Protokoll der Sitzung vom 07.11.2018

Am 19. Oktober wurden gemeinsam mit Frau Staatssekretä rin Bärbl Mielich und Frau Ministerin Bauer die Bachelorstu diengänge Hebammenwissenschaft und Pflege auf dem neu en Campus Gesundheitswissenschaften Tübingen/Esslingen eröffnet. Insbesondere die an einer Universität verortete pri märqualifizierende Hebammenwissenschaft in Zusammenar beit mit der Universitätsmedizin ist dabei eine bundesweite Neuerung.

Es war sicherlich ein steiniger Weg, der zurückzulegen war, um Bundesberufsrecht und Wissenschaftsfreiheit hier in Ein klang zu bringen. An der Akademisierung des Hebammenwe sens führt aus unserer Sicht kein Weg vorbei, gerade auch um auf gleicher Augenhöhe mit anderen zu stehen. Nicht zuletzt auch die Vorgaben der EU und die Empfehlungen des Wis senschaftsrats sind ja dann auch umzusetzen.

Vor diesem Hintergrund möchte ich die Regierung fragen: Wie weit ist Baden-Württemberg jetzt auf dem Weg der Akademi sierung des Hebammenberufs, und was ist an nächsten Schrit ten geplant?

Vielen Dank. – Für die Lan desregierung erteile ich das Wort Frau Ministerin Bauer.

Frau Präsidentin! Herr Abg. Filius, vielen Dank für die Frage. – In der Tat haben wir in Baden-Württemberg mit der Einrichtung des Studiengangs in Tübingen Neuland betreten. Dieser Schritt bettet sich ein in ein umfassenderes Programm, das wir „Akademisierung der Gesundheitsfachbe rufe“ nennen. Wir haben in diesem Zusammenhang das The ma Hebammenwesen, aber auch die Themen Pflege und Phy siotherapie aufgewertet und die Hochschulen unterstützt, qua litativ hochwertige Konzepte zu entwickeln, um diese Beru fe auf akademischem Niveau studieren zu können. Dabei geht es nicht um eine Vollakademisierung all dieser Berufe, son dern um eine Erweiterung des Spektrums um eine akademi sche Komponente.

Wir haben in dem Zeitraum von 2015 bis 2020 für das The ma „Akademisierung der Gesundheitsfachberufe“ insgesamt rund 10 Millionen € jährlich zur Verfügung gestellt. Es wer den mit diesem Programm, mit dieser Maßnahme in den ge nannten Fachbereichen insgesamt 775 Studienanfängerplätze in neuen wie auch in bestehenden Studiengängen gefördert. Von diesen 775 Studienanfängerplätzen sind jetzt 105 Bache lorstudienplätze im Bereich Hebammenwesen geschaffen. Diese Studienplätze verteilen sich zum einen auf die Duale Hochschule Baden-Württemberg an den Standorten Stuttgart, Karlsruhe, Heidenheim und – neu – das Universitätsklinikum Tübingen in Kooperation mit der Hochschule für angewand te Wissenschaften in Esslingen.

Wenn man sich anschaut, was wir bislang an Kapazitäten im Bereich des Hebammenwesens hatten, dann erkennt man: Wir haben jetzt mit den neu geschaffenen Studiengängen eine Aka demisierungsquote von ca. 50 % bei den Hebammen erreicht, wenn man die Zahl der bestehenden Anfängerplätze pro Jahr mit der Zahl der Ausbildungsplätze an den Berufsfachschu len vergleicht. Wir sind daher auf dem Weg zur Akademisie rung des Hebammenberufs in Baden-Württemberg bereits sehr gut aufgestellt. Jetzt wollen wir ein paar Erfahrungen sam meln.

Wir freuen uns sehr über den großen Zuspruch, den es für die sen Studiengang gegeben hat. Sie haben in der Tat eben kor rekt beschrieben: Der Weg dorthin war nicht ganz einfach. Es waren viele Akteure zusammenzubringen. Wir wollten auch mit dem primärqualifizierenden Studiengang in Tübingen da für Sorge tragen, dass die Praxis nicht zu kurz kommt. So sieht es auch das entsprechende Bundesgesetz vor. Ich glaube, wir haben eine sehr gute Lösung gefunden, die einerseits die ho

hen Anforderungen an den Beruf abbildet und andererseits die jungen Menschen hervorragend darauf vorbereitet und signa lisiert: Wir wollen hoch motivierte, bestens ausgebildete jun ge Menschen für dieses wichtige Tätigkeitsfeld gewinnen.

Wir werden auf der Grundlage der ersten Kohorten schauen, wie wir da in Zukunft weiter voranschreiten werden. Im Mo ment muss man sagen, die Nachfrage ist ordentlich. An der DHBW sind die Studiengänge ordentlich ausgelastet. Wir er warten noch weitere Fortschritte im nächsten Jahr. Um wei ter voranzugehen, müssen wir noch ein paar Finanzierungs fragen klären.

Noch einmal vorneweg: Wir haben nicht das Ziel, dass wir in all diesen Bereichen voll akademisieren. Wir glauben, dass es im Bereich des Hebammenwesens notwendig ist, diese Voll akademisierung herbeizuführen. Das hat etwas mit den EURahmenvorgaben zu tun.

(Abg. Anton Baron AfD: Oje!)

Es hat aber auch etwas damit zu tun, dass die Hebammenaus bildung in ihrer bisherigen Form seit 2016 nicht mehr automa tisch eine gleichwertige Anerkennung in anderen Mitglieds staaten der EU findet, sodass wir im Bereich des Hebammen wesens wirklich umfassender agieren müssen.

(Abg. Anton Baron AfD: Total übertrieben! Das ist doch verrückt!)

In den anderen Bereichen streben wir eine Akademisierungs quote von nicht mehr als dem Anteil an, den der Wissen schaftsrat vorgesehen hat, nämlich zum jetzigen Zeitpunkt rund 20 % des gesamten Bereichs.

Die Finanzierungsfragen müssen mit dem Bund geklärt wer den. Ich bin dem Sozialminister und der Staatssekretärin sehr dankbar, dass sie sich in diese Frage aktiv eingebracht haben. Wir haben eine offene Flanke bei der Finanzierung, weil der praktische Ausbildungsteil in dem Studium bislang nicht von den Krankenkassen finanziert wird.

Im bisherigen Ausbildungsgang haben die Krankenkassen da für Ressourcen zur Verfügung gestellt. In dem neuen, primär qualifizierenden Studiengang wollen die Krankenkassen dies bislang nicht übernehmen. Das halten wir für einen Fehler. Wir halten es für nötig, dass Bundesminister Spahn an dieser Stelle interveniert und für eine gesetzliche Klarstellung sorgt, sodass die Praxisanleitung in dem Studium so wie bisher von den Krankenkassen auch in Zukunft über den Ausbildungs fonds finanziert wird.

Wenn wir dieses Thema geklärt haben, können wir auch mu tig weiter voranschreiten. Im Moment hindert uns das aber ein Stück weit daran, zu sagen, wie schnell wir weiter vorankom men.

Ich habe mich sehr über die klaren Worte unseres Bundesmi nisters Spahn zu dem Thema Akademisierung und zur Bedeu tung der Hebammenausbildung insgesamt gefreut. Es ist schön, dass er dies anerkennt und fordert. Jetzt muss aber auch ge liefert werden bei der Frage, ob wir die damit verbundenen fi nanziellen Aufwendungen auch abgebildet bekommen. Ich hoffe sehr, dass die Interventionen des Kollegen Lucha an die sem Punkt erfolgreich sind. Dann werden wir weitersehen.

Es gibt eine Nachfrage. – Herr Abg. Filius, Sie haben das Wort.

Frau Ministerin, vielen Dank für die bisherige Beantwortung. – Es kommen immer wieder die Fragen auf: Brauchen wir eigentlich die Akademisierung in allen Bereichen? Ist der Bachelor überall notwendig?

Können Sie dazu Auskunft geben, dass man in diesem Zusam menhang über bestimmte Anteile spricht? Gerade von den Handwerksverbänden und von anderen wird uns immer wie der gesagt: „Passt in den Bereichen auf!“ Mich würde inter essieren, ob Sie diesbezüglich gerade für den Gesundheitsbe reich noch mehr sagen könnten.

Wie eben schon angedeutet, ist mein Anliegen nicht, alles zu akademisieren. Ich glaube, dass die bisherige Ausbildung auch ihre Stärken hat. Deswegen gehen wir auf dem Weg der Akademisierung vorsichtig voran und halten uns an die Empfehlung des Wissenschaftsrats, der schon 2012 empfohlen hat, dass wir zumindest einen Teil der Fachkräfte in den Gesundheitsfachberufen Pflege, aber auch Therapien, an den Hochschulen ausbilden. Denn es geht insbesondere auch darum, in neuen Konstellationen zusammenzuarbeiten.

Wir brauchen Führungskräfte, die in interprofessionellen Teams zusammenarbeiten, die andere anleiten können und die auch auf Augenhöhe mit den Ärzten zusammenarbeiten können. Deswegen wollen wir zumindest einen Teil akademisch aus bilden, der dann in der Lage ist, interprofessionell in den ent sprechenden Strukturen zu arbeiten. Ich glaube, wir gehen hier richtig und mit Augenmaß vor. Wir wollen entsprechende Er fahrungen sammeln.

Am Ende brauchen wir in der Praxis, wenn die Absolventen in die entsprechenden Krankenhäuser und Strukturen kom men, eine angemessene Bezahlung. Deswegen gehen wir Schritt für Schritt vor. Der Wissenschaftsrat hat empfohlen, 10 bis 20 % eines Ausbildungsjahrgangs in den Bereichen Pflege, Hebammenwesen, Physiotherapie, Ergotherapie und Logopä die akademisch auszubilden. Wir machen, wie gesagt, bei den Hebammen den größeren Schritt. In den anderen Bereichen verhalten wir uns entsprechend den Empfehlungen des Wis senschaftsrats.

Die nächste Frage kommt von Frau Abg. Wölfle.

Frau Ministerin, ich habe die Fra ge: Welche besseren Perspektiven – finanziell und auch im Bereich der Entscheidungsbefugnisse – haben die Bachelor studienabgänger aus den jetzt laufenden Studiengängen, wenn sie in den Beruf einsteigen?

Das wird die Praxis erweisen. Das kann ich Ih nen von hier aus leider nicht sagen. Darauf haben wir vonsei ten des Wissenschaftsministeriums keinen direkten Zugriff. Wir sind im Gespräch mit den Universitätsklinika.

Wir haben das in Tübingen in einer besonders schönen Wei se machen können, weil wir den Studiengang gemeinsam ent wickelt haben. Wir wollen, dass es Möglichkeiten gibt, auch einen größeren Spielraum an Kompetenzen und Tätigkeitsfel

dern zu erhalten, die man dann übernehmen kann. Es ist aber nicht in unserer Macht, dies zu definieren. Vielmehr wird sich das in der Praxis weiter erweisen. Ansonsten ist der Bundes gesetzgeber da vielleicht auch gefragt, die Rahmenbedingun gen etwas weiterzuentwickeln.

Herr Abg. Dr. Balzer, bitte.

Danke sehr. – Ich habe nur ei ne kurze Frage. Im Rahmen der Gespräche über die Zukunfts perspektiven von jungen Hebammen ist mir zugetragen wor den, dass die Krux an der Berufstätigkeit der jungen Frauen die Summe für die Haftpflichtversicherung ist, die sie bezah len müssen. Da habe ich jetzt nicht so ganz verstanden, ob der Bachelorabschluss in dieser Sache wirklich etwas nutzen kann. Deshalb würde ich gern erfahren, wie Sie mit diesem Prob lem in Zukunft umgehen können, ob es da überhaupt Lösungs ansätze und Möglichkeiten in Zusammenarbeit mit der Versi cherungswirtschaft gibt oder geben kann.

Das Versicherungsthema ist eines, das die nie dergelassenen Hebammen angeht und nicht im Zuständig keits- und Regelungsbereich des Wissenschaftsministeriums liegt. Das ist natürlich eine relevante Problematik, jedoch nicht für die Hebammen, die in den Krankenhäusern beschäf tigt sind. Ich würde vorschlagen, dass wir dazu vielleicht der Staatssekretärin im Sozialministerium – wenn es erlaubt ist – das Wort erteilen, die eben schon das Bedürfnis hatte, zu der vorherigen Frage zusätzlich Stellung zu nehmen. Denn wir re den ja über ein Thema, das an der Schnittstelle zwischen Wis senschaftsministerium und Sozialministerium angesiedelt ist.

(Abg. Dr. Rainer Balzer AfD: Ja, gern!)

Vielen Dank. – Jetzt kann Frau Staatssekretärin Mielich die Fragen, die noch offen sind, be antworten.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja ein Novum, dass hier zwei Regierungsvertreterinnen die Fragen beantwor ten. – Es geht bei den Versicherungsleistungen um ein großes Thema, das auch ein großes Thema bleibt und insgesamt der „Pferdefuß“ in der Geburtshilfe bleibt. Es ist völlig egal, wo die Geburtshilfe stattfindet, ob sie im Fall der freiberuflichen Hebammen von den Hebammen allein gestemmt werden muss oder z. B. eben im Krankenhaus von dem Krankenhausträger.

Das bedeutet, dass insgesamt geschaut werden muss, wie man das auf breitere Füße stellen kann. Da ist die Bundesebene ge fragt. Dort gibt es ja immer wieder diverse Diskussionen, dass man z. B. einen steuerfinanzierten Versicherungsfonds schafft, der diese Belastungen für die einzelnen Hebammen, die nie dergelassen arbeiten, deutlich reduziert. Das ist eine Möglich keit. Solange das aber noch nicht der Fall ist, muss man halt wirklich schauen, wie man das insgesamt auf breitere Füße gestellt bekommt.

Aber ich möchte auch sagen: Die Akademisierung der Heb ammenausbildung zum jetzigen Zeitpunkt beruht zum einen auf der Umsetzung der EU-Richtlinie, aber zum anderen ist es auch genau der richtige Zeitpunkt, um ein deutliches poli tisches Signal zu setzen, dass wir den Beruf der Hebamme

stärken wollen, dass wir ihn ausbauen wollen, dass wir die Hebammen alle brauchen. Deswegen sind wir sehr froh, dass diese Form der Ausbildung jetzt erst einmal ganz gut ange nommen wird. Dabei hoffen wir jedoch, dass es künftig noch besser angenommen werden wird.

Wir versprechen uns von der anteiligen Akademisierung – Mi nisterin Bauer hat ja eben gesagt, 20 % in den Pflegeberufen und auch in der Physiotherapie –, dass wir auf diese Weise ei nen zusätzlichen Ausbildungszweig schaffen, der es möglich macht, dass z. B. akademisch ausgebildete Pflegefachkräfte, Physiotherapeuten, Hebammen in sogenannten interprofessi onellen Versorgungsteams in der Fläche miteinander arbeiten können. Das ist das Ziel, das wir, das Sozialministerium, hier verfolgen. Wir glauben, dass wir mit diesem Schritt der Aka demisierung, der Teilakademisierung ein ganzes Stück wei terkommen werden.

Vielen Dank, Frau Staats sekretärin. – Ich sehe keine weiteren Fragen. Die Stunde für die Regierungsbefragung ist auch abgelaufen.

Okay. Herzlichen Dank.

Ich danke Ihnen.

Damit schließe ich den Tagesordnungspunkt 4 und rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des E-Government-Gesetzes Ba den-Württemberg – Drucksache 16/4537

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für In neres, Digitalisierung und Migration – Drucksache 16/4985

Berichterstatter: Abg. Rainer Stickelberger

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allge meine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Frakti on festgelegt.

Als Erste hat für die Fraktion GRÜNE Frau Abg. Lisbach das Wort. – Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute die Zweite Beratung zum Gesetz zur Änderung des E-Govern ment-Gesetzes Baden-Württemberg. Das letzte Mal haben wir schon ausgiebig über die Inhalte dieser Gesetzesänderung ge sprochen und diskutiert.

Es geht um eine verbindliche Rechtsgrundlage für den Emp fang elektronischer Rechnungen. Es handelt sich um eine Um setzung von EU-Recht, die hier vorgenommen wird. Daher ist die Änderung zwingend. Wir begrüßen sie aber auch inhalt lich, denn es ist aus unserer Sicht auch eine sinnvolle Erwei terung des E-Government-Gesetzes.