Welche Haltung hat die Landesregierung hierzu? Wir halten es für richtig, wenn Glyphosat weiter zugelassen wird, aller dings mit folgenden Einschränkungen:
Erstens: Ich glaube, wir müssen alles der Prämisse unterord nen, dass wir ein klares Pestizidreduktionsprogramm fahren. Das heißt, Pflanzenschutzmittel gleich welcher Art, insbeson dere auch die Totalherbizide – um ein solches handelt es sich beim Glyphosat –, müssen einer Minimierungsstrategie un
terliegen. Deshalb ist es meines Erachtens auch notwendig, Zulassungen mit Einschränkungen zu versehen.
Diese Einschränkungen könnten beispielsweise wie folgt ge schehen: Möglich wäre ein Verbot der sogenannten Sikkati on, also der Vorerntemaßnahmen. Man schätzt, dass der Gly phosateinsatz 2 bis 5 oder 8 % – in den neuen Ländern ist es mehr; in Baden-Württemberg gibt es vermutlich gar keinen Einsatz in diesem Bereich – beträgt. Dass in Vorerntemaßnah men Glyphosat eingesetzt wird, ist nicht zwingend notwen dig, das dient eigentlich nur der Erreichung des gleichen Rei fezeitpunkts der Kulturpflanzen.
Was ich für zwingend notwendig halte, ist, dass Glyphosat in zwei Anwendungsbereichen auf alle Fälle zugelassen bleibt. Das ist zum Ersten die Mulchsaat. Die Mulchsaat dient vor nehmlich dem Erosionsschutz. Ohne den Glyphosateinsatz sind flächendeckende Bewirtschaftungen, insbesondere in ero sionsgefährdeten Lagen, nur schwer möglich.
Der zweite Anwendungsbereich betrifft den Glyphosateinsatz bei der Unterstockbehandlung im Weinbau. Da kann man na türlich in allen Bereichen auch mechanische Verfahren anwen den, aber die mechanischen Verfahren beinhalten auch Beein trächtigungen der Bodenstruktur und des Bodens und sind zu dem deutlich arbeitsaufwendiger. Am Ende muss man auch das Thema Umweltgüter – in diesem Fall beispielsweise Ero sionsschutz – gegen das Thema Pflanzenschutzmitteleinsatz abwägen.
Zweitens: Welche Maßnahmen haben wir vor? Das ist zum einen: Wir wollen im Rahmen des Biodiversitätsprogramms, das der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung an gekündigt hat und das wir im Herbst dieses Jahres auch dem Landtag vorstellen werden bzw. bei dem wir den Landtag um die entsprechenden Mittel im Zuge der Haushaltsberatungen bitten werden, einiges zum Thema „Aufhaltung des Arten rückgangs“ tun.
Es ist bisher nicht erwiesen, dass Glyphosat der Grund dafür ist, dass Insekten sterben. Das ist nicht erwiesen; das ist eine Behauptung, für die jeglicher wissenschaftliche Beweis fehlt. Es stimmt, dass Neonikotinoide bei unsachgemäßer Behand lung in der Tat z. B. einen Beitrag zum Insektensterben leis ten können – dort, wo sie nicht fachgerecht ausgebracht wer den. Aber das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.
Deshalb warne ich davor, alle Pflanzenschutzmittel in einen Topf zu werfen. Sie sind unterschiedlich wirksam. Pflanzen schutzmittel haben halt die Eigenschaft, dass sie Kulturpflan zen, die vor allem für einen bestimmten Ertrag ausgelegt sind, ein Stück weit vor konkurrierenden Pflanzen schützen, die an sonsten auf den Feldern eben auch auftreten. Das ist der Sinn und Zweck von Pflanzenschutzmitteln. Dies pauschal zu ver teufeln halte ich für weit überzogen.
Unser Anliegen ist es, durch ein Pestizidreduktionsprogramm die Sensibilität für den Umgang mit Pflanzenschutzmitteln ge nerell zu erhöhen, aber genauso auch Erfolge dabei zu errei chen. Zum Zweiten wollen wir über ein Biodiversitätspro gramm über das bisher Bestehende hinaus reden, in dessen Rahmen Pflanzenschutzmittel überhaupt nicht ausgebracht werden dürfen.
Jetzt kann man das Europäische Parlament kritisieren oder auch nicht. Ich kritisiere es deshalb, weil es unzuverlässig war in der Frage der europäischen Förderpolitik. Aber der jüngs te Beschluss, wonach Pflanzenschutzmittel bei den ökologi schen Vorrangflächen verboten wurden, ist ja auch ein Beitrag dazu, dass wir insgesamt die Herbizid- und Pestizidausbrin gung auf den Acker- und Wiesenflächen reduzieren.
Vielen Dank, Herr Mi nister Hauk. Ich hätte da doch noch eine Nachfrage. Uns be gleitet dieses Thema ja wirklich schon seit vielen Jahren, auch das gemeinsame Thema Pestizidreduktion oder ein entspre chendes Programm, das bisher leider noch nicht so richtig aus seinen Startlöchern herausgekommen ist.
Heute, ganz aktuell, sind in verschiedenen Zeitungen Berich te zu lesen – in der Zeitung „Le Monde“ steht ein ganz aktu eller Bericht, aber auch in der ZEIT; deswegen auch meine Frage –, wonach Monsanto Wissenschaftler gekauft habe, um positive Aussagen im Rahmen des Verlängerungsantrags für Glyphosat zu bekommen.
Ist Ihnen dies bekannt? Wie würde denn die Landesregierung so etwas bewerten, wenn herauskäme, dass Wissenschaftler durch einen großen Konzern dazu gebracht werden, wider bes seres Wissen Meinungen kundzutun, die das Thema „Verlän gerung der Zulassung von Glyphosat“ hinterher zustimmend beeinflussen?
Ich weiß, dass die Firma Monsanto auf manche wie ein rotes Tuch – oder auch ein grünes oder schwarzes Tuch – wirkt. Das ist nicht unbekannt. Ich kenne den Artikel nicht, aus dem Sie zitieren, und ich weiß auch nicht, ob dort Wissenschaftler bestochen wurden. So etwas ist schon in der Vergangenheit immer wieder behauptet worden, es wurde aber nicht verifiziert. Deshalb kann ich zu Gerüchten keine Stel lung nehmen.
Die Gutachten, die vorliegen, werden ja auf der Basis von An gaben der Antragsteller verifiziert. Ich nenne einmal folgen des Beispiel: Monsanto will die Wiederzulassung von Gly phosat. Also muss es dafür eine wissenschaftliche Begrün dung geben, und dann muss den Verdachtsmomenten, die vor handen sind – da ist das Thema Krebsgefahr, da ist das The ma Umweltwirkungen, Insekten und dergleichen mehr –, nachgegangen werden. Dann kann so etwas ausgeschlossen oder bestätigt werden. Hierzu muss das Unternehmen selbst wissenschaftliche Gutachten liefern, und die Behörden, die das begutachten, müssen dann entscheiden, ob diese Gutach ten ausreichend sind oder ob es Ergänzungen bedarf.
Das ist ähnlich, wie wenn ein Naturschutzgutachten durch Windkraftbetreiber abgegeben wird. Da muss dann der Wind kraftbetreiber ein Naturschutzgutachten anfordern, das Natur schutzgutachten wird dem Landratsamt vorgelegt, und das Landratsamt bewertet dann, ob das Naturschutzgutachten feh lerhaft ist, ob es Ergänzungen bedarf, ob es der wissenschaft lichen Grundlage entspricht und dergleichen mehr, und ent scheidet dann.
So läuft es auch bei Pflanzenschutzmittelzulassungen. Die eu ropäische Zulassungsbehörde EBSA bewertet die Gutachten, die Monsanto zur Verfügung stellt, und kommt zu dem Ergeb nis: „Es ist ausreichend“ oder: „Es ist nicht ausreichend“ – dann muss nachgeliefert werden.
In diesem Fall ist die Behörde zu dem Ergebnis gekommen, das sei ausreichend; es sei auch hinreichend wissenschaftlich untersucht und überprüft, und man könne eine Unbedenklich keit feststellen – bei sachgemäßem Gebrauch. Niemand hat gesagt, dass Glyphosat trinkbar wäre; um das einmal deutlich zu sagen. Es geht um den sachgemäßen Gebrauch und um nichts anderes.
Zu diesem Ergebnis ist diese Behörde also gekommen. Ich sa ge einmal: Das Land und jede Entscheidungsbehörde – auch die Europäische Kommission oder die Länder – sind zu Ent scheidungen nach Recht und Gesetz verpflichtet und nicht auf grund von Gerüchten. Wir müssen nach Recht und Gesetz ent scheiden und dafür Aussagen heranziehen, die geprüft wor den sind, die wissenschaftlich fundiert sind und die aufgrund eines Maßgabenkatalogs, den sich eine Regierung, die Kom mission, die Bundesregierung, die Landesregierungen jeweils selbst gegeben haben, objektiv zu prüfen sind. Aufgrund die ser Ergebnisse müssen wir bei den anstehenden Themen zu Entscheidungen kommen.
Das ist beim Thema Windkraft nicht anders als bei der Zulas sung von Pflanzenschutzmitteln. Auch bei der Windkraft muss die untere Naturschutzbehörde am Ende entscheiden: Ist das Verfahren in Ordnung? Reichen die Gutachten aus? Sind sie stichhaltig, oder gibt es an dieser Stelle Zweifel?
Vielen Dank. – Herr Minister, könn ten Sie sich vorstellen, dass man die Frage des Einsatzes von Glyphosat z. B. beim Qualitätszeichen Baden-Württemberg oder auch beim FAKT-Programm berücksichtigt, also die För dermittel so bemisst, dass man einen höheren Fördersatz be kommt, wenn man dieses Mittel freiwillig nicht anwendet? Und können Sie sich vorstellen, dass man das Glyphosat im Bereich der nicht gewerblichen Nutzung, also z. B. bei Park anlagen oder bei kleingärtnerischen Nutzungen, auch von Landesseite her verbietet?
Ich kann mir gut vorstellen, dass man den Pflan zenschutzmitteleinsatz generell restriktiver behandelt, aber nicht, dass man ihn von vornherein verbietet. Ich bin gegen diese Verbotskultur – das sage ich Ihnen ganz offen –, weil ich der festen Überzeugung bin, dass der Landwirt, der han delt, nicht daran interessiert ist, sein Produktionsgut, nämlich den Boden, zu vergiften, und auch nicht daran interessiert ist, die Lebensmittel, die er produziert, zu vergiften, weil er mit denen nämlich Handel und Wandel treiben muss und sich von ihnen auch selbst ernähren muss.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der AfD – Abg. Reinhold Gall SPD: Das war auch nicht ge fragt!)
Nein, das war auch nicht gefragt, aber genau aus diesem Grund glaube ich an die Eigenverantwortung des Landwirts
im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben. Ich meine, wenn ein Pflanzenschutzmittel zugelassen ist, muss es bei sachgemä ßem Gebrauch entsprechend der Zulassung auch erlaubt sein, es entsprechend anzuwenden.
Was die Frage der Hausgärten angeht, existieren bereits der zeit Empfehlungen der Landesregierung dergestalt, dass im privaten Bereich möglichst auf den Einsatz verzichtet werden sollte. Da kann ich auch nur appellieren: Da hilft manchmal etwas mehr Bücken und Jäten. Das ist allemal besser als – –
Herr Minister, sehen Sie An sätze, dass das Land vielleicht auf seinen landeseigenen Flä chen, sowohl auf landwirtschaftlich genutzten Flächen als auch auf öffentlichen Anlagen, den Glyphosateinsatz unter bindet oder reduziert, um mit gutem Beispiel voranzugehen?
Ich sehe durchaus Ansätze, dass wir modellhaft erproben, wie wir Maßnahmen zur Reduzierung des Pesti zideinsatzes operational umsetzen können, und dass wir dazu auch landeseigene Flächen oder seitens des Landes verpach tete Flächen – bei Neuverpachtungen, wohlgemerkt – mit he ranziehen. In bestehende Pachtverhältnisse von Pächtern ein zugreifen verbietet die Vertragstreue. So etwas kann allenfalls bei Neuverpachtungen oder dort geschehen, wo das Land selbst den Daumen drauf hat.
Man kann durchaus darüber sprechen, dass man dort auf Gly phosat verzichtet. Das würde ich aber nicht nur auf Glypho sat beziehen, sondern auch auf andere Wirkstoffe. Sie müssen ja eines bedenken: Es wird allgemein empfohlen – und zwar zu Recht –, nicht ständig denselben Wirkstoff bei Herbiziden, Fungiziden usw. einzusetzen, um Resistenzen vorzubeugen. Wenn man schon solche Wirkstoffe einsetzt, sollten sie im mer wieder abgewandelt werden. Das hat in Europa in der Tat bisher zur Folge, dass wir bei Pflanzen noch nicht in größe rem Umfang Resistenzbildungen beobachten konnten, wie es beispielsweise in Amerika der Fall ist. Wir sollten auch nicht in diese Situation kommen. Ich erinnere an die Antibiotika diskussion: Wenn man Antibiotika uferlos prophylaktisch ein setzt, darf man sich nicht wundern, wenn irgendwann Resis tenzen aufkommen. Bei Pflanzenschutzmitteln könnte es ähn lich ablaufen.
Deshalb würde ich das auch nicht auf einen einzelnen Wirk stoff beziehen, weil die Zahl der Wirkstoffe ja dann weiter eingeschränkt wäre. Beim Thema Mulchsaaten beispielswei se gibt es gar keine großen Möglichkeiten; es gibt keine Band breiten an Maßnahmen, die man ergreifen kann.
Es gibt empfindliche Böden, die auch durch Bodenbearbei tung nicht zwangsläufig unkrautfrei gehalten werden können. Das muss man wissen.
In manchen Fällen, z. B. wenn Böden schwer zu befahren sind, ist man darauf angewiesen, dass auch einmal ein Herbi zid, sei es auch ein Totalherbizid, im Zweifelsfall auch vor der Aussaat gespritzt wird.
Vielen Dank. – Herr Minister, wenn Sie die nächste Frage auch so kurz beantworten, kann ich noch eine Frage zulassen.
Herr Minister, vielen Dank für Ihre Antworten. Ich glaube aber, dass man in diesem Haus noch einmal auf die Maßnahmen hinweisen sollte, die wir zur Pestizidreduktion bereits in unserem Landeshaushalt, im Pro gramm FAKT, haben, wie den ökologischen Landbau,
Es existiert auch eine Förde rung für den Verzicht auf Herbizideinsatz. Ich glaube, es ist wichtig, dass dies hier im Hohen Haus angesprochen wird.