Ja, Sie haben es anders gesagt. Sie haben vom Knutschen zwischen Fünfzehn- und Dreizehnjährigen gesprochen. Sie müssen sich erst einmal die diffizile Materie des Sexualstrafrechts vor Augen führen. Wenn Sie Staatsanwalt wären, würde das Gericht, selbst wenn es noch so konservativ wäre, keine Ihrer Anklagen zulassen, weil sie rechtswidrig wären.
Kein Gericht würde diese Anklagen zulassen. Selbst wenn sie zugelassen würden, würde das Gericht niemals eine rechtskräftige Verurteilung aussprechen. Sie bringen Jugendstrafrecht und Sexualstrafrecht durcheinander. Es gibt im Strafrecht immer noch den Grundsatz der Bestimmtheit der Strafe. Die Strafe muss vorhersehbar sein. Alles das spielt für Sie überhaupt keine Rolle. Sie machen Rundumschläge. Solche Rundumschläge aber hat ein intensiver Kampf gegen solche schrecklichen Taten nicht verdient. Solche Rundumschläge führen nur zu noch mehr Enttäuschung bei der Allgemeinheit wie auch bei den Betroffenen. Deswegen sollten Sie sich schämen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Das, was uns Kollege Welnhofer zu diesen Anträgen geboten hat, war ein plakativer Tiefgang, der dieses Hauses und dieser Debatte nicht würdig ist.
Ich habe immer wieder den Antrag gelesen und mich gefragt, wozu Sie eigentlich reden. Die drei Forderungen, die in dem Antrag erhoben werden, sind in Ihrem Redebeitrag so gut wie nicht vorgekommen.
Herr Kollege Welnhofer, ich möchte Sie einmal daran erinnern, was die Regierung Kohl in ihren 16 Jahren beim Sexualstrafrecht gemacht hat. Was hat sie auf diesem Gebiet gemacht? – Gar nichts!
Ich engagiere mich in vielen Initiativen, die sich um die Opfer von sexuellem Missbrauch kümmern. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie Politikerinnen der Grünen und der SPD in den Kommunalparlamenten und auch hier im Landtag von Ihnen angegiftet worden sind, nur weil sie den sexuellen Missbrauch von Kindern innerhalb von Familien angesprochen haben. Jahrelang wurde gesagt, den Missbrauch, den sie behaupteten, gebe es in einer Familie nicht, weil die Familie ein heiliger Ort ist, wo solche Taten nicht stattfinden.
Wie unglaublich schwierig war es doch, bei Straftaten im familiären Bereich Fortschritte zu erzielen! Jahrelang haben wir Modellprojekte gefordert. Das Justizministerium hat auch einiges eingeleitet, und es hat sich auf diesem Gebiet auch einiges getan. Es hat sich aber nicht deshalb etwas getan, weil Sie die ganzen Jahre hinweg so empört waren, sondern weil die Opfer von sexuellem Missbrauch empört waren und etwas in die Gänge gebracht haben. Soviel nur als Vorbemerkung.
Es steht außer Zweifel, dass sexueller Missbrauch von Kindern und Straftaten gegen das sexuelle Selbstbestimmungsrecht verabscheuungswürdig sind und entsprechend bestraft werden müssen. Dafür haben wir jah
relang gekämpft. Deshalb halte ich es auch für gut und richtig, dass die rot-grüne Regierung einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht hat. Aber auch wir im Landtag haben während der letzten Legislaturperioden über dieses Thema diskutiert und dazu beigetragen, dass einige Strafen verschärft wurden.
Mir fehlt auf diesem Gebiet allerdings die Aussage, was die einzelnen Maßnahmen tatsächlich bewirkt haben. In Bayern werden bei Sexualstraftätern generell Lockerungen versagt. Fachleute, die auf diesem Gebiet aktiv sind oder forschen, sagen, Maßnahmen, die alle gleichermaßen betreffen, seien nicht sinnvoll. Wenn wir dann fordern, diese Maßnahmen daraufhin zu überprüfen, ob sie tatsächlich dem Schutz der Bevölkerung dienen, heißt es auf Ihrer Seite immer, nein, das sei nicht nötig. Das ist Ihre Politik. Sie setzen beim Strafmaß und bei den Tatbeständen immer noch eines darauf. Sie überprüfen aber nie, ob das, was Sie machen, etwas bewirkt.
Die Regierung hat wirklich einen umfangreichen Katalog von Maßnahmen vorgelegt – Herr Welnhofer, Sie haben sie ja teilweise vorgetragen. Ich sehe im Moment nicht, dass es an irgendeiner Stelle ohne Überprüfung noch eine weitere Verschärfung geben soll. Sie haben anhand eines sehr komplizierten Sachverhalts, der eine umfangreiche Diskussion erfordern würde, drei Forderungen herausgezogen, und das sollen wir jetzt mit zehnminütigen Redebeiträgen abhandeln. Damit werden Sie dem Ernst der Problematik, um die es hier geht, nicht gerecht.
Ich möchte es an einem Beispiel vorführen, nämlich am Beispiel der Forderung, dass bei allen Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern die Telefonüberwachung eingeführt werden muss. Sexueller Missbrauch von Kindern geschieht in sehr vielen Fällen – ich kenne zwar nicht die genaue Zahl, aber es sind 80 oder 90% der Fälle – in der Familie. Ich frage Sie, was hier eine Telefonüberwachung nützt.
Es ist Schwachsinn, dafür eine Telefonüberwachung zu fordern. Es nützt viel mehr – dies sieht das Gesetz ja auch vor –, dass diejenigen, die einen sexuellen Missbrauch in der Nachbarschaft oder auch innerhalb der Familie beobachten, bestraft werden können, wenn sie diesen sexuellen Missbrauch nicht melden. Das ist der richtige Ansatz.
Ich sage aber auch, dass zum Beispiel bei der Verbreitung von Kinderpornografie Telefonüberwachung möglicherweise sinnvoll ist. Die Möglichkeiten der Telefonüberwachung sind aber in der letzten Legislaturperiode erheblich ausgeweitet worden. Im Bundestag steht jetzt an zu prüfen, was diese Ausweitung gebracht hat, ob sie tatsächlich der Verbrechensbekämpfung dient. Im Rahmen dieser Überprüfung muss dann diskutiert werden, ob zur Bekämpfung von Kinderpornografie Telefonüberwachung Sinn macht. Wir wollen die Auswertungen und diese Diskussionen abwarten. Wir wollen nicht, so wie Sie es mit Ihrem Antrag gemacht haben, schnell plakativ die Fahne hochheben und Telefonüberwachung bei sexuellem Missbrauch von Kindern fordern.
Des Weiteren – das ist auch schon erwähnt worden – klingt es natürlich sehr gut zu fordern, den sexuellen Missbrauch von Kindern als Verbrechen einzustufen. Wer könnte denn da dagegen sein? – Wenn man aber § 176 StGB näher betrachtet, sieht der Sachverhalt anders aus. Unser rechtspolitischer Sprecher Jerzy Montag hat dies bei der Ersten Lesung im Bundestag dargestellt und gesagt, dass § 176 StGB nicht nur den sexuellen Missbrauch von Kindern durch Erwachsene umfasst, sondern auch den sexuellen Kontakt zum Beispiel zwischen 13- und 15-Jährigen. Auf diesen Sachverhalt hat ja auch Kollege Welnhofer hingewiesen und ihn auch als problematisch dargestellt. Ich meine, dass man deshalb nicht einfach so plakativ herangehen und sagen kann: Wir beschließen heute im Bayerischen Landtag, sexueller Missbrauch von Kindern muss zu einem Verbrechen erklärt werden. Sie sind Jurist; Sie kennen sich aus; Sie waren, glaube ich, auch Richter. Diese Herangehensweise ist dieser ernsten Thematik nicht angemessen.
Ähnlich verhält es sich bei Ihrer Forderung nach einer DNA-Analyse. Ich habe mich im Bundestag erkundigt. Nun soll ein zweistufiges Verfahren eingeführt werden. So, wie man mir das geschildert hat, meine ich, dass dies ausreicht. Deshalb können wir auch diese Forderung nicht mittragen.
Meine Damen und Herren, insgesamt wünsche ich mir, dass solch ernste Debatten angesichts einer so schwierigen Thematik auf der Grundlage eines differenzierten Antrages geführt werden. Wenn man ernsthaft daran interessiert ist, darüber zu diskutieren, sollte man mit einem solchen Antrag im Ausschuss der Sache auf den Grund gehen und die Probleme ernsthaft angehen. Dieses Thema eignet sich am allerwenigsten für Populismus. Deshalb lehnen wir den Antrag auch ab.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Präsident! Ich möchte nur Einiges klarstellen, weil Fragen aufgeworfen worden sind. Zuerst zu den zahlreichen Fragen des Kollegen Dr. Hahnzog, in der einen Frage zusammenfasst, ob wir eigentlich gegen alles sind, was jetzt im Bund auf den Weg gebracht wird. Wir sind natürlich nicht dagegen, dass die Neuregelungen, die auf den Weg gebracht worden sind, möglichst ohne Verzögerung weiter verfolgt werden. Das Problem im Blick auf die Sicherheit unseres Landes ist aber, dass der Eindruck erweckt wird, mit jenem Gesetzeswerk würde den Problemen ausreichend Rechnung getragen. Gerade das können wir Ihnen allerdings nicht durchgehen lassen, denn das bleibt weit hinter dem Notwendigen zurück. Dies ist unserem Antrag auch ganz klar und eindeutig zu entnehmen. Obwohl zwar deren Tendenz richtig ist, stimmen wir den eingebrachten rot-grünen Vorstellungen deshalb nicht zu, weil das, was neu gere
Es wäre nur eine ganz alberne Retourkutsche, wenn ich sagen würde: Offenbar haben Sie auch unseren Antrag nicht gelesen. Derart alberne Bemerkungen verkneife ich mir. Tatsache ist allerdings, dass in unserem Antrag genau jene Forderungen stehen, die ich in meinem Beitrag auch besonders herausgestellt habe.
Nun zum Beitrag der GRÜNEN. Sie mögen vielleicht Recht haben, wenn Sie mir vorhalten, dass zur Regierungszeit der CDU/CSU-FDP-Koalition auf diesem Gebiet zu wenig geschehen ist – das bestreite ich gar nicht. Wir haben immer mit ganz großem Bedauern feststellen müssen, dass auch intensivste Bemühungen zur Strafverschärfung vom Koalitionspartner nicht akzeptiert worden sind. Es war ja auch eine ehemalige Bundesjustizministerin der FDP, die sich jetzt als erste mit Richterschelte hervorgetan hat. Als der erkennende Richter im Fall Vanessa sinngemäß gesagt hat, wir brauchen schärfere Gesetze, war die Dame die erste, die gesagt hat: Das stehe dem Richter nicht zu; er solle so etwas nicht sagen. Mit genau dieser Grundhaltung ist in unserer Regierungszeit vom Koalitionspartner verhindert worden, dass das Notwendige geschieht.
(Beifall bei der CSU – Schindler (SPD): Aber eine schöne Koalition habt ihr schon gehabt! So wichtig war es dann doch wieder nicht!)
Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 14/11622 – das ist der Antrag der CSUFraktion – seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der CSU. – Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine. Der Antrag ist damit angenommen.
Wer dem Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 14/11630 – das ist der Antrag der SPD-Fraktion – seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Fraktion der CSU. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine. Der Antrag ist damit abgelehnt.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Maget, Werner-Muggendorfer, Biedefeld und anderer und Fraktion (SPD)
hier: Beibringung der Planunterlagen und Annahme des Gesprächsangebots der Bundesregierung (Drucksache 14/11623)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Christine Stahl, Kellner, Paulig und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Einleitung des Raumordnungsverfahrens für den ökologischen Donauausbau – sofortiger Beginn der Hochwasserschutzmaßnahmen (Drucksache 14/11628)
Herr Präsident, Kollegen und Kolleginnen! Wenn jetzt einige seufzen und „Donau“ sagen, dann seien Sie gewiss: Ich seufze auch. Sie haben ja so Recht. Eigentlich müssen Sie sich fragen, an wem es denn liegt, dass wir dieses Thema wieder auf der Tagesordnung haben. Herr Wiesheu hat heute morgen von ungelösten Verkehrsproblemen gesprochen. – Wie wahr!
Das Problem Donauausbau ist ungelöst. Derzeit wird ein Verwirrspiel getrieben, indem drei Varianten ins Raumordnungsverfahren eingebracht werden, obwohl man ganz genau weiß, wie die einzelnen Varianten wirken. Nicht ohne Grund wurde immer wieder beklagt, dass die Gutachten zu diesem Thema meterhoch sind. Somit besteht keine Notwendigkeit, die Auswirkungen der Varianten noch einmal zu eruieren. Aus diesem Gutachten geht ganz klar hervor, dass die Variante A die umweltverträglichste Variante ist, mit der das prognostizierte Verkehrsaufkommen bewältigt werden könnte. Das Wirtschaftsministerium vertritt jedoch die Auffassung, dass nicht wahr sein kann, was nicht wahr sein darf. Dieses Ministerium schreckt auch nicht vor obskuren Fragebogenaktionen und einem nachträglichen Schönrechnen von Kosten-Nutzen-Analysen zurück. Ich bezeichne diese Variante als „Kampagne Bayern“.
Mit dieser verschärften Variante B „Kampagne Bayern“ betreiben Sie eine Hinterfotzigkeit, die ihresgleichen sucht. Sie ziehen durch die Lande und behaupten, der Bund hätte das Raumordnungsverfahren nicht eingeleitet. Das haben Sie auch im Ausschuss gesagt. Im „Straubinger Tagblatt“ ist zum Beispiel zu lesen „Die Bundesregierung ist jetzt am Zug“. Sie streuen wissentlich Informationen, die nicht zutreffen. Sie wissen nämlich, woran es liegt. Die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens setzt das Vorliegen aller Planungsunterlagen voraus. Dazu gehören die technischen Unterlagen, die bei der RMD in Arbeit sind. Ich frage mich, wie weit die RMD mit diesen Unterlagen ist. Können wir das in unserem Leben noch erwarten? – Allein die Tatsache, dass die RMD, die unbedingt Staustufen will, mit dem Hochwasserschutzkonzept beauftragt wird, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Das ist etwa so, wie wenn man den Hund in den Metzgerladen schickt, damit er auf die Wurst aufpasst.
Des Weiteren müssen die ökologischen Unterlagen vorliegen. Das Konzept dafür wird von der Bundesanstalt
für Gewässerkunde erarbeitet. Man geht von einer Bearbeitungszeit von neun Monaten aus. Schließlich muss die RMD ein Hochwasserschutzkonzept für die Variante A in Zusammenarbeit mit der Wasserwirtschaft erstellen. Sowohl der Umweltminister als auch der Wirtschaftsminister wissen sehr genau, wer dafür zuständig ist. Der Freistaat Bayern ist für den Hochwasserschutz zuständig. Das gilt auch für die Bundeswasserstraßen. Dies ist eine Ländersache.
Niederbayern hätte diesen Hochwasserschutz eigentlich schon gestern gebraucht. Wie weit wird dieses Konzept im diesjährigen Sommer gediehen sein? – Die Bundesregierung geht davon aus, dass es dann fertig sein wird. Wie werden die Deiche aussehen? – Das hängt allein von der Variante ab. Sie können sich nicht zurücklehnen und sagen, dass Sie zunächst einmal für den Hochwasserschutz sorgen wollen. Sie müssen vorher sagen, welche Variante Sie wollen. Sie wissen auch, dass anschließend der Nachweis der Hochwasserneutralität der Variante A durch ein Testat der Bundesanstalt nötig ist. Damit ist klar: Von Bayern hängt es im Wesentlichen ab, wann das Raumordnungsverfahren eingeleitet wird. Bayern muss dafür die Voraussetzungen schaffen.