Moment, Herr Abg. Glück. – Es gibt weitere Zwischenfra gen, und zwar von Herrn Abg. Dr. Fiechtner und Frau Abg. Dr. Baum. Lassen Sie diese zu?
Frau Ministerin, vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Zunächst einmal geht es um das Thema Medizinertest. Nur eine kleine Anmerkung – da ich selbst vor langer Zeit ja auch einmal einen Medizinertest ge macht habe –: Eines haben Sie in Ihrer Aufzählung vergessen. Es geht nicht nur um das dreidimensionale Vorstellungsver mögen, um das Funktionieren unter Druck usw., sondern auch um das Thema Fleiß. Denn für den Medizinertest muss bereits im Vorfeld viel geübt und gelernt werden. – Das ist das eine.
Sie haben aber vorhin noch etwas anderes gesagt: 15 Warte semester seien nicht unbedingt die Gewähr dafür, dass jemand
hinterher ein guter Mediziner wird. Das stimmt; daher ist es nachvollziehbar, dass Sie, wie Sie gerade sagten, von dieser Wartequote wegkommen wollen. Aber es gibt hier doch eine kleine Einschränkung: Wenn jemand diese Wartezeit beispiels weise nutzt, um eine medizinische Ausbildung zu machen, et wa zum Notfallsanitäter, zur medizinisch-technischen Assis tentin bzw. zum medizinisch-technischen Assistenten oder zur Pflegekraft, dann gibt es gute Gründe, diese Wartezeit nicht einfach schlechtzureden.
Herr Abg. Glück, Ihrer Einschätzung schließe ich mich nur in Teilen an. Es ist richtig: Der Medizinertest ist gut, er ist hart, und er ist fair.
Zu der Frage weiterer Qualifikationen: Wir berücksichtigen in der Tat – ich habe das eben nicht erwähnt – auch heute schon berufliche Vorerfahrungen. Das macht auch Sinn. Eine Ausbildung zum Sanitäter
oder zur Krankenschwester – wird berücksichtigt. Wir möch ten dies aber nicht unbedingt noch stärker berücksichtigen, denn sonst käme es zu einem kontraproduktiven Effekt: Wenn man über das Warten hineinkommt und über eine Ausbildung in dieser Zeit zusätzliche Pluspunkte sammelt, dann kann das dazu führen, dass die begehrten Ausbildungsplätze etwa in der Pflege – die wir ja dringend brauchen – von Menschen belegt werden, die eine solche Ausbildung sozusagen taktisch ma chen und am Ende nicht als Pfleger arbeiten.
Deswegen meine ich, wir sollten das nicht überziehen. Wir berücksichtigen den praktischen Faktor, aber wir sollten Aus bildungsplätze nicht mit Menschen belegen, die diese Ausbil dung im Grunde nur machen, um hinterher eine bessere Aus sicht auf ein Medizinstudium zu haben.
Vielen Dank, Frau Ministerin. – Eigentlich ist ja die Zugangsvoraussetzung für jedwedes Studium das Abitur und eine entsprechende Ab iturnote. Für das Medizinstudium gilt der Numerus clausus schon mindestens seit dem Zeitpunkt, zu dem ich mein Stu dium aufgenommen habe, also mindestens seit 1980. Dies ist
offenbar ein gutes Auswahlkriterium, um hinterher gute Ärz te zu haben. Momentan liegt der Numerus clausus ja bei 1,0 oder etwas mehr; das sind also diejenigen, die sich an den Schulen als wirklich leistungsfähig erwiesen haben.
Wozu sollte es dann noch einen zusätzlichen Test geben, und wie valide ist überhaupt dieser Test? Welche Aussage können Sie zu der Frage treffen, ob ein Mensch, der diesen Test er folgreich absolviert hat, tatsächlich ein guter Arzt wird? Kön nen wir es nicht wie bei allen anderen Studiengängen auch bei der Auswahl durch die Abiturnote belassen? Hier wäre eine Diskussion mit Frau Dr. Eisenmann durchaus sinnvoll: Wie wertvoll ist eigentlich das Abitur, auch im Hinblick auf Me dizin?
Wir werden das Abitur nicht abschaffen; wir werden das Abitur als Zugangsvoraussetzung ebenfalls nicht abschaffen. Man muss schon das Abitur haben – von wenigen Ausnahmen beruflich Qualifizierter abgesehen. Wir werden auch in Zukunft die Abitur-Bestenquote nicht abschaffen. Es wird also einen Zugang für diejenigen geben, die sich über die Schule und das Abitur als die Leistungsfähigsten erwiesen ha ben. Auch das soll ein Zugangsweg bleiben. Bislang haben wir eine Abitur-Bestenquote von 20 %, die wir auch nicht an tasten wollen. Aber für die anderen wollen wir den Test stär ker gewichten als das Abitur und Zahlen hinter dem Komma. So stellen wir verschiedene Zugangswege her, halten Chan cen offen und schaffen Chancengerechtigkeit.
Sie haben nach der Validität des Medizinertests gefragt. Wir hatten dazu immer Begleitforschung. Wir haben immer ge schaut, wie stark die Absolventen des Medizinertests und wie gut ihre Aussichten im Vergleich zu jenen sind, die mit beson ders guten Abiturnoten kommen, und wie nahe der gute Abi schnitt dem Ergebnis des Medizinertests ist. Beides ist sich natürlich nicht völlig fremd. Die Wahrscheinlichkeit, mit ei nem guten Abischnitt auch einen anständigen Medizinertest zu absolvieren, ist ja gar nicht so gering.
Es gibt aber Fälle, in denen das abweicht. Beispielsweise Hei delberg als hoch attraktiver Medizinstandort hat Personen mit einem Abischnitt von 2,2 aufgenommen, die aber den Medi zinertest mit einem hervorragenden Ergebnis absolviert hat ten.
Wir haben diese Leute beobachtet. Wir haben also geprüft, wie gut sie beim Physikum abschnitten – mit der Rückmel dung: hervorragende Resultate.
Wie gut kommen sie insgesamt durch das Studium? Hervor ragende Resultate. Deswegen glauben wir: Wir müssen das Abitur als Kriterium nicht abschaffen. Es ist aber nicht das einzige Kriterium,
mit dem wir starke Leute und Talente identifizieren. Deswe gen ist dieser Medizinertest – ein baden-württembergisches Produkt – gut. Wir werden ihn um eine neue, valide und ge prüfte Komponente der sozialen und kommunikativen Befä higung ergänzen, zumindest für eine Teilgruppe.
Sie hatten die nächste Zwi schenfrage noch zugelassen, Frau Ministerin. – Bitte, Frau Abg. Dr. Baum.
Vielen Dank, Frau Ministe rin. – Ich habe noch eine Frage zu dieser Wartequote. Ist schon definitiv beschlossen, diese abzuschaffen? Wenn ja: Was ist mit den Personen, die jetzt schon jahrelang warten?
Genau dieses Thema wird derzeit in der Kultus ministerkonferenz verhandelt. Die Wartequote ist eine der zen tralen Fragen, die verhandelt werden. Wir ringen darum, die Wartequote abzuschaffen und sie durch eine Talentquote zu ersetzen.
Selbstverständlich ist in diesem Zusammenhang auch zu klä ren, was mit denjenigen ist, die bislang gewartet haben. Be steht da Vertrauensschutz? Gibt es Übergangsregelungen? Dies ist in der Verhandlung. Dazu gibt es Gutachten und vie le Ideen. Wir werden verträgliche Regelungen für die Betrof fenen finden.
Wichtig ist, glaube ich, dass wir für die Zukunft die klare An sage machen, dass wir das nicht für einen geeigneten Weg hal ten.
Ich möchte zum Schluss auf die Frage zurückkommen, ob es in der Koalition einen Streit über die Landarztquote gibt.
Ehrlich gesagt: Ich möchte unterstreichen, dass wir um das selbe Ziel ringen. Wie wir die Versorgung im ganzen Land si cherstellen, ist unsere gemeinsame Sorge, und wir suchen nach guten Lösungen, die in unser Land passen.
Ich bin mir ganz sicher: Wir werden im Gespräch miteinan der die besten Lösungen herausarbeiten, weil wir ein quali tätsvolles Studium haben wollen, weil wir ein chancengerech tes und faires Verfahren haben wollen und weil wir Versor gungsprobleme sehr ernst nehmen. Deswegen werden wir uns – mit all den Maßnahmen, die der Kollege und auch Sie als Redner schon beschrieben haben, mit den guten Maßnahmen, die schon auf dem Weg sind – auch bei den nächsten Schrit ten auf weitere Maßnahmen verständigen, die passen.
Ich persönlich gehöre zu jenen, die bei der Quote skeptisch sind – wegen der frühen Festlegung von 17- oder 18-Jährigen und der langen Zeitspanne, bis man dann ankommt, und auch
wegen der Sorge, dass das ein Weg wird, bei dem man sich, wenn man das Geld hat, freikaufen kann. Das sind Gründe, die mich skeptisch machen.
Ich glaube aber, dass es Ansatzpunkte gibt, bei denen wir uns in der Denkweise sehr nahekommen. Wir müssen das Prob lem lösen und müssen diese Aufgabe auch schnell lösen.
Deswegen: Danke für die Einladung. Wir machen das zusam men. Wir schauen uns an, wo die besten Modelle sind und was wir von anderen lernen können. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir uns darauf verständigen werden, was für das Medi zinstudium und für die Ärztinnen und Ärzte der Zukunft im ganzen Land sinnvoll ist.