Bei uns muss es dazu nicht kommen. Es ist Zeit, dass wir das Landesbeamtenrecht im Sinne des Gesetzentwurfs ändern. Im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst haben wir das erreicht, und auch im Abgeordnetengesetz für Baden-Württemberg fin den wir die Gleichstellung. Die Lücke im Landesbeamten recht sollten wir schließen.
Ich empfehle meiner Fraktion, dem Gesetz zuzustimmen. Wir wollen ja auch, dass die Verwaltung ein attraktiver Arbeitge ber ist.
(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der FDP/DVP und des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU – Abg. Dieter Hillebrand CDU: Für das Protokoll: „Beifall von der falschen Seite“!)
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Die grün-rote Landesregierung hat es sich unter dem Credo „Gleiche Pflichten – gleiche Rechte“ zur Aufgabe gemacht, dass die eingetragenen Lebenspartner schaften in vollem Umfang mit der Ehe gleichgestellt werden. Es soll dafür gesorgt werden, dass verpartnerte lesbische und schwule Beamte auch in dienstrechtlichen Fragen in vollem Umfang künftig gleichbehandelt werden wie heterosexuelle Paare. Die Fraktion GRÜNE begrüßt daher den Gesetzent wurf der Landesregierung; denn dadurch wird der diskrimi nierende Zustand, den die alte Landesregierung wissentlich herbeigeführt hat, endlich beendet.
Am 29. Oktober 2010 hat das Bundesverwaltungsgericht ent schieden, dass Beamtinnen und Beamte, die in einer gleich geschlechtlichen Lebenspartnerschaft leben, Anspruch auf Fa milienzuschlag und Beihilfe haben. Die damaligen Regie rungsfraktionen CDU und FDP/DVP haben sich geweigert, die notwendigen Korrekturen am Dienstrechtsreformgesetz durchzuführen, obwohl das zur gleichen Zeit verabschiedet worden ist.
Kollege Löffler, schade, dass Sie in Ihrer damaligen CDUFraktion nicht die Rede gehalten haben, die Sie heute gehal
ten haben. Sie haben gesagt, Sie brauchten kein Bundesver fassungsgerichtsurteil, weil eine diskriminierungsfreie Ver sorgung aller Angehörigen für Sie selbstverständlich sei. Im Jahr 2010 lag das Bundesverfassungsgerichtsurteil bereits vor, und trotz alledem hat die alte Landesregierung das nicht um gesetzt. Deshalb ist das Bundesverfassungsgerichtsurteil drin gend notwendig gewesen.
Gleiche Rechte und gleiche Pflichten für homosexuelle Paa re – das ist für uns ein faires Prinzip. Gott sei Dank ist BadenWürttemberg endlich auch ein Bundesland, in dem staatliche Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung der Ver gangenheit angehört.
Weil bisher eingetragene Lebenspartnerschaften im öffentli chen Dienstrecht nicht mit der Ehe gleichgestellt wurden, hat ten Homosexuelle weder Anspruch auf einen Familienzu schlag noch auf die Hinterbliebenenversorgung oder entspre chende Vergütung bei Reise, Umzug oder Trennung. Nach dem 2006 die Zuständigkeit für das Besoldungsrecht vom Bund auf die Länder übergegangen ist, können die Bundes länder dies in eigener Zuständigkeit verändern. Dies hätte schon im Rahmen der Dienstrechtsreform in der letzten Le gislaturperiode erfolgen können.
Die Gleichstellung der unterschiedlichen Partnerschaften ist angemessen für ein modernes, weltoffenes Baden-Württem berg. Dort, wo Menschen füreinander einstehen, wird dies nun auch im Besoldungsrecht entsprechend honoriert.
Die jährliche finanzielle Belastung für das Land ist verhält nismäßig gering. Wenn Sie sich einmal die Anzahl der Paare, die beim Landesamt für Besoldung und Versorgung gemeldet sind, anschauen, dann merken Sie, dass es sich um eine ge ringe Anzahl handelt. 2003 waren es genau 35 Paare, die ei ne eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen sind. Jetzt, im Jahr 2012, haben wir 292 Paare. Das sind selbstverständ lich nur die Paare, die gemeldet sind.
Vergleiche mit anderen Bundesländern, ob das NordrheinWestfalen oder Rheinland-Pfalz ist, lassen Schätzungen zu, dass es ca. 10 % sind, die sich im Nachhinein noch melden. Daran sehen Sie schon, dass das alles in einem überschauba ren Rahmen bleibt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht bei dieser Diskus sion nicht um eine Freiwilligenleistung oder um ein Luxus geschenk. Es geht darum, einen Rechtsanspruch umzusetzen, der sowohl den europarechtlichen Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs als auch den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts genügt.
Die Landesregierung hat nun einen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem die rückwirkende Bindung ab 1. September 2006 vor gesehen worden ist. Sie wissen, dass es im Vorfeld Diskussi onen darüber gab, ab welchem Zeitpunkt die Rückwirkung in Kraft treten soll. Nun haben wir uns darauf geeinigt, als Be zugspunkt die Neuregelung der Bund-Länder-Beziehungen
Ich hätte mich sehr darüber gefreut, wenn der Bezugspunkt 2003 gewesen wäre, liebe Kolleginnen und Kollegen – ana log der entsprechenden EU-Antidiskriminierungsrichtlinie, die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung ver bietet. Ich halte den jetzt gewählten Bezugspunkt für einen tragbaren Kompromiss, wohl wissend, dass noch einige Kla geverfahren zur Rückwirkung anhängig sind, wobei ich sehr gespannt bin, wie diese ausgehen.
Wir wollen eben nicht nur Symbolpolitik machen, sondern die rechtlichen Schritte umsetzen. „Vielfalt statt Einfalt“, finde ich, ist ein gutes Motto. Leider gibt es nach wie vor genügend einfältige Vorurteile gegenüber Lesben und Schwulen. Des halb freue ich mich, dass die Landesregierung heute diesen Gesetzentwurf eingebracht hat.
Herr Präsident, meine Da men und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieses Ge setz ist überfällig. Ich habe mich über den Beitrag des Kolle gen Dr. Löffler sehr gefreut. Denn es ist wahr: Es ist, wie ich immer sage, nicht hinnehmbar, dass man das Institut Ehe da durch aufwertet, dass man andere Formen des Zusammenle bens schlechter behandelt. Deshalb ist heute ein guter Tag.
Ich finde, die Einbeziehung von Lebenspartnerschaften in ehe bezogene Regelungen ist überfällig. Worum geht es? Es geht darum, dass Partnerschaften von zwei Menschen, die sich lie ben und füreinander einstehen und ihre Partnerschaft eintra gen lassen, genauso behandelt werden wie geschlossene Ehen im herkömmlichen Sinn. Genau das machen wir jetzt wahr. In unserem Koalitionsvertrag ist ausdrücklich geregelt – ich zitiere –:
Wir haben im Koalitionsvertrag angekündigt, dass wir BadenWürttemberg künftig ein neues, tolerantes Gesicht geben wer den und respektvoll und weltoffen handeln werden.
Wir haben auch angekündigt, dass wir die eingetragene Le benspartnerschaft mit der Ehe gleichstellen. Wir haben dies gemacht, indem die Begründung einer Lebenspartnerschaft zukünftig auf dem Standesamt stattfinden wird. Dank des Kol legen Schmiedel ist das auf Wunsch auch im Grünen, also im Freien, möglich.
Verpartnerte lesbische Beamtinnen und schwule Beamte werden künftig in Versorgung und Besoldung gleich be handelt wie heterosexuelle Paare.
Jetzt ging es aber um die Frage der Rückwirkung. Dieser Punkt ist schon angesprochen worden. Darüber gab es einige Diskussionen. Es geht immerhin um einen Ehegatten- oder Verheiratetenzuschlag von 120 € pro Beamten. Ich gebe zu, dass ich, was die Rückwirkung betrifft, angesichts der Höhe dieses Betrags zunächst einmal schon schlucken musste.
Ich habe mich einmal erkundigt, woher dieser Verheirateten zuschlag überhaupt kommt. Der Verheiratetenzuschlag kommt daher, dass man früher dachte: Der verheiratete Beamte soll te seine Ehefrau nicht arbeiten schicken müssen, um den Le bensstandard halten zu können. So hat man es mir erklärt. Das ist vor Urzeiten so entstanden. Heute ist es ein Gehaltsbe standteil, den alle natürlich in ihre Lebensplanung einbezie hen. Aber das war der ursprüngliche Gedanke.
Wenn man in den Gesetzentwurf schaut und die Kosten ad diert, sieht man: Da kommt doch ein erklecklicher Betrag zu stande, sowohl strukturell, nachhaltig, als auch durch die rück wirkende Zahlung. Aber wir sind bereit, diesen Betrag zu be zahlen. Nach den Angaben in der Gesetzesbegründung sind es für die Rückwirkung immerhin 5,4 Millionen €. Aber wir haben beschlossen, diesen Betrag zu zahlen, um die Gleich berechtigung und die gleiche Bewertung hinzubekommen, wohl wissend, dass das, was wir heute besprechen, wenn man „Schwule und Lesben“ in die Überschrift schreibt, nur einen ganz kleinen Personenkreis betrifft. Nicht betroffen sind Ver käuferinnen, Selbstständige, Kaufleute, Industriekaufleute, Angestellte. Keine dieser Personengruppen, seien sie schwul, lesbisch oder verpartnert, ist betroffen. Es geht ausschließlich um die Gruppe der Beamten. Wir sind trotz dieser Kosten be reit, die Gleichstellung rückwirkend zu bezahlen.
Jetzt war die Frage: zu welchem Zeitpunkt? Es ist angespro chen worden: Die Richtlinie gilt seit Dezember 2003. Das wä re der frühestmögliche Zeitpunkt, der Zeitpunkt, seit dem die europäische Gleichstellungsrichtlinie unmittelbar geltendes Recht ist.
Im Jahr 2009 hat das Bundesverfassungsgericht die Ungleich behandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften gegen über Ehen beanstandet. Man hätte auch diesen Punkt als An knüpfungspunkt nehmen und sagen können: Ab diesem Zeit punkt ist es uns bekannt geworden.
Das Bundesverwaltungsgericht hat dem auch zugestimmt. Ich selbst muss sagen: Die Anknüpfung an den 1. September 2006, also an den Zeitpunkt, seit dem das Land die Gesetzge bungskompetenz hat, um in die Rechtsverhältnisse von Be amten eingreifen zu können, ist bei allem Streit, meine ich, die logischste Anwendung der Rückwirkung. Alles, was dar über hinausginge, würde bedeuten: Wir müssten für Fehler einstehen, die andere verursacht haben. Wenn die Klagen dann noch offen sind, muss ich die Frage stellen, ob die nicht in Richtung Bundesgesetzgeber zu richten wären, weil nur der Bund zu diesem früheren Zeitpunkt, also vor der Föderalis musreform I, die Möglichkeit hatte, in diese Besoldungssys teme einzuwirken.
Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetz entwurf zur Einbeziehung von Lebenspartnerschaften in ehe bezogene Regelungen des öffentlichen Dienstrechts wird voll zogen, was spätestens seit der Entscheidung des Bundesver fassungsgerichts vom Juli 2009 oder allerspätestens seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom Oktober 2010 zwingend war.
Ich möchte die mühselige und im Ergebnis – das räume ich durchaus ein – wenig erfreuliche Geschichte unserer Versu che, die Konsequenzen aus der Rechtsprechung unseres obers ten Gerichts noch in die Dienstrechtsreform 2010 einzuarbei ten, hier nicht nachzeichnen. Ich möchte aber doch darauf hin weisen, dass es diese Versuche deutlich sichtbar auch in Form parlamentarischer Initiativen durchaus gegeben hat.
Wir haben gleich zu Beginn dieser Legislaturperiode deutlich gemacht, dass wir für eine rasche Gleichstellung zwischen verheirateten und in eingetragener Partnerschaft lebenden Be amtinnen und Beamten in Bezug auf den Familienzuschlag und andere familienbezogene Regelungen eintreten, dass wir aber auch alternative Wege sehen, dieses Ziel zu verwirkli chen. Es ist eben sehr wohl auch möglich, diese Gleichstel lung dadurch herzustellen, dass auf einen ehebezogenen Teil des Familienzuschlags selbstverständlich mit einer aus Grün den des Vertrauensschutzes notwendigen Übergangsregelung gänzlich verzichtet wird und die dadurch frei werdenden Mit tel zur Erhöhung des kinderbezogenen Teils des Familienzu schlags verwendet werden. Die SPD-Fraktion hat uns damals durchaus edle Absichten bescheinigt, nichtsdestotrotz hat die Regierungskoalition unseren Vorschlag abgelehnt.
Wir greifen ihn heute nicht wieder auf, weisen aber darauf hin, dass wir die damit vorgelegte Lösung unverändert für die bes sere, die modernere und die zukunftsfähigere halten. Wir wer den aber dem Gesetzesvorschlag der Landesregierung, den wir für den zweitbesten halten, unsere Zustimmung nicht ver weigern. Die Gleichstellung muss sein, auch wenn der Weg, den Grün-Rot einschlägt, aus unserer Sicht nicht der allerbes te ist.
Auch in der Anhörung der Verbände war die Frage strittig, in wieweit diese Regelungen rückwirkend in Kraft gesetzt wer den sollen. Aufgrund einer Entscheidung des Bundesverwal tungsgerichts vom Oktober 2010 war unstrittig, dass eine Rückwirkung zumindest auf den Termin der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 2009 zwingend ist. Der DGB wie auch der Lesben- und Schwulenverband in Deutsch land vertreten demgegenüber die Auffassung, dass eine Rück wirkung auf Dezember 2003, den Termin des Inkrafttretens der europäischen Gleichstellungsrichtlinie, umgesetzt werden müsse. Das Bundesverwaltungsgericht hatte sich dieser Rechts auffassung in der angesprochenen Entscheidung aber aus drücklich nicht angeschlossen.
Der Weg des Gesetzentwurfs knüpft, ohne dass dies von der Verfassung her geboten wäre, in der Frage der Rückwirkung an den Übergang der Gesetzgebungskompetenz vom Bund auf die Länder im Zuge der Föderalismusreform an und wählt als Stichtag den 1. September 2006, von dem an auf Antrag eine Gleichstellung von Personen in eingetragener Partnerschaft
in Bezug auf die jeweils geltenden Regelungen zum Famili enzuschlag, zur beamtenrechtlichen Versorgung, zur Beihil fe, zu den Reise- und Umzugskosten sowie zum Trennungs geld vorgenommen wird. Auch dies findet unsere Zustim mung.