Protokoll der Sitzung vom 06.03.2013

Die Abschaffung des Schlichtungsgesetzes – darauf möchte ich ausdrücklich hinweisen, um nicht falsch verstanden zu werden –

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

darf nicht als generelle Absage an Möglichkeiten der alterna tiven außergerichtlichen Streitbeilegung missverstanden wer den. Diese Möglichkeiten, die es in vielfältiger Weise gibt, bleiben vielmehr erhalten und werden von mir weiterhin aus drücklich begrüßt. Ich bin davon überzeugt, dass konsensua le Lösungen zur Beilegung von Streitigkeiten aller Art zu för dern sind.

Erst kürzlich – ich darf das als Beispiel anführen – haben wir im „Bundeskongress Elternkonsens“ in Stuttgart, den wir mit veranstaltet und organisiert haben, deutlich gemacht, dass im Interesse der betroffenen Kinder in den Verfahren vor den Fa miliengerichten – bei geschiedenen Eltern oder in Scheidungs verfahren – einvernehmliche Lösungen zu fördern sind.

Mit der Aufhebung des Schlichtungsgesetzes verzichten wir darauf, dass Prozessparteien zwingend vorgeschrieben wird, in bestimmten Fällen zunächst ein Schlichtungsverfahren durchzuführen. Andere Möglichkeiten einer außergerichtli chen Einigung verlieren dadurch nicht an Attraktivität, son dern gewinnen im Gegenteil sogar. So kann etwa jederzeit ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung an erkannten oder vor einer sonstigen Gütestelle durchgeführt werden.

Unabhängig davon – das will ich Ihnen nicht verschweigen – kann sich Baden-Württemberg innerhalb der Gerichtsverfah ren einer ausführlichen Güteverhandlungspraxis rühmen. Wir haben eine ausgeprägte Vergleichskultur in Baden-Württem berg. Das hängt mit dem guten Klima zwischen den Prozess beteiligten vor den Gerichten zusammen. Wir schneiden hier im Ländervergleich gut ab. Wir haben die höchste Vergleichs quote. Das zeigt, dass die gerichtlichen Verfahren bei uns durchweg darauf angelegt sind, dass sich die Parteien einigen und nicht im Streit auseinandergehen, sodass es keiner ge richtlichen Entscheidung bedarf.

Ich sehe in der Aufhebung des Schlichtungsgesetzes, des zwangsweise vorgeschalteten Schlichtungsverfahrens, auch einen Beitrag zur Entbürokratisierung im Interesse der Recht suchenden und im Interesse der Justiz, die dadurch entlastet wird.

Ich würde mich freuen, wenn Sie sich gegenüber unserem Ge setzentwurf aufgeschlossen zeigen könnten, und freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. Dort haben wir aufgrund einer parlamentarischen Anfrage schon zum Zahlenwerk im Hinblick auf das Schlichtungsverfahren Stellung genommen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die CDU-Fraktion spricht Kol lege Hitzler.

Sehr geehrter Herr Präsident, mei ne Damen und Herren! Wenn man ein Gesetz macht, hat man gewisse Hoffnungen. So war es auch beim Schlichtungsge

setz. Mit einem Vorschaltverfahren wollte man versuchen, zu erreichen, dass es bei den Amtsgerichten weniger Prozesse gibt. Das hat einen gewissen Charme. Man hat auch daran ge dacht, die Justiz zu entlasten und Bürokratie abzubauen. Zum damaligen Zeitpunkt war der Gedanke richtig.

Herr Minister, Sie haben die Entwicklung deutlich dargelegt. Die Ziele wurden bei Weitem nicht erreicht. Wenn man sieht, dass die Zahl der Schlichtungsverfahren deutlich zurückge gangen ist und die Erfolgsquote nur noch bei durchschnittlich 18 % liegt, dann ist dies ein ganz kümmerliches Ergebnis.

Im Laufe der Jahre wurde insbesondere von Rechtsanwälten wiederholt zu uns Parlamentariern gesagt: „Hebt das Gesetz auf, es bringt nicht mehr viel.“ Ich denke, jetzt ist der richti ge Zeitpunkt, um dies zu tun. Hierzu liegen sehr deutliche An hörungsergebnisse vor. Es kommt selten einmal vor, dass sich bei einer Anhörung alle so einig sind.

Bei dieser Einigkeit will sich auch die CDU-Fraktion einrei hen. Wir werden dem Gesetzentwurf zur Aufhebung des Schlichtungsgesetzes zustimmen. Dann kann man sagen: Jetzt ist endgültig ausgeschlichtet.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Dann wird gleich wieder gestritten!)

Das heißt aber nicht, dass man nicht durch förmliche Verfah ren noch etwas tun kann. Ich denke, wir können das Gesetz hier im Konsens aufheben.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Herr Kollege Halder.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zum Wesen einer guten Regie rungs- und Gesetzgebungsarbeit gehört es, Entscheidungen und Gesetze regelmäßig auf ihre Wirkung hin zu überprüfen. Dies gilt insbesondere für Grün-Rot, da wir uns einer guten Regierungsarbeit verpflichtet fühlen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Reine The orie!)

Folgerichtig haben wir das Schlichtungsgesetz auf den poli tischen Prüfstand gestellt und dürfen Ihnen, sehr geehrter Herr Justizminister, für die umfassenden Vorarbeiten Ihres Hauses danken. Im Ergebnis teilen wir die Einschätzung des Justiz ministeriums. Die Möglichkeit, eine Schlichtung obligatorisch vorzuschreiben, hat sich nicht bewährt. Im Gegenteil, diese Vorschrift führte zu einem großen Anteil von Verfahren, bei denen eine Einigung von vornherein auszuschließen war.

Daher ist es richtig und wichtig, darüber nachzudenken, wie es mit dem Schlichtungsgesetz weitergeht. Auch hier teilen wir die Einschätzung des Ministeriums, dass eine komplette Aufhebung des Gesetzes den Wünschen der Praxis besser ent gegenkommt als eine Teilrevision, nicht zuletzt weil dadurch ein Beitrag zum Bürokratieabbau geleistet wird.

(Unruhe)

Die anderen Bundesländer machen es uns vor.

Schließlich ging die Zahl der Schlichtungsverfahren in den letzten zehn Jahren um fast ein Drittel zurück. Relativ kons tant blieb der Anteil der Einigungen. Aber knapp 20 % Schlichtungen sind eben nicht die Welt.

Außen vor bleibt natürlich die Frage, ob Bagatellstreitigkei ten, auf die das Gesetz eigentlich zielte, überhaupt gerichtlich zu klären sind. Wir Grünen setzen auch hier auf ein Mehr an Bürgerinnen- und Bürgergesellschaft. Eine aktive und intak te Nachbarschaft hilft ungemein, Streit gar nicht erst entste hen zu lassen oder ihn zu schlichten, ohne die Justiz bemühen zu müssen. Die Justiz leistet zwar eine sehr gute Arbeit; den noch können die eingesparten Ressourcen einer weiteren Ver besserung der Justiz zugutekommen.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Gerade als aktiver Jugendschöffe weiß ich, wie häufig es auch aus nichtigen Gründen Auseinandersetzungen gibt. Eine ak tive Gemeinschaft, die alle ungeachtet ihrer Herkunft und ih res Einkommens einschließt, kann hier sehr viel bewirken.

Die Fraktion GRÜNE stimmt dem Entwurf natürlich zu.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die SPD-Fraktion spricht Kolle ge Binder.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon fast ein wenig historisch, dass wir am heutigen Tag ein Gesetz aufheben und nicht durch ein an deres ersetzen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Abwarten! Am Nach mittag bekommen wir ein neues!)

Kollege Zimmermann kündigt an, die CDU wolle ein neu es einführen. Da sind wir einmal gespannt.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Nein, Sie!)

Es ist also fast historisch. Das Gesetz war – Kollege Hitzler hat es angesprochen – gut gemeint, Herr Kollege Goll. Aber gut gemeint ist nicht immer gut gemacht und gelingt auch nicht immer in der Praxis.

Das hat dieses Gesetz gezeigt, und das zeigen auch die Zah len. Vor allem dann, wenn Streitverfahren auf Forderungen beruhen, wenn es darum geht, ob Schuldner zahlen wollen oder nicht zahlen wollen bzw. nicht zahlen können, hilft eine Schlichtung relativ wenig. Auch im Allgemeinen glaube ich, dass eben nicht weniger Bürokratie entstanden ist, sondern dass die Amtsgerichte mit zusätzlicher Arbeit belastet worden sind.

Vor allem, wenn sich an außergerichtliche Schlichtungsver fahren noch gerichtliche Verfahren anschließen, zieht sich die Gesamtdauer doch in die Länge. Da wir in Baden-Württem berg bekannt dafür sind, dass wir an den Gerichten sehr kur ze Verfahren haben, glaube ich, dass das Schlichtungsgesetz auch in dieser Hinsicht nicht zielführend war.

Es wurde davon gesprochen, dass gerade auch der Anwalts verband und die Anwälte in Baden-Württemberg von der Möglichkeit der außergerichtlichen Schlichtung sehr wenig Gebrauch gemacht haben und sich davon auch wenig Erfolg versprochen haben. Die Zahlen, die Herr Minister Stickelber ger vorgetragen hat, stimmen auch mit meinen Beobachtun gen aus der Praxis überein. Nicht immer ist eine Schlichtung das, was tatsächlich hilfreich ist.

Die Landesregierung sagt ja auch: Wir wollen nicht mehr ge richtliche Verfahren. Bei uns gibt es viele außergerichtliche Einigungen. Auch bei den Gerichten selbst gibt es Einigungs verfahren und werden Vergleiche geschlossen. Ich glaube, das sollte auch weiterhin der Fall sein.

In diesem Sinn bedanke ich mich recht herzlich für die Vor lage des Gesetzentwurfs. Die SPD-Landtagsfraktion hatte be reits in der vorherigen Legislaturperiode durch ihren damali gen rechtspolitischen Sprecher Stickelberger gefordert, das Schlichtungsgesetz aufzuheben. Das wurde damals auch mit einer Anfrage untermauert. Wir haben auch jetzt noch einmal im Rahmen einer Anfrage deutlich gemacht, dass wir das Schlichtungsgesetz nicht für zielführend halten. Wir bedan ken uns für den sehr ausführlich begründeten Gesetzentwurf zur Aufhebung des Schlichtungsgesetzes und werden diesem Gesetzentwurf gern zustimmen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht Kollege Professor Dr. Goll.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Vor einer ganzen Reihe von Jahren – ich weiß nicht mehr genau, wann es war – war ich im Urlaub in Bayern. Normalerweise nehme ich in den Urlaub keine ju ristische Literatur mit, damit es ein richtiger Urlaub wird.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Nur das Motor rad! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Kein Platz auf dem Motorrad? – Abg. Sascha Binder SPD: Aber in Bayern kann man das schon machen!)

Dann habe ich kurioserweise in der Bibliothek eines Bauern hausmuseums