Protokoll der Sitzung vom 11.12.2013

Herr Minister, Sie haben recht: Wir brauchen eine inklusive Grundverfassung. Aber durch halblebiges Nichtstun

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

wird die Akzeptanz der Inklusion, die wir laut Umfrage des VBE ja in großem Ausmaß vorfinden, geschwächt und auch aufs Spiel gesetzt.

Sie haben Zahlen zum Thema Inklusion genannt. Das ist gut so. Inklusion hat es in Baden-Württemberg auch schon vor der UN-Konvention gegeben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Dazu, was jetzt an inklusiver Beschulung stattfindet, haben Sie in zweieinhalb Jahren nichts Förderliches beigetragen.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Das ist doch Non sens!)

Sie und die Herren Poreski und Käppeler erschöpfen sich im Kritisieren der Modellregionen, sagen, man habe keine zu sätzlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt, sprechen den Klassenteiler an und, und, und. Es gab die ganz klare Verein barung, dass man bei diesen Modellregionen Erfahrungen über Strukturen sammelt, dass aber die Klärung der Kosten frage mit den kommunalen Landesverbänden ganz am Schluss der Modellphase steht und dann auch gelöst werden muss. Das, Herr Minister, ist jetzt Ihre Aufgabe.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wenn Sie an den Modellregionen herummäkeln – Stichwor te „Keine zusätzlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt“, Klassenteiler –,

(Zuruf von der SPD)

sage ich: Das hätten Sie in zweieinhalb Jahren eigentlich schon ändern können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Mir macht ein bisschen Sorge, ob Sie auch wirklich etwas än dern wollen; denn in der Stellungnahme zu meinem Antrag „Kosten der Inklusion an Schulen“ schreiben Sie, das Minis terium plane

auf der Basis der Haushaltsvorgaben mit dem dort aus gewiesenen Stellenrahmen und nicht mit Strukturvorga ben.

Also: Wollen Sie etwas ändern oder nicht?

Jetzt noch ein paar Worte zur Geschichtsstunde, die wir hier immer erleben. Herr Poreski, dass die Grünen hier herumei ern, ist mir klar, denn Ihr Schock bei der Realitätswahrneh mung ist angesichts der Ansprüche, die Sie gehabt haben, auch am größten. Sie müssen den Schock der Realitätswahrneh mung erst verdauen. Aber Sie sind jetzt zweieinhalb Jahre lang an der Regierung,

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das reicht!)

und Sie betreiben immer noch Geschichtsunterricht. Wollen Sie im Jahr 2016, wenn Sie wiedergewählt werden wollen, Ih re Bilanz so gestalten, dass Sie sagen: „Wir haben fünf Jahre über die Vorgängerregierung genölt, und ansonsten haben wir nichts zuwege gebracht“?

(Beifall bei der CDU)

Das kann uns recht sein, aber für die Bürger und Bürgerinnen in diesem Land ist das keine gute Lösung.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Kol lege Poreski.

Frau Kollegin Dr. Stolz, ich finde es rührend, dass Sie sich Sorgen um unsere Bilanz ma chen. Ich glaube, eine gute Bilanz werden wir schon selbst hinbekommen.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD)

Der Minister hat, glaube ich, sehr deutlich gemacht, wie der Fahrplan aussieht. Da müssen wir uns, denke ich, die kleins ten Sorgen machen.

Was ein bisschen schwierig ist, ist Ihre Doublebind-Strategie, die der Kollege Kern und Sie jetzt hier vorführen, indem Sie sagen, das Thema eigne sich nicht für parteipolitische Profi lierung, um dann gleich darauf im nächsten Satz die parteipo litische Profilierung vorzunehmen nach dem Motto „Wir sind die Guten, und ihr seid die Bösen“. Das führt uns wirklich nicht weiter.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Was haben Sie denn vorhin gemacht?)

An dieser Stelle sollten Sie, glaube ich, wirklich ein Stück weit abrüsten.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Rüsten Sie mal ab!)

Ich glaube, die Beiträge, die wir in Bezug auf die Zukunft vor zuweisen haben, geben Anlass zur Hoffnung. Es geht aber auch nicht ganz, ohne dass man die Vergangenheit einigerma ßen vernünftig aufbereitet.

Dieses Hochjubeln der Modellregion ist wirklich Geschichts klitterung. Wir haben gemeinsam festgestellt, dass, wenn die Voraussetzungen nicht stimmen, natürlich auch die Ergebnis se nichts taugen. Ohne vernünftige Prämissen bekommen Sie auch keine vernünftigen Schlussfolgerungen. Dass wir daran ein Stück weit nagen, muss man uns, glaube ich, verzeihen.

Auf der anderen Seite finde ich schon, dass wir viele Beispie le für gelungene Inklusion haben. Das liegt dann wirklich am bürgerschaftlichen Engagement, am Engagement der Wissen schaft. Wir freuen uns, dass es da weiterhin einen großen Elan gibt. Ich freue mich auch über alle positiven Ausstrahlungen, die gelungene Beispiele haben. Ich habe ja vorhin gesagt: In meinem Schulamtsbezirk ist es so. Dort ist die Inklusionsra te innerhalb von sechs Jahren von 8 % auf über 50 %, also das Doppelte der Werte in den Modellregionen, gestiegen. Daran

sieht man, dass es offensichtlich nicht an den Modellregionen lag, wenn etwas gelungen ist. Allein deswegen sollten wir da rüber nachdenken, ob das wirklich eine superschlaue Idee war.

Wir werden es jetzt wirklich konsequent anpacken – der Mi nister hat es gesagt –, dass wir das Schulsystem darauf vorbe reiten, dass es sich inklusiv weiterentwickelt, indem man aus Einzelbeispielen lernt. Das heißt, wir müssen Organisations entwicklung betreiben, und wir müssen den Regelschulen et was anbieten, damit sie sich inklusiv aufstellen können. Wir müssen natürlich auch den Sonderschulen entsprechende An gebote machen.

Um ein Beispiel zu nennen: Wer als Sonderpädagogin oder Sonderpädagoge in einem Regelschulsystem arbeitet, hat zwar die gleiche Kompetenz wie vorher, muss aber natürlich an ders arbeiten. Eine Sprachheillehrerin hat mir das ganz gut ge schildert, indem sie gesagt hat: „Ich werde den Teufel tun, in der Regelschule genau das Gleiche zu tun, was ich mit diesen Kindern in der Sonderschule getan habe. Ich muss vielmehr vor allem darauf achten, dass ich kommunikative Situationen so gestalte, dass die Kinder, die entsprechenden Sprachförder bedarf haben, möglichst viel von den anderen lernen.“ Das ist eine sehr starke Veränderung der Tätigkeit bei gleicher Kom petenz. Allein deswegen, glaube ich, müssen wir an vielen Stellen den Transfer von Wissen von dort, wo es gelungen ist, in die anderen Bereiche leisten, damit wir auch Ängste zer streuen können.

Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir im Bereich der finanzi ellen Beziehungen zu einer Einigung kommen werden. Es gibt den Vorschlag des Städtetags, auf den Anteil der Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe, der normalerweise für ein inklu sives Setting geleistet werden muss, zu verzichten und diesen dem Land zur Verfügung zu stellen. Das halte ich für eine ganz vernünftige Grundlage. Man muss natürlich über die Details reden. Der Minister hat zu Recht die Zusage aus dem Fiskal pakt zum Thema Eingliederungshilfe angesprochen. Das ist wiederum ein Topf, auf den wir zurückgreifen können, weil es hier definitiv um zusätzliche Aufgaben der Inklusion geht.

Lassen Sie uns also gemeinsam nach vorn schauen. Wir soll ten uns ein bisschen an dem alten Philosophen Hegel orien tieren. Er hat das sinngemäß ganz gut auf den Punkt gebracht: Wenn sich das Denken verändert, hält die Wirklichkeit nicht mehr lange stand.

Danke.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Mir liegen keine weiteren Wortmel dungen vor. Damit ist die Aktuelle Debatte beendet.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

a) Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregie

rung – Gesetz über die Feststellung eines Zweiten Nach trags zum Staatshaushaltsplan von Baden-Württem berg für das Haushaltsjahr 2014 – Drucksache 15/4411

b) Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregie

rung – Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichsge setzes und anderer Gesetze – Drucksache 15/4353

Das Wort zur Begründung der beiden Gesetzentwürfe erteile ich Herrn Minister Dr. Schmid.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesen Tagen und Wochen zeigt sich erneut, warum der historische Wechsel in BadenWürttemberg so wichtig war. Wer sich davon noch einmal überzeugen will, kann entweder einen Blick in die Zeitungen werfen – dort ließe sich genug finden – oder sich noch einmal den finanziellen Scherbenhaufen vor Augen führen, den wir 2011 vorfanden:

(Abg. Winfried Mack CDU: So peinlich! – Zuruf von der CDU: So ein Quatsch ist das wieder!)

einen riesigen Schuldenberg, einen immensen Sanierungsstau, ungedeckte Pensionslasten in Milliardenhöhe und ein struk turelles Defizit von 2,5 Milliarden € im Landeshaushalt –

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Walter Heiler SPD zur CDU: Das tut weh!)