ein kleines Bändchen gefunden, das „Die Streitigkeiten des Landgerichts Bad Tölz im Jahr 1850“ – oder so ähnlich – hieß. Da habe ich mir gedacht: Das musst du eigentlich mitnehmen. Dieses Buch habe ich dann gelesen.
Abgesehen davon, dass sich schnell herausgestellt hat, dass vor 100 oder 150 Jahren immer über das Gleiche gestritten wurde, war das eigentlich Beeindruckende an diesem Büch lein, dass sich in den beschriebenen Prozessen die Parteien zuerst einmal seitenlang – seitenlang! – gerechtfertigt haben, dass sie überhaupt das Gericht in Anspruch nehmen. Die ers ten drei Seiten galten immer der Begründung, warum es nicht ohne Gericht geht. Das hat mich damals tief beeindruckt.
Denn ich hatte zum Teil den Eindruck, dass bei uns die Leu te erst einmal vor das Gericht ziehen und dann schauen, ob sie Streit haben.
Lieber Herr Minister Stickelberger, es freut jeden, dass die Menschen so großes Vertrauen in unsere Gerichte haben, dass sie ihre Streitigkeiten unbedingt dort austragen wollen. Aber man muss das, was die Vorredner gesagt haben, doch ein biss chen relativieren. Wenn Sie an einem Amtsgericht vorbeige hen, dann müssen Sie sich darüber klar sein, dass die Hälfte der Kosten für die Prozesse, die gerade darin laufen, Sie, Sie und Sie, nämlich wir alle, bezahlen. Die Hälfte der Kosten be zahlt die Allgemeinheit.
Deswegen war die Frage eigentlich schon berechtigt, ob es den Menschen bei geringen Streitwerten und bei Nachbar schaftsstreitigkeiten nicht zumutbar ist, zunächst einmal den Versuch zu machen, sich zu einigen. Die Idee als solche – ich komme noch zur Durchführung – finde ich heute noch gut und richtig; das muss ich ehrlich sagen.
Dagegen gab es natürlich manche Einwände. Es gab den Ein wand des Ausweichens ins Mahnverfahren. Aber das ist egal. 80 % der Mahnverfahren enden ohne mündliche Verhandlung. Da hat man dasselbe erreicht. Das Ausweichen ins Mahnver fahren ist an sich nicht schlimm. Jedenfalls werden da letzten Endes auch keine Gerichte in Anspruch genommen.
Es hieß auch, gerade die Nachbarn würden sich bei Streitig keiten nie vorher einigen, sie wollten unbedingt ein Gerichts urteil. Interessanterweise hat die Auswertung ergeben, dass das Schlichtungsverfahren gerade bei Streitigkeiten im nach barschaftlichen Bereich recht erfolgreich war; dort wurden tatsächlich erfolgreiche Entwicklungen festgestellt.
Aber man muss halt sagen: Die Ablehnung durch die Gerich te war von Anfang an einhellig. Die Ablehnung durch die An waltschaft war nicht ganz einhellig. Beispielsweise hat der Präsident der Rechtsanwaltskammer Stuttgart gesagt, er las se sich als Erster auf die Schlichterliste setzen. Aber das Ge setz wurde halt von der Praxis überwiegend abgelehnt.
Dass das so war, ist im Grunde genommen nicht besonders ruhmvoll. Denn die Gerichte denken: „Wir machen alles am liebsten allein“, und die Anwälte sagen: „Wir gehen am liebs ten gleich zum Gericht.“
Das kann man so machen, aber natürlich mit dem vorhin be schriebenen Nachteil, dass wir sehr viele Verfahren bezu schussen bzw. bezahlen, bei denen man sich schon fragen kann, ob sie eigentlich stattfinden müssen.
Gegen die mangelnde Akzeptanz ist auf Dauer kein Kraut ge wachsen. Sie werden verstehen, dass wir uns nach der ganzen Vorgeschichte schwertun, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Aber wir werden uns in der zweiten Lesung voraussichtlich der Stimme enthalten. Denn vor der mangelnden Akzeptanz und vor den sinkenden Zahlen kann man natürlich nicht die Augen verschließen. Wenn am Schluss tatsächlich heraus kommt, dass das nur noch sinnlosen Aufwand bedeutet, dann ist es im Grund genommen unumgänglich, ein solches Auf hebungsgesetz vorzulegen; das sehen auch wir so.
Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf Drucksache 15/3024 zur weiteren Beratung an den Ständigen Ausschuss zu über weisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Damit ist es so be schlossen, und der Tagesordnungspunkt 4 ist erledigt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt. Ich bit te, die Gespräche einzustellen.
Die CDU-Fraktion hat eine Frage zum Thema „Schienenper sonennahverkehr in Baden-Württemberg“ eingereicht.
(Abg. Nicole Razavi CDU: Ich habe mich doch noch gar nicht gemeldet! – Gegenruf des Abg. Hans-Ul rich Sckerl GRÜNE: Vorauseilender Gehorsam!)
Herr Präsident! Das Thema „Schie nenpersonennahverkehr und die Zukunft des SPNV in BadenWürttemberg“ ist eng verbunden mit Stuttgart 21. Ohne einen zügigen Bau von Stuttgart 21 wird es sehr schwer werden, den SPNV in der Region Stuttgart zukunftweisend auszubauen – mit erheblichen Auswirkungen für das ganze Land.
Wir alle haben also das Interesse, dass Stuttgart 21 schnell vo rangetrieben wird. Daher haben wir uns gewundert, als wir gestern auf der Homepage des Ministeriums eine Pressemit teilung mit Datum 5. März 2013 mit der Überschrift „Die Al ternativen zu Stuttgart 21“ gefunden haben. Nach einem Vor spann mit dem Inhalt, dass man sich nach Prüfung von 60 Va rianten auf die Schnellbahnstrecke Stuttgart–Wendlingen– Ulm geeinigt habe, heißt es dort – ich darf zitieren –:
Derzeit werden noch zwei Varianten zu Stuttgart 21 dis kutiert: die sogenannte Kombilösung des ehemaligen Stuttgart-21-Schlichters Heiner Geißler und das Modell K 21, hinter dem sich u. a. der Erhalt des bisherigen Kopfbahnhofs verbirgt.
Danach wird die Kombilösung von Herrn Geißler beschrie ben, und dann wird K 21 beschrieben; beschrieben wird da neben auch die sechsgleisige Lösung durch das Filstal nach Vieregg-Rößler ebenso wie „K 21 de luxe“.
Es hat uns schon ein bisschen überrascht, dies gerade am gest rigen Tag so zu lesen. Wir haben daher vorhin noch einmal auf die Homepage geschaut und festgestellt: Diese Pressemit teilung ist verschwunden.
Herr Minister, wir fragen Sie: Wann wurde diese Pressemit teilung eingestellt? Warum ist sie seit heute wieder weg? Wer hat veranlasst, dass diese Pressemitteilung von der Homepage genommen wurde?
Für die Landesregie rung erteile ich Herrn Verkehrsminister Hermann das Wort zur Beantwortung der Frage.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr verehrte Frau Ra zavi, selbstverständlich macht der Minister nicht selbst jegli che Pressearbeit seines Ministeriums. Dazu gibt es eine eige ne Stelle für Öffentlichkeitsarbeit, von der u. a. auch eine Fa cebook-Seite für die Kommunikation eingerichtet wurde, de ren Inhalte nicht auf meinen Originalzitaten basieren. Die Stelle für Öffentlichkeitsarbeit ist angewiesen, selbstständig zu arbeiten. Die Mitarbeiter kennen die Linie des Hauses und die Linie des Ministers.
Sie haben gedacht, dies könnte am gestrigen Tag, als in allen Zeitungen verschiedene Debatten und Diskussionen darge stellt wurden, interessant sein. Übrigens: Das, was Sie zitiert haben, ist keine Pressemitteilung meines Hauses gewesen, sondern eine dpa-Meldung zu den Hintergründen der Debat te, und in diesem Zusammenhang sind dann auch die Model le dargestellt worden.
Da Sie nicht die Einzige waren, die sich darüber mokiert hat, und ich von dieser Pressemeldung erst erfahren habe, als ich von verschiedenen Seiten gefragt wurde, was dies bedeuten solle, habe ich dies sofort abgestellt. Es ist von der Homepage genommen worden, weil es irreführend war und weil ich von meiner Seite aus nicht den Eindruck erwecken wollte, ich wollte irgendwelche Ausstiegsdebatten oder Modelldebatten befeuern. Die Mitarbeiter haben vielmehr gedacht, es sei von Interesse, wenn auf diese dpa-Meldung verwiesen werde. Ich habe das abgestellt, und zwar sofort, nachdem ich das gehört habe.
Herr Minister, die CDU hat das Thema Schienenpersonennahverkehr benannt. Deswegen will ich Sie zu diesem Thema auch etwas fragen.
Die alte Regierung hatte Erklärungen zum Schienenpersonen nahverkehr unterschrieben, beispielsweise die Freiburger Er klärung, die einen immensen Zuwachs beim Schienenperso nennahverkehr vorsieht. Ist das alles durchfinanziert gewe sen?
Ich nenne auch das Thema „Angebotskonzeption 2020“. Wur den dafür Verpflichtungsermächtigungen, Rückstellungen oder Ähnliches vorgesehen, sodass das durchfinanziert ist?