Protokoll der Sitzung vom 15.03.2012

Das ist ein guter Tag für die Energiewende.

Am 9. März 2012 hieß es in der Frankfurter Allgemeinen Zei tung, dass der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags mit einem Rekordausbau der Foto voltaik im Umfang von 8 000 MW im Jahr 2012 rechne.

Die Situation wird auch dann klar, wenn man sich einmal die Preisentwicklung anschaut. Im Jahr 2006 kostete eine Anla ge noch 5 000 € pro installiertem Kilowatt Peak. Mittlerwei le sind wir bei 2 200 €. Da muss man doch ganz ehrlich sa gen: Es wird Zeit, die Solarförderung deutlich abzusenken.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Für die Landesregierung spricht Herr Umweltminister Untersteller.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Kollegin nen und Kollegen! Kollege Stober hat es schon angesprochen: Der Ausbau und die Nutzung der Solarstromerzeugung in Deutschland und speziell in Baden-Württemberg ist – um es einmal so deutlich zu sagen – eine Erfolgsstory. Ich will ver suchen, Ihnen das anhand einiger Beispiele zu verdeutlichen.

Wir hatten Ende 2011 in Baden-Württemberg eine installier te Leistung von ungefähr 4 GW. Allein im vergangenen Jahr haben wir 1 000 MW zugebaut. Im Jahr zuvor haben wir eben falls 1 000 MW zugebaut. Wenn wir in der Zukunft jährlich auch nur halb so viel zubauen könnten, nämlich 500 bis 600 MW, kämen wir dabei im Jahr 2020 auf einen Anteil an der Bruttostromerzeugung von 11 bis 12 %.

Diese 4 GW, die wir heute an installierter Leistung haben, sind mehr, als sich die frühere Landesregierung in ihrem Energie konzept bis zum Jahr 2020 zum Ziel gesetzt hat. Daran kön nen Sie erkennen, wie man die erneuerbaren Energien unter schätzen kann.

Um diese Erfolgsstory weiter zu verdeutlichen, möchte ich den gestrigen Tag in den Blick nehmen. Auf der Website der EnBW-Netzgesellschaft, der Transnet, kann man sehen, wel chen Anteil die eingespeiste Solarenergie in Baden-Württem berg jeweils ausmacht. Bezogen auf den gestrigen Tag sind dort folgende Zahlen zu sehen: Gestern Morgen um 10:00 Uhr hatten wir eine Einspeisung von 1 000 MW. Zwischen 12:00 Uhr und 14:00 Uhr hatten wir eine Einspeisung von 2 500 MW. Um 17:00 Uhr ist die Einspeisung dann wieder auf 1 000 MW gesunken.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Und um 21:00 Uhr?)

Das heißt unter dem Strich, Herr Kollege Bullinger: In der Phase zwischen 10:00 Uhr und 17:00 Uhr – wohlgemerkt im März; Sie können sich ausrechnen, wie es in den Monaten Ju ni, Juli und August aussehen wird – haben Sie in unserem Netz die Leistung von mindestens einem Kernkraftwerk, in der Mit tagszeit sogar die Leistung von zwei Kernkraftwerken über Solarenergie abgedeckt. Das ist eine Erfolgsgeschichte.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Zu dieser Erfolgsgeschichte gehört auch – das sollte man sich mit Blick auf die Strompreisentwicklung auch einmal an schauen –, dass die Solarenergie parallel

(Zuruf von der CDU: Und EEG?)

zum Spitzenlaststrombedarf der Industrie läuft. Was heißt das? Jetzt kommen wir auch wieder zu konkreten Zahlen. Im Som mer des vergangenen Jahres ist der Spitzenlaststrompreis um 3 € pro Megawattstunde gesunken. Das heißt, er wurde um 5 % reduziert. Auch das ist ein Teil der Erfolgsgeschichte.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Das heißt, die Solarenergie führt schon heute dazu, dass die Spitzenlaststrompreise sinken.

Die andere Seite der Medaille – da würde ich einmal darüber nachdenken, ob der Wind nicht aus dieser Richtung weht – ist, dass sich, wenn die Solarenergie in dieser Art und Weise erfolgreich ist – und wir eine Regelung im EEG haben, die besagt, dass die Einspeisung der erneuerbaren Energien Vor rang hat –, Auswirkungen auf die Bestandskraftwerke einstel len, sprich die Jahresnutzungsstunden der Bestandskraftwer ke – da reden wir über Braunkohlekraftwerke und Steinkoh lekraftwerke – gehen Stück für Stück herunter. Das heißt na türlich: Diejenigen, die hier noch – ich sage es jetzt mit mei nen Worten – stark in der „alten Energiewelt“ engagiert sind, haben natürlich kein Interesse daran, dass die erneuerbaren Energien und darunter insbesondere die Solarenergie weiter in diesem Tempo ausgebaut werden, wie es in den vergange nen Jahren der Fall war.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Wenn man einmal ehrlich ist: Das ist der Hauptgrund für die Debatte, die wir in den vergangenen Wochen hatten.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Zu der Erfolgsgeschichte gehört dann auch – Kollege Stober hat es, glaube ich, erwähnt, aber auch Herr Renkonen hat es kurz angesprochen –, dass wir in Deutschland heute 120 000 hochwertige Arbeitsplätze im Bereich der Solarstrombranche haben. In Baden-Württemberg, Herr Kollege Renkonen, sind es übrigens nicht nur die 6 000 Arbeitsplätze, die wir im Be reich des Maschinen- und Anlagenbaus haben, sondern wenn man die ganzen Forschungseinrichtungen – Fraunhofer-Insti tut in Freiburg, ZSW, Institut für Photovoltaik in Stuttgart usw. – sowie die Zuliefererbranche hinzurechnet – Stichworte Wech selrichter aus Neckarsulm und anderes –, kommt man in Ba den-Württemberg insgesamt auf ein Potenzial von 15 000 hoch wertigsten Arbeitsplätzen, die heute an diesem Sektor hängen.

Vielleicht noch einen vierten Aspekt zu dieser Erfolgsstory – damit komme ich zur EEG-Novelle –: Der vierte Aspekt der Erfolgsstory hängt mit dem enormen Effizienzfortschritt zu sammen, den wir in den vergangenen Jahren in dieser Bran che erlebt haben, und mit den enormen, aus den Effizienzfort schritten hergeleiteten Kostenreduktionen.

Ich will Ihnen auch dazu ein paar Zahlen nennen. Im Jahr 2007 hatten wir noch eine Vergütungshöhe von 0,49 €, sprich 49 Cent pro Kilowattstunde, die gezahlt wurden. Im Jahr 2007 waren es also noch 49 Cent. Im Jahr 2008 waren es dann 45 Cent. Dann ging die Vergütung rasch nach unten. Mitte 2010 waren es noch 30 Cent pro Kilowattstunde, und zum Jah reswechsel 2011/2012 sank sie auf 24 Cent. Was bedeuten die se 24 Cent?

(Abg. Paul Nemeth CDU meldet sich.)

Keine Zwischenfragen. Ich beantworte sie anschließend. Okay?

Diese 24 Cent, Herr Kollege Nemeth, bedeuten: Bereits heu te haben wir Netzparität erreicht. Das heißt, die Stromgeste hungskosten bei kleinen Dachanlagen sind heute auf dem Ni veau, das Sie und ich zahlen, das jeder von uns hier und heu te über die Stromrechnung an seinen Stromlieferanten zahlt.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Genau! Das soll so weiter gehen!)

Das soll so weitergehen. – Ich komme aber gleich dazu, wie Sie das aus meiner Sicht gefährden.

Zunächst möchte ich noch eines ansprechen, das auch dazu gehört.

(Abg. Winfried Mack CDU: Schön in der Spur blei ben!)

Keine Bange! Da braucht ihr bei mir keine Sorgen zu ha ben.

(Abg. Winfried Mack CDU: Gut! Keine Pirouetten!)

Zur Erfolgsstory der erneuerbaren Energien gehört auch: Kei ne der Erneuerbare-Energien-Technologien eignet sich so wie die Solartechnologie, Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen und an der Energiewende zu beteiligen. Schauen Sie einmal: 80 % der über eine Million Anlagen, die heute in Deutschland installiert sind – ein Großteil davon sind, wie vorhin schon angesprochen worden ist, in Baden-Württemberg und Bayern installiert –, sind im Besitz von Privaten, im Besitz von Land wirten und im Besitz von Gewerbebetrieben. Nur 0,2 % sind im Besitz der vier großen Energieerzeuger. Auch darüber kann man einmal nachdenken.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Öffentliche Hand!)

Meine Damen und Herren von CDU und FDP/DVP, diese Er folgsstory wird mit dem, was Röttgen und Rösler hier vorge legt haben und was Ihre Fraktionen in Berlin übernommen ha ben, massiv unter Feuer genommen. Sie setzen das ohne Not – wohlgemerkt ohne Not – aufs Spiel. Dafür habe ich null, aber auch absolut null Verständnis.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Paul Ne meth CDU: Genau das Gleiche haben Sie 2008 auch schon gesagt! Genau das Gleiche!)

Diejenigen, die in Berlin – daran will ich auch einmal erin nern; keine zehn Monate ist es her – eine Energiewende auf den Weg gebracht haben, entpuppen sich heute als diejenigen,

(Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)

die den Erfolg dieser Energiewende gefährden, und zwar wie derum ohne Not.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Paul Ne meth CDU: Das ist unwahr! Absolut unwahr! – Zu ruf des Abg. Winfried Mack CDU)

Sie stürzen damit die deutsche Solarbranche und viele Unter nehmen und auch Forschungseinrichtungen

(Abg. Paul Nemeth CDU: Das haben Sie 2008 auch schon gesagt! Genau das Gleiche!)

hier in Baden-Württemberg in riesige Probleme. Kollege Sto ber hat Ihnen vorhin aus dem Schreiben der regionalen Ener gieagenturen zitiert;

(Abg. Winfried Mack CDU: Jetzt kommen Sie doch wieder zurück! – Abg. Paul Nemeth CDU: Er soll Kunden beraten, nicht Politik machen! – Gegenruf des Abg. Martin Rivoir SPD: Das ist die Einstellung! Schau an!)

die aus Böblingen ist übrigens auch dabei. Er hat Ihnen vor hin einmal zitiert, wie es gesehen wird.

Jetzt kommen wir einmal zu dem Punkt, den Kollege Kößler angesprochen hat, nämlich zu den Kosten.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Das ist unglaublich! – Zu ruf der Abg. Tanja Gönner CDU)

In der Vergangenheit hat die Solarstromerzeugung einen gro ßen Anteil der Vergütungen nach dem EEG in Anspruch ge nommen – Sie haben vorhin die Zahl genannt –, pro Jahr zwi schen 7 und 8 Milliarden €. Jetzt frage ich Sie einmal: Was ändert sich denn mit dem, was da jetzt beschlossen werden soll, in den nächsten Jahren an diesen 7 bis 8 Milliarden €? Überhaupt nichts.