Protokoll der Sitzung vom 09.10.2013

Frau Ministerin, Sie haben re lativ umfangreich über die Regelung mit den acht oder elf Per sonen geredet. Viele Gemeinden bauen derzeit solche Einrich tungen auf. Sie haben auch sehr viel vom Bestandsschutz ge redet. Die Frage ist konkret: Was sagen wir, was sagen Sie diesen Einrichtungen, die ihre Vorhaben aufgrund der Finan zierungslage fertigstellen müssen, welches Risiko sie haben?

Bitte schön.

Ganz konkret: Die Wohn gemeinschaften, die es bislang im Land gibt, die als Modelle entstanden sind unter Umgehung des seitherigen Heimrechts, werden auf jeden Fall Bestandsschutz erhalten. Das ist die konkrete Zusage, die wir machen.

Ich denke, für alle anderen, die jetzt im Aufbau sind, wird sich eine Regelung finden, sowohl hinsichtlich der Selbstorgani sation als auch hinsichtlich der Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner. Ich habe vorhin bei einer anderen Frage gesagt, dass wir diesen Punkt noch einmal sehr gründlich prüfen müs sen.

Allerdings muss ich dazusagen: Ich höre die Frage nach der Wirtschaftlichkeit und der Zahl der Bewohnerinnen und Be wohner immer wieder. Ich habe nach Zahlen gefragt und bin für jeden dankbar, der mir eine Kalkulation zuschickt, die be weist, dass es mit elf Personen geht, aber mit acht nicht. Bis heute ist so etwas in meinem Haus nicht eingegangen.

(Abg. Dr. Patrick Rapp CDU: Das ist falsch!)

Das ist nicht falsch.

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Frau Abg. Mielich das Wort.

Meine Frage schließt ein biss chen an die Frage des Kollegen Rapp an. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir mit diesem Gesetz das Ziel verfolgen, die Vielfältigkeit der Wohnformen zu unterstützen.

Das bedeutet – das ist vor allem für den ländlichen Raum wichtig –, dass wir den Gemeinden und den Bürgerinitiativen, den von Bürgern getragenen Gemeinschaften, die Möglich keit geben, auch in ländlichen Regionen solche Wohngruppen einzurichten.

Meine Frage ist, ob das Ministerium die Einschätzung teilt, dass es wichtig ist, genau diese Initiativen zu unterstützen. Denn klar ist, dass gerade Wohngruppen für Menschen mit Demenz eine besondere Unterstützung brauchen, und zwar mit dem Ziel, dass solche Wohnformen weiterentwickelt wer den.

Bitte, Frau Ministerin.

Ich teile die Auffassung, dass es gerade im ländlichen Raum, wo Wohngemeinschaften eine echte Alternative sein können, notwendig ist, diese ent sprechend zu unterstützen. Deswegen sprechen wir abwei chend von den ursprünglichen Überlegungen auch nicht mehr von trägerorientierten Wohngemeinschaften, sondern von an bieterorganisierten Wohngemeinschaften. Ein Anbieter kann durchaus auch eine Gemeinde sein, ebenso wie ein bürger schaftlich engagierter Verein. Denn es ist in unserem Sinn, ge nau so etwas voranzubringen.

Herzlichen Dank, Frau Ministerin. Die für das erste Thema vorgesehenen 30 Minu ten sind abgelaufen.

Wir kommen nun zum zweiten Thema, das von der CDUFraktion beantragt wurde, nämlich zum Thema

L B B W / P A T R I Z I A

Für die Fragestellung erteile ich Herrn Abg. Dr. Löffler das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Die Europäische Kommission hat auf eine Parlamentarische Anfrage zur Umstrukturierung der LBBW folgende Antwort gegeben – ich zitiere –:

Die Kommission hat in Bezug auf den Verkauf der LBBWWohnungen keine Bedingungen gestellt, da die Zusagen von Deutschland übermittelt wurden. Der Preis war nicht

das einzige Kriterium. Den Zusagen zufolge sollten die LBBW-Wohnungen auf „bestmögliche Art“ verkauft wer den. Deshalb konnten neben dem Preis auch andere Kri terien berücksichtigt werden. Wenn die Angebote aus wirtschaftlicher und juristischer Sicht weitgehend iden tisch sind, wäre der Preis jedoch das ausschlaggebende Kriterium. Das Verkaufsverfahren lag in der Verantwortung der LBBW und Deutschlands. Die Kommission wurde über die Gesamtentwicklung des Verkaufsprozesses infor miert, hatte jedoch keine Bedingungen gestellt. Da die Zusagen aus Deutschland stammten, war die Kommissi on nicht befugt, Möglichkeiten auszuschließen; dies gilt auch für Vorgaben zum Schutz der Mieter.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben im Spätherbst 2009 einen Zweiten Nachtragshaushalt aufgestellt. Wir haben 12,2 Milliarden € Garantiesumme als Rettungsschirm für die LBBW zur Verfügung gestellt. Daraufhin hat die Europäische Kommission ein Beihilfeverfahren angestrengt. Partner die ses Beihilfeverfahrens sind die Bundesrepublik Deutschland – Außenminister war damals Herr Steinmeier – und die Euro päische Kommission. Diese haben über die Beihilfe verhan delt. Die LBBW hat einen Restrukturierungsvorschlag abge geben, und dieser Restrukturierungsvorschlag fand sich hin terher im Beschluss der Europäischen Kommission in Sachen Beihilfe.

Das Ob und das Wie, mit dem ein solcher Beschluss ange nommen wird, muss Sache dieses Hauses sein. Wenn wir die Geschäftsgrundlage für den Haushalt im Rahmen eines Bei hilfeverfahrens verändert zurückbekommen, kann es nicht Sa che der Europäischen Kommission, nicht Sache des Herrn Steinmeier und auch nicht operatives Geschäft der LBBW sein, einen Beihilfebeschluss umzusetzen, der auch Fragen des Sozialstaatsprinzips tangiert. Es geht hier nicht um orga nisatorische Fragen der LBBW, sondern es geht darum, ob 21 500 Wohnungen – Arbeiterwohnungen – verkauft werden und unter welchen Bedingungen sie verkauft werden.

Ich kann mir gut vorstellen, dass dieses Haus zu anderen Er gebnissen gekommen wäre. Die SPD hätte hier möglicherwei se Mietpreisbremsen verlangt; die CDU hätte auf ein Genos senschaftsmodell gedrängt, oder man hätte einen Sozialplan formuliert, der auch ein wirklicher Sozialplan ist und kein Pla cebo-Sozialplan.

Der Minister muss sich hierbei nicht nur vorwerfen lassen, dass er mit seiner Unterstellung bezüglich der Kommission das Ansehen dieses Landes beschädigt hat, dass er 60 000 Menschen ins Unglück stürzt, sondern er muss sich auch den Vorwurf gefallen lassen, dass er dieses Parlament umgangen hat. Dieses Parlament hätte über die Frage des Verkaufs der Wohnungen und über dessen Bedingungen, über das Ob und Wie der Restrukturierung, verhandeln müssen.

(Abg. Johannes Stober SPD: Wer war damals an der Regierung?)

Ich stelle deshalb zwei Fragen:

Erstens: Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass die Antwort des EU-Kommissars Almunia den Aussagen des stellvertretenden Ministerpräsidenten vom 5. August 2013 im SWR-Fernsehen widerspricht, die Auflagen der EU-Kommis sion hätten einen besseren Mieterschutz unmöglich gemacht?

Zweitens: Auf welcher sachlichen Grundlage und auf Grund lage welcher fachlicher Vorbereitungen wurde diese Aussage durch den Minister für Finanzen und Wirtschaft, Herrn Dr. Schmid, getroffen?

Für die Landesregierung darf ich Herrn Minister Dr. Schmid ans Rednerpult bitten.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Dr. Löffler erhebt schwere Vorwürfe, die durch nichts zu be legen sind. Deshalb nutze ich zum wiederholten Mal die Ge legenheit zu einer Klarstellung. Ich halte allerdings die Art und Weise des Umgangs, den die CDU als größte Oppositi onspartei hier im Landtag von Baden-Württemberg mit die sem gerade aus Sicht der Mieter durchaus sensiblen Thema pflegt, für ziemlich beschämend.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Unfassbar! – Abg. Peter Hauk CDU: Sie könnten sich schämen!)

Tatsache ist: Ihre Regierung Oettinger hat mit der EU-Kom mission, mit Frau Kroes, einen Beihilfebeschluss verhandelt,

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Das war Steinmei er!)

in dessen Rahmen u. a. der Verkauf der LBBW-Immobilien geregelt worden ist. Diese Auflage ist Teil der Beihilfegeneh migung. Die konkreten Gespräche für die Umsetzung haben die Träger geführt, nämlich Herr Oettinger und andere Vertre ter der Träger. Das ist die Wahrheit.

Formal ist ein Beihilfeverfahren immer ein Verfahren zwi schen der EU und der deutschen Bundesregierung; federfüh rend ist dabei das Bundeswirtschaftsministerium und nicht das Auswärtige Amt.

(Zuruf des Abg. Willi Stächele CDU)

In dieser Beihilfegenehmigung ist durch viele Auflagen fest gehalten worden, was die LBBW zu tun hat, damit die Beihil fe gewährt wird. Darunter fällt der Verkauf der LBBW-Immo bilien zum bestmöglichen Preis.

Das ist das Ergebnis, das Sie, die damalige CDU-FDP/DVPgeführte Landesregierung, in Brüssel verhandelt haben. Das heißt, es sind Ihre Auflagen, die die jetzige Landesregierung, sofern sie hiermit im Aufsichtsrat der LBBW befasst ist, er füllen muss. Sie laufen also gerade gegen Ihre eigenen Be schlüsse und gegen Ihr eigenes Handeln an.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Es ist bezeichnend, dass ein Mitglied Ihrer Fraktion, nämlich Herr Schneider, der Ihnen sehr detailliert – noch detaillierter als ich – zu diesen Punkten Auskunft geben könnte, in der heu tigen Sitzung nicht anwesend ist. Ich kann mir auch nicht vor stellen, dass er die Frage so gestellt hätte, wie Sie es getan ha ben.

Was heißt „Verkauf zum bestmöglichen Preis“? Um dies zu beantworten, reicht es nicht, eine Presseauskunft oder eine all gemeine Auskunft bei Wettbewerbskommissar Almunia ein zuholen. Denn die allgemeine Aussage ist in ihrer generellen

Wirkung völlig richtig. „Verkauf zum bestmöglichen Preis“ heißt nicht zwingend: zum Höchstgebot. Aber genau diese Frage wurde ausgiebig erörtert, als die Entscheidung über die Vergabe der LBBW-Immobilien anstand.

Entscheidend ist also nicht, was Sie an allgemeinen Auskünf ten bekommen haben, sehr geehrter Herr Löffler, sondern ent scheidend ist, was der Case-Handler, also der zuständige Be amte der Generaldirektion Wettbewerb, dazu mitgeteilt hat, wie dieses Verkaufsangebot auszulegen ist. Das ist Herr Lie nemeyer – Herrn Schneider übrigens ebenfalls wohlbekannt. Er hat im Zusammenhang mit der Vergabe der LBBW-Immo bilien – auch aufgrund von seinerzeit zirkulierenden Presse meldungen – Folgendes dargestellt – ich zitiere –:

Nur noch einmal zur Klarstellung: Der Verkauf der LBBW-Immobilien-GmbH soll zum Marktpreis erfolgen, der grundsätzlich aufgrund des Vergaberechts bestimmt wird. Hierbei soll im Prinzip das beste Angebot zum Zuge kommen, was nicht notwendigerweise identisch mit dem Höchstgebot ist. Allerdings soll sichergestellt werden, dass die Auswahl so erfolgt, dass die LBBW den größt möglichen wirtschaftlichen Vorteil erhält. Andere Krite rien ohne wirtschaftliche Relevanz für die Bank sollen in der Vergabe keine Rolle spielen. Mithin ist der Preis na türlich dann ausschlaggebend, wenn das Angebot bis auf den Preis in den relevanten wirtschaftlichen Punkten identisch ist.

Damit ist klar: In der konkreten Entscheidungssituation war die LBBW gehalten, den Zuschlag demjenigen zu geben, der ihn auch bekommen hat. Die Fragen des Mieterschutzes durf ten dabei keine Rolle spielen; das ist die klare Aussage. Ich habe Ihnen dies immer wieder erläutert, z. B. in parlamenta rischen Anfragen; jetzt habe ich Ihnen das Zitat der Kommis sion vorgelesen.

Deshalb bitte ich Sie: Hören Sie auf mit Geschichtsklitterung. Hören Sie auf, die Leute an diesem Punkt weiter zu verunsi chern. Es gab keine andere Möglichkeit, als so zu entschei den.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Es liegt eine Wortmel dung von Herrn Abg. Hauk vor.

(Abg. Johannes Stober SPD meldet sich. – Zuruf von der SPD: Hallo!)

Herr Finanzminister, Sie ziehen sich jetzt rein auf die wirtschaftlichen Daten zurück. Spielen für Sie – das ist die erste Frage – die Menschen eigentlich keine Rolle,

(Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Wolfgang Drexler: Hat er gerade vorgelesen!)