittlerweile dazu, dass durch die gesunkenen Preise an der Strombörse weniger Gaskraftwerke ans Netz ge hen und wir in den vergangenen Jahren steigende CO2-Emis sionen hatten. Das ist doch paradox! Ausgerechnet durch das Mittel, das man wählt, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren,

kommt man an einen Punkt, an dem auf einmal mehr CO2 emittiert wird.

Wenn Sie jetzt entgegnen, im Jahr 2014 sei aber der CO2-Aus stoß wieder leicht gefallen, so ist es im Endeffekt völlig klar – das sagt auch das Umweltbundesamt –, dass dies am mil den Winter und an sonst gar nichts liegt. Das heißt, mit dem EEG kommen wir an einen Punkt, an dem mehr CO2 emittiert wird.

Des Weiteren ist das Ganze sehr teuer und nicht wirtschafts orientiert; die EEG-Umlage entwickelt sich entgegen jegli cher Prognose. Herr Minister Untersteller, Sie haben es auch in diesem Jahr schon mehrfach gesagt: Sie rechnen in Zukunft mit sinkenden EEG-Umlagen. Das stimmt nicht. Die EEGUmlage wird im nächsten Jahr steigen; wir haben das jetzt he rausbekommen. Das EEG ist an dieser Stelle ein schlechtes Mittel.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Besonders ärgerlich ist, dass das EEG immer nur den weite ren Ausbau von irgendwelchen erneuerbaren Kapazitäten för dert. Sie haben aber gar nicht auf dem Schirm, dass wir in zu nehmendem Maß Innovationen im Bereich Speicherung und einen Netzausbau brauchen. All das haben wir mit diesem System, das Sie gut finden, nicht.

Jetzt kommt noch der größte Witz. Gehen wir zurück zum Thema Windkraft: Wenn man in einem EEG so weit ist, dass man eine Windkraftanlage an einem schlechten Standort bes ser vergütet als eine Windkraftanlage an einem guten Stand ort, ist das doch genau das Gegenteil von wirtschaftsorientiert, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Nun das vielleicht wichtigste Argument. Der Weltklimarat sagt: Wenn man nationale Alleingänge wie das EEG unter nimmt, unterminiert man damit europaweite Einigungen, die sehr wertvoll wären. Etwa den CO2-Zertifikatehandel unter minieren Sie dadurch, dass Sie nationale Alleingänge machen.

Herr Renkonen, ich kann Sie also nur ermuntern: Machen Sie sich einmal Gedanken darüber, ob es nicht besser wäre, den gesamten Windkraftwahn zu stoppen und uns auf unsere Stär ken zu berufen. Wir haben in diesem Bundesland Stärken,

(Zuruf des Abg. Johannes Stober SPD)

mit denen wir einen substanziellen Beitrag zur Energiewen de leisten können. Beispielsweise der Bereich Innovation muss viel stärker gefördert werden. Das ist wichtiger, als ir gendwelche Windkraftanlagen aufzubauen, bei denen sich die Räder meist nicht drehen.

Zum Thema Kapital: Es muss doch nicht jede baden-württem bergische Windkraftanlage in Baden-Württemberg stehen. Im Zweifelsfall ist es mir doch lieber, dass sie irgendwo steht, wo es tatsächlich Wind gibt.

Wenn wir die Häuslebauer und die mittelständisch geprägte Industrie in unserem Land anschauen, ist auch klar, dass wir hier noch große Potenziale beim Thema Energieeffizienz ge rade im Wärmebereich zu heben haben. Deswegen – ich sage es noch einmal –: Stoppen Sie den Windkraftwahn! Stärken Sie unsere Stärken!

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Untersteller das Wort.

(Unruhe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe die Bitte, die Ge spräche im Plenarsaal auf ein Minimum zu beschränken – auch aus Respekt vor den Rednerinnen und Rednern.

Bitte schön, Herr Minister.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kol legen Abgeordnete! Herr Kollege Glück, ich gebe Ihnen ein fach einmal einen Tipp: Reden Sie einmal mit dem früheren Wirtschaftsminister dieses Landes, Walter Döring, Mitglied Ihrer Partei – soviel ich weiß, auch heute noch –, heute Vor sitzender des Windclusters Baden-Württemberg, über das, was Sie hier zum Thema Wind erzählen. Mehr sage ich dazu nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Zuruf: Bravo!)

Herr Kollege Lusche, zu der Frage: „Welchen Stellenwert hat Baden-Württemberg bei der Debatte rund um das Thema Kli maschutz?“ Wenn man nüchtern die Zahlen betrachtet, muss man sagen: Eigentlich spielen wir im globalen Maßstab kei ne große Rolle. Wir haben etwa 65 bis 70 Millionen t pro Jahr an CO2-Emissionen. Das sind 0,3 % der globalen CO2-Emis sionen. Man könnte also sagen: Auf uns kommt es nicht an.

Ich finde aber, es muss andersherum gehen. Warum? Wenn Sie einmal in die Geschichte zurückschauen, war es immer so, dass Entwicklungsländer und Schwellenländer sich an den Entwicklungsmodellen der Industrieländer orientiert haben – immer. Ich wüsste nicht, warum es in Zukunft anders sein soll te. Wenn man also in einem Industrieland wie dem unseren zeigt, dass Klimaschutz geht und damit trotzdem Wohlstand und wirtschaftliche Prosperität einhergehen können, gibt man ein positives Beispiel, dem andere folgen können. Wegen die ses Ziels betreiben wir in Baden-Württemberg Klimaschutz in dieser Intensität.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben am 17. Juli 2013 im baden-württembergischen Landtag mit breiter Mehr heit – es ist schon angesprochen worden – ein Klimaschutz gesetz beschlossen. Darin haben wir festgelegt, dass wir die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2020 um 25 % gegen über dem Kioto-Basisjahr 1990 senken. Als Langfristziel ha ben wir in diesem Gesetz die Reduktion der Treibhausgas emissionen bis 2050, also bis zur Mitte dieses Jahrhunderts, um 90 % festgeschrieben. Ich finde, der Landtag hat mit die ser Festlegung einen ambitionierten Beitrag des Landes zum weltweiten Klimaschutz geleistet und den Rahmen für eine nachhaltige Energieversorgung in Baden-Württemberg vor gegeben.

Ich bin heute noch froh darüber, dass wir bei diesen wichti gen Rahmenbedingungen, die weit über die Legislaturperio de hinaus von Bedeutung sind, eine breite Mehrheit hatten. Die CDU-Fraktion im Landtag war seinerzeit weitgehend mit uns einig, wenn es auch, was die Schritte zur Umsetzung be trifft, unterschiedliche Auffassungen gibt. Das ist auch eben noch einmal deutlich geworden.

Mit dem Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzept, dem IEKK, haben wir wichtige Grundlagenarbeit geleistet, einen Maßnahmenkatalog vorgelegt, der Strategien und Maßnah men enthält. Herr Kollege Lusche, ob alle 108 Maßnahmen, die darin festgelegt sind, in dieser Legislaturperiode umge setzt werden, ist doch nicht das Entscheidende. Das Entschei dende ist vielmehr, dass wir uns im Wesentlichen in dieser Le gislaturperiode auf den Weg gemacht haben. Aber auch in den kommenden Jahren wird es notwendig sein, diesen Weg kon sequent weiterzugehen. Es wird auch notwendig sein, dass wir in der nächsten Legislaturperiode ein Ziel für 2030 formulie ren und diesen Maßnahmenkatalog dann weiterentwickeln. Auch das haben wir bereits im Blick.