Sehr geehrter Herr Präsi dent, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Dr. Rülke, nach Ihren Aus führungen zum Mindestlohn kann man nur noch froh sein, dass Ihre Partei außer in Sachsen an keiner Regierung in der Bundesrepublik mehr beteiligt ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der flächendecken de gesetzliche Mindestlohn ist das Fundament unserer Politik für gute und sichere Arbeit, ist auch das Fundament unserer Politik, Baden-Württemberg zu einem Musterland für gute Ar beit zu machen.
Denn der Mindestlohn ist Bestandteil des Rechts auf gute Ar beit, und er ist auch Bestandteil der Maxime, dass man von dem, was man sich erarbeitet hat, auch leben kann.
Frau Ministerin, möchten Sie das Prinzip, dass die Aktuelle Debatte frei zu füh ren ist, auch für die Regierung gelten lassen?
Der Mindestlohn ist Bestandteil des Rechts auf gute Arbeit, und das sehen nicht nur die Sozialdemokraten, die Christde
mokraten und die Grünen hier in Baden-Württemberg so, son dern das sehen die Menschen in unserem Land genauso. Ei ne überwältigende Mehrheit von weit über 80 % ist der Auf fassung, dass es sich beim Mindestlohn schlicht und ergrei fend um ein Gebot der Gerechtigkeit handelt. Selbst 60 % der Manager sprechen sich nach einer forsa-Umfrage aus dem Jahr 2013 für einen Mindestlohn aus. Denn die Menschen wollen den Mindestlohn, weil er dazu beiträgt, fairen und ge rechten Wettbewerb zu schaffen. Vor allem trägt er dazu bei, die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen durch Lohndumping zu verhindern, und er hilft auch, den Missbrauch durch Ge schäftsmodelle zu beseitigen, bei denen Verträge zulasten des Steuerzahlers abgeschlossen werden. Denn Hungerlöhne wer den auf Kosten des Steuerzahlers über Hartz IV aufgestockt, und das kann nicht im Sinne von guter und sicherer Arbeit sein.
Eines sei bei der ganzen Diskussion auch nicht vergessen: Die niedrigen Löhne von heute sind die Altersarmut von morgen. Auch das muss ein gutes Argument für den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn sein.
Bei allen populistischen Vorwürfen und bei dem scheinbaren Einsatz für die Landwirtschaft und für die Saisonarbeiter in Baden-Württemberg muss man zur Kenntnis nehmen, dass die bestehenden Branchenmindestlöhne bisher keine negativen Beschäftigungseffekte haben, obwohl einige Mindestlöhne so gar bei deutlich mehr als 8,50 € liegen.
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das hat kein Mensch infrage gestellt! – Gegenruf des Abg. Wolf gang Drexler SPD: Doch!)
Der Mindestlohn stärkt auch die Binnennachfrage und ist da mit wachstumsfördernd. Übergangsregelungen sind bewusst eingebaut worden. Übergangsregelungen bis zum Jahr 2017 federn das Risiko von Arbeitsplatzverlusten ab und geben der Wirtschaft Zeit, sich auf die Veränderungen einzustellen.
Ich darf an dieser Stelle noch einmal wiederholen: Lohndum ping auf Kosten der Steuerzahler wird mit einem flächende ckenden gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 € verhindert. Dies sorgt für ein gutes Auskommen und für gute und sichere Ar beit.
Lassen Sie uns auf die vorgesehenen Ausnahmen zu sprechen kommen. Zum Thema „Jugendliche bis 18 Jahre ohne abge schlossene Berufsausbildung“ muss man einfach festhalten, dass das erste Ziel sein muss, dass alle Jugendlichen eine Be rufsausbildung machen und diese auch zu Ende bringen. Wir müssen dafür sorgen, dass der Anteil der Absolventen eines Schuljahrgangs, die ohne Ausbildung sind, weil sie keinen Ausbildungsplatz finden, der derzeit etwa 15 % beträgt, ge senkt wird. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, halte ich die Ausnahme bei Jugendlichen bis 18 Jahren für durchaus gerechtfertigt. Denn Ziel muss für alle sein, eine
Ausbildung zu beginnen und diese auch abzuschließen, um nachher in der Arbeitswelt bestehen zu können, um von sei nem Gehalt bzw. Lohn leben zu können und später auch nicht in der Altersarmut zu landen.
Das Gleiche gilt für den Bereich der Langzeitarbeitslosen. Da zu ist zunächst festzuhalten, dass wir in Baden-Württemberg in unserem Modell des Passiv-Aktiv-Transfers, welches auf der Finanzierung von Arbeit und nicht von Arbeitslosigkeit basiert, generell von einem Mindestlohn von 8,50 € ausgehen, der zunächst auch ein Existenzminimum sichert.
Ausnahmen für Langzeitarbeitslose mit besonderen Vermitt lungshemmnissen – das sind Menschen, die schon länger als zwei Jahre arbeitslos sind, Menschen, die eine Vielzahl von Schwierigkeiten haben und nicht ohne Weiteres Zugang zum ersten Arbeitsmarkt haben – für die Dauer von sechs Mona ten, und zwar nur dann, wenn es sich um ein Arbeitsverhält nis im sozialen Arbeitsmarkt handelt, halte ich für diese spe zielle Zielgruppe für gerechtfertigt und für nachvollziehbar. Denn auch hier muss es unser erstes und oberstes Ziel sein, Menschen, die lange ohne Arbeit waren, wieder in ein sozial versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu bringen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Mindestlohn von 8,50 € pro Stunde bringt Mehreinnahmen bei den direkten und indirekten Steuern und in den Kassen der Sozialversicherun gen, und er führt auch zu Einsparungen bei den SGB-II-Aus gaben. Das bedeutet, der Mindestlohn sorgt dafür, dass es um unsere Sozialversicherungssysteme besser steht und dass die Menschen von dem, was sie verdienen, leben können.
Jetzt wurde beschrieben, wie es hier zukünftig in der Land wirtschaft, bei den Spargelbauern und bei den Erntehelfern, aussehen könnte. Ich finde, dass es bei dieser ganzen Diskus sion zunächst nicht nur darum gehen darf, welche Profitma ximierung der Arbeitgeber hat, sondern es sollte darum ge hen, dass auch Spargelbauern, Erntehelfer und sonstige Aus hilfen von dem Lohn, den sie verdienen, leben können.
Ich denke – dies bezieht sich auf alle Übergangsregelungen, die für bestimmte Branchen gelten –, bis zum Ende des Jah res 2017 besteht genügend Zeit, damit sich die Arbeitgeber entsprechend einrichten. Den Arbeitnehmern bringt diese Re gelung zum einen, dass sie von ihrem Gehalt leben können, und zum anderen, dass ihr sozialversicherungspflichtiges Ar beitnehmerverhältnis später auch zu anständigen Renten führt.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die Einführung des ge setzlichen flächendeckenden Mindestlohns ist bundespolitisch ein Meilenstein, der unsere Bemühungen, Baden-Württem berg zu einem Musterland für gute und sichere Arbeit zu ma chen, wesentlich unterstützt.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrte Damen und Herren! In der Opposition erstellt man normalerweise Ge setzentwürfe, die im Papierkorb landen. Aber, meine Damen und Herren von der CDU – mein Kollege Schmiedel hat schon darauf hingewiesen –: Sie regieren in Berlin mit.
(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Nein, Sie regie ren mit! – Abg. Peter Hauk CDU: Sie regieren mit! – Heiterkeit)
Herr Schreiner, Sie fordern beim Mindestlohn viele Ausnah men. Da muss man sich schon fragen: Für wen machen wir denn das Gesetz überhaupt? Hat das Gesetz am Ende so vie le und so große Löcher, dass man es nur noch in den Papier korb werfen kann?
Werfen wir doch den Blick darauf, was der Druck, den der Mindestlohn ausgelöst hat, schon bewirkt hat: Es gab Bewe gungen in Richtung Tarifvertrag. Plötzlich wurden Tarifver träge für das Friseurhandwerk abgeschlossen, Tarifverträge wurden für die Landwirtschaft abgeschlossen, und zuletzt wurden auch Tarifverträge für das Fleischerhandwerk abge schlossen. Das hat sich vorher niemand vorstellen können.
Herr Kollege Schmiedel hat schon darauf hingewiesen: Ein Grund ist, dass wir die Arbeitgeber stärken wollen, die schon jetzt faire Löhne bezahlen. Der zweite Grund ist: Wir wollen, dass wirklich jeder von seiner Arbeit leben kann. Es ist klar, dass dann für gleiche Arbeit auch gleich viel gezahlt wird.
Natürlich gefällt dies manchen nicht. Wir hören, dass Vertre ter aus der Wirtschaft schwarze Gewitterwolken an die Wand zeichnen. Sie sagen: „Der Mindestlohn vernichtet Arbeitsplät ze, treibt die Preise in die Höhe und fördert Schwarzarbeit.“ Natürlich kann es sein, dass manche Arbeitsplätze dann nicht mehr so rentabel sind wie jetzt. Aber wollen wir ein Ge schäftsmodell stützen, das sich ausschließlich auf Ausbeutung oder Sozialmissbrauch gründet? Ich finde, es ist eine Schan de, dass man solche Praktiken verteidigt, meine Damen und Herren.
Zweitens: Natürlich kann es sein, dass der Mindestlohn zu hö heren Kosten führt. Ich greife das Beispiel aus der Landwirt schaft, das Sie angeführt haben, auf. Warum zahlen wir bei den Discountern für das Pfund Erdbeeren nur 99 Cent? Die ser Preis kommt daher, dass in Spanien die Landwirte Arbei ter aus Afrika illegal beschäftigen; diese Arbeiter werden qua si in einer Art moderner Sklaverei gehalten. Solche Praktiken kann man doch nicht verteidigen. Dann müssen wir, die hier gut bezahlen können, doch dafür sorgen, dass den Arbeitneh merinnen und Arbeitnehmern bei uns wenigstens ein Mindest lohn gezahlt wird, und in der EU dafür eintreten, dass das Sys tem insgesamt geändert wird, meine Damen und Herren.
Zum Thema Schwarzarbeit: Schwarzarbeit gibt es schon jetzt. Durch einen Niedriglohn wird niemand von der Schwarzarbeit abgehalten. Vielmehr fördert der Niedriglohn die Schwarzar beit, weil sich jeder noch etwas dazuverdienen muss.
Zum Schluss – die Redezeit ist leider abgelaufen –: Mit dem Mindestlohn stärken wir die Tarifautonomie, stellen angemes sene Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeit nehmer sicher und machen daher einen weiteren Schritt im Bereich „Gute Arbeit“. Das ist gut so.