Protokoll der Sitzung vom 11.03.2003

Dem Bayerischen Obersten Rechnungshof ist gemäß Artikel 101 in Verbindung mit Artikel 114 Absatz 2 der Bayerischen Haushaltsordnung damit ebenfalls die Entlastung erteilt.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 4 a

Gesetzentwurf der Abgeordneten Glück, Welnhofer, Herrmann (CSU),

Maget, Güller, Schmitt-Bussinger und anderer (SPD),

Christine Stahl, Dr. Dürr, Elisabeth Köhler und anderer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

über die Unterrichtung des Landtags durch die Staatsregierung (Drucksache 14/11731)

Erste Lesung –

Den Gesetzentwurf begründet Kollege Welnhofer.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es heute in Erster Lesung mit einem wesentlichen Ergebnis der Enquetekommission „Reform des Föderalismus – Stärkung der Landesparlamente“ zu tun. Diese Kommission hat ungefähr vor einem Jahr ihren Schlussbericht vorgelegt, der eine ganze Reihe von Vorschlägen zur Reform des Föderalismus enthält, die der Bayerische Landtag – jedenfalls nicht allein – Wirklichkeit werden lassen kann, sondern die für ihre Umsetzung mehrerer Änderungen des Grundgesetzes bedürfen.

Es gibt aber einige Empfehlungen der Kommission, die der Landtag allein umsetzen kann. Seit einigen Tagen sind entsprechende Vorschläge konkret auf dem Weg in die parlamentarische Behandlung. Es handelt sich zunächst um den Entwurf des Parlamentsinformationsgesetzes, das heute in Erster Lesung behandelt wird.

Das ist ein sehr kurzes Gesetz; es enthält nur Grundsätze. Wir haben gleichzeitig einen interfraktionellen Antrag eingereicht, der die Staatsregierung auffordert wird, eine sehr umfangreiche Vereinbarung mit dem Landtag zu treffen, die dann das Parlamentsinformationsgesetz im Einzelnen ausfüllt.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Wir haben ferner einen Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung des Landtags eingereicht, der gewährleisten soll, dass der jeweils federführende Ausschuss in eilbedürftigen Bundesratsangelegenheiten an Stelle des Plenums – jedenfalls vorläufig – entscheiden kann, um dem Landtag rechtzeitig Gehör zu verschaffen. Weiter wurde ein Antrag eingereicht, der fordert, dass immer dann, wenn Bayern zwei Mitglieder in den Ausschuss der Regionen entsendet, eines davon samt Stellvertreter aus der Mitte des Landtags zu berufen ist.

Man muss all diese Initiativen im Zusammenhang sehen; dann bedeuten sie eine deutliche Stärkung der Rechte des Landtags sowohl gegenüber der Staatsregierung als auch im Allgemeinen. Es entspricht auch dem parlamentarischen Selbstverständnis der Volksvertretung, dass das Parlament ausreichend Informationen künftig nicht nur wie bisher aufgrund guten Willens der Staatsregierung bekommt, sondern dass es dafür in Zukunft eine gesetzliche, vielleicht sogar eine verfassungsgesetzliche Grundlage gibt. Darüber wird noch gesprochen.

Ohne dass ich jetzt ins Einzelne gehen kann und möchte, sollten diese parlamentarischen Initiativen aber auch der Startschuss dafür sein – das wünsche ich mir jedenfalls; das wünschen uns wohl hier alle –, dass weitergehende Stärkungen der Landesparlamente, weitergehende Stärkungen des Föderalismus und des Subsidiaritätsprinzips nachfolgen. Wenn ich mir allerdings die Vorlagen für den Lübecker Verfassungskonvent am 31. März dieses Jahres anschaue, dann beschleicht mich Unbehagen; denn das, was dort vorgeschlagen wird, nur um Konsens zu erzielen – mir fehlen jetzt die richtigen Worte; denn ich will das nicht alles abwerten –,

(Dr. Hahnzog (SPD): Ist dünn!)

ist schon etwas dünn, sehr richtig, Herr Kollege Dr. Hahnzog. Ich wünsche mir, dass beim Lübecker Konvent noch kräftig nachgebessert wird und dass aus dem zahnlosen Tiger, der nach den bisherigen Vorlagen dort springen soll, ein Tiger mit wenigstens ein paar Zähnen werden möge.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Mir liegt eine Wortmeldung der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN vor: Frau Kollegin Gote, bitte.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Da wir mit den Gesetzesinitiativen und Anträgen, die Kollege Welnhofer gerade vorgestellt hat, in großer Einigkeit vor

Sie hintreten, fühle ich mich jetzt auch nicht dazu herausgefordert, einen ausführlichen Redebeitrag hier zu leisten. Ich möchte aber nur zu einigen Punkten drei Sätze sagen.

Es ist wirklich nicht zu unterschätzen, dass die Ergebnisse einer Expertenkommission – der Enquetekommission –, die zum Teil sehr detailliert und weitgehend sind, wirklich nach einem Jahr Punkt für Punkt in parlamentarische Initiativen umgesetzt werden. Wir haben an vielen Beispielen, ob nun in Landesparlamenten oder auf Bundesebene, erlebt, dass derartige Vorschläge meistens in großen Schubladen verschwinden und nie wieder gesehen werden. Das ist hier tatsächlich anders. Das, was wir in der Enquetekommission gemeinsam beschlossen haben, jene gemeinsamen Standpunkte, zu denen wir uns durchgerungen haben, münden tatsächlich in parlamentarischen Initiativen. Ich bitte Sie, das angemessen zu würdigen.

(Kobler (CSU): Das waren jetzt schon fünf Sätze!)

Ich habe von „Punkten“ gesprochen. Ich kann lange Sätze bauen. – Bei der Diskussion auf Bundesebene im Zusammenhang mit dem Lübecker Konvent der Landesparlamente erleben wir, dass viele unserer Kolleginnen und Kollegen bundesweit an diese Themen eher zögerlich herangehen, aus welchen Gründen auch immer; da treffen sicher viele verschiedene Interessenslagen zusammen. Wir in Bayern sind hier einen guten Schritt hin zu einer konkreten Realisierung vorwärts gekommen. Das Ganze führt deutlich zu einer Stärkung des Parlaments; ob das auch eine Stärkung der Opposition sein wird, werden wir sehen. Wir unsererseits werden alles daran setzen, diese neuen Instrumente in diesem Sinne zu nutzen. Ich hoffe, dass wir damit in Zukunft auch schon im Vorfeld von Initiativen zu spannenderen und lebendigeren Debatten kommen werden. Deshalb bitte ich Sie, diese Vorhaben in den Ausschüssen wohlwollend zu begleiten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege Dr. Hahnzog hat ums Wort gebeten.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Da dies ein Gemeinschaftswerk aller Fraktionen ist, möchte auch die SPD kurz etwas dazu sagen. Sie begrüßt dies natürlich, auch deswegen, weil sich gezeigt hat, wie wichtig es war, dass wir derartige Institutionen wie Enquetekommissionen des Parlaments installieren können. Das war ein Ergebnis der Verfassungsänderung von 1998. Die Kommissionen, die es sonst auf Seiten der Staatsregierung gab, hätten sich wahrscheinlich nie so intensiv um die Rechte der Parlamente gekümmert.

Wenn wir auf dem Konvent in Lübeck – da stimme ich mit dem Kollegen Welnhofer in der Tendenz überein – bei dem Vorhaben weiterkommen wollen, vom dominierenden Exekutivföderalismus abzukommen, müssen wir auch zeigen, dass wir landesintern die Parlamente stärken wollen, nicht nur auf der Ebene aller Länder in der

Bundesrepublik. Das ist ein wichtiger Gesichtspunkt. In der Diskussion zwischen den Fraktionen zu Verfassungsänderungen heute Morgen haben wir dieses Anliegen noch ein bisschen vorwärts gebracht. Wir werden darüber aber in anderem Zusammenhang noch zu diskutieren haben. Besten Dank also; auch wir werden natürlich zustimmen.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Die Aussprache ist geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Widerspruch erhebt sich nicht. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 4 b

Gesetzentwurf der Abgeordneten Maget, Schindler, Hoderlein und anderer und Fraktion (SPD)

zur Änderung des Bayerischen Katastrophenschutzgesetzes (Drucksache 14/11574)

Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Das Wort hat Herr Schindler.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Flutkatastrophe im Sommer letzten Jahres hat gezeigt, dass es in unserem Land eine Welle der Hilfsbereitschaft und Solidarität gibt, die alle diejenigen Lügen straft, die immer behaupten, unsere Gesellschaft bestünde nur noch aus Egoisten und Menschen mit Ellenbogen, die sich nicht für das Allgemeinwohl einsetzen. Genau das Gegenteil war ganz offenkundig der Fall. Feuerwehrmänner und -frauen, hauptamtliche und ehrenamtliche Mitarbeiter des Roten Kreuzes, der Wasserwacht und vieler anderer Hilfsorganisationen waren im Einsatz, um denen zu helfen, die von der Flutkatastrophe betroffen waren.

Bei dieser Katastrophe ist aber vielen ein Problem deutlich geworden, welches den Insidern schon lange bekannt war. Es gibt eine nicht zu erklärende Ungleichbehandlung von Feuerwehrmännern und -frauen einerseits und ehrenamtlichen Mitarbeitern des Roten Kreuzes und sonstiger Hilfsorganisationen andererseits. Der Unterschied besteht darin, dass Mitarbeiter der freiwilligen Feuerwehren, die bei einem Einsatz zur Abwehr einer Katastrophe tätig sind, einen Anspruch auf Freistellung von ihrer Arbeitsverpflichtung und auf Lohnfortzahlung und gleichzeitig ihre Arbeitgeber einen Erstattungsanspruch haben, wenn sie für die Mitglieder der freiwilligen Feuerwehren Aufwendungen übernehmen und wenn diese nicht nur kurzfristig für ein oder zwei Stunden, sondern für einige Tage tätig sind, wie es im Sommer letzten Jahres der Fall war. Das Gleiche gilt auch für die Angehörigen des Technischen Hilfswerkes. Für sie gibt es eine bundesgesetzliche Regelung, die im Prinzip das Gleiche aussagt. Die dort Tätigen haben entsprechende Ansprüche gegenüber dem Bund.

Diese Regelung gilt allerdings nicht für die ehrenamtlichen Mitarbeiter der sonstigen Hilfsorganisationen, die nach dem Bayerischen Katastrophenschutzgesetz auch zur Katastrophenhilfe verpflichtet sind. Für diejenigen, die als Mitarbeiter der Wasserwacht oder des Roten Kreuzes im Einsatz waren, gab es keinen Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsverpflichtung und auf Erstattung von ausgefallenen Löhnen oder Gehältern. Auch ihre Arbeitgeber hatten keine Erstattungsansprüche. Deren Ansprüche werden teilweise – und das ist das Problem – aus dem Katastrophenschutzfonds befriedigt, der aus Beiträgen des Freistaates und der kreisfreien Städte und Landkreise gespeist wird. Die Ansprüche werden nach den bestehenden Richtlinien aber nicht zu 100%, sondern im Regelfall nur zu etwa 55% erfüllt. Dies hatte zur Folge, dass das Bayerische Rote Kreuz die Personalaufwendungen, welche es im Zusammenhang mit der Bewältigung der Flutkatastrophe hatte, nur zu etwa 50% erstattet bekam.

Gerade die Erfahrungen bei der Flutkatastrophe des letzten Jahres, bei der ja tausende von Helfern im Einsatz waren, lassen es geboten erscheinen, die nicht zu begründende Ungleichbehandlung endlich abzuschaffen. Deshalb schlagen wir Ihnen vor, dass in das Bayerische Katastrophenschutzgesetz eine Verweisung auf die entsprechenden Regelungen im Feuerwehrgesetz aufgenommen wird. Dort ist detailliert geregelt, wie die Erstattungs- und Lohnfortzahlungsansprüche ausgeglichen werden.

Nun haben wir gemerkt, dass die CSU-Fraktion dieses Problem auch erkannt hat. Sie hat deshalb einen Antrag vorgelegt, mit dem die Staatsregierung gebeten wird, sie möge prüfen, ob die Katastrophenschutzhelfer unter der Prämisse einer im Katastrophenschutzgesetz zu schaffenden Regelung bei Katastropheneinsätzen einen Freistellungs- und Entgeltfortzahlungsanspruch bekommen sollen und ob auch entsprechende Erstattungsansprüche ihrer Arbeitgeber geschaffen werden können.

Unter dieser Prämisse sollte auch geprüft werden, wie die Anforderung von Helfern bei freiwilligen Hilfsorganisationen und demzufolge auch die Kostenübernahme begrenzt werden kann. Das ist schon etwas eigenartig. Mir ist auch nach längerem Nachfragen bei verschiedenen Hilfsorganisationen und auch bei den Landratsämtern nicht bekannt geworden, dass bei der Flutkatastrophe zu viele Kräfte im Einsatz gewesen wären und man deshalb einige hätte nach Hause schicken müssen. Im Gegenteil, die Hilfsorganisationen waren um jeden Mann und um jede Frau, die sich freiwillig gemeldet haben, dankbar. Es kann doch nicht darum gehen, den Einsatz und die Bereitschaft von Männern und Frauen, die bei der Abwehr von Katastrophen bereit sind mitzuhelfen, zu begrenzen. Es muss doch darum gehen, die bei der Bekämpfung der gleichen Gefahr beteiligten Helfer gleichzustellen. Und deshalb bitten wir Sie um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Frau Tausendfreund.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht einzusehen, dass die verschiedenen ehrenamtlichen Katastrophenhelfer nach wie vor eklatant ungleich behandelt werden, je nachdem, ob sie der Feuerwehr und dem Technischen Hilfswerk oder den freiwilligen Hilfsorganisationen angehören. Diese Ungleichbehandlung erfolgt, obwohl die Helfer der freiwilligen Hilfsorganisationen ähnliche Tätigkeiten ausüben und beim Einsatz im gleichen Maße wichtig sind und obwohl Feuerwehren, Technisches Hilfswerk und alle anderen freiwilligen Organisationen gesetzlich verpflichtet sind, ihre Helfer einzusetzen.

Es gibt keine sachliche Begründung dafür, dass die ehrenamtlichen Helfer der Wasserwacht, des Arbeitersamariterbundes oder der Lebensrettungsgesellschaft keinen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit haben, während Mitarbeiter der Feuerwehren oder des THW einen solchen Anspruch schon haben. Auch den Arbeitgebern der betroffenen Helfer ist nicht vermittelbar, dass es im einen Fall Ersatzleistungen für die ausgefallene Arbeit gibt, im anderen Fall dagegen nicht. Es liegt auf der Hand, dass die rechtliche und finanzielle Gleichstellung der Helfer sachdienlich und im Sinne der Motivation der Helfer und der Qualität des Katastrophenschutzes ist. Das gilt dem Gunde nach auch für die Sachaufwendungen der Hilfsorganisationen.

Eine Angleichung wäre die logische Konsequenz. Schließlich handelt es sich beim Katastrophenschutz um einen staatliche Aufgabe. Alleine die Mittel fehlen. Schon 1995 hat es aus dem Hause des Innenministers eine Initiative gegeben, welche genau dieses Ziel verfolgte. Diese Initiative hatte den Landtag allerdings nie erreicht, denn Ihr Finanzminister, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, hat dieses Vorhaben ausgebremst, nachdem die Hilfsorganisationen verständlicherweise nicht bereit waren, die Kosten für Lohnfortzahlung und Verdienstausfall alleine zu übernehmen. Eine solche Initiative hat es also schon einmal gegeben. Wir sollten sie wieder aufgreifen. Ihr Prüfungsantrag auf Drucksache 14/11386 zur Helfergleichstellung, welcher im Haushaltsausschuss bereits beschlossen wurde, verfolgt auch das Ziel einer Angleichung der Regelungen für die verschiedenen Organisationen. Gleichzeitig wird in diesem Antrag nach Möglichkeiten gesucht, dass die Kosten nicht davonlaufen. Dieses Ansinnen ist legitim, und deshalb wurde dieser Antrag von uns auch unterstützt.

Nach dieser Vorgeschichte wäre es aber schlichtweg albern, wenn Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, den Gesetzentwurf der SPD ablehnen würden, nur weil er von der falschen Partei kommt. Wie Sie Ihre Wählerinnen und Wähler verprellen, bleibt natürlich Ihnen überlassen. Wir sollten allerdings gemeinsam den Gesetzentwurf zur Grundlage für eine längst überfällige Neuregelung machen. Das wäre das richtige Signal für die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die sich schließlich für das Allgemeinwohl einsetzen.

Herrn Finanzminister Faltlhauser – leider ist er gerade nicht da – werden wir noch etwas kneten müssen. Wenn wir das gemeinsam tun, werden wir das, so glaube ich, schon schaffen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)